Das Team des literaturcafe.de wünscht Ihnen ein gutes, gesundes, glückliches und friedvolles Jahr 2021. Lesen Sie unseren traditionellen persönlichen literarischen Jahresrückblick auf 2020.
Ein Wort bestimmt das Jahr 2020. Sie kennen es.
Es war ein Jahr, das Veränderungen brachte, bringen musste. Nicht nur zum Schlechten. Neue Wege und Formen mussten gefunden werden – auch im literaturcafe.de. Vielbeachtete Online-Lesungen bestimmten unser Jahr. Ansonsten ging es oft um Ereignisse, die nicht stattgefunden haben. Keine Messe in Leipzig, keine Messe vor Ort in Frankfurt. Über den Bachmannpreis haben wir direkt aus Klagenfurt berichtet, obwohl kaum jemand da war.
Januar 2020
Das Jahr beginnt mit Seminarankündigungen für Schweiz und Schwarzwald im Februar und März. Es sollten in diesem Jahr die einzigen Vor-Ort-Seminare bleiben, unmittelbar danach kam der erste Lockdown, und Seminare werden ins Internet verlegt. Das wird mindestens Anfang 2021 weiterhin so bleiben.
Der Schriftsteller Josef Reding stirbt im Alter von 90 Jahren.
Im Januar kann man noch ins Kino gehen. Der vieldiskutierte, weil scheinbar in einer Kamerafahrt gedrehte Film »1917« läuft, doch die Schrecken des Ersten Weltkrieges hat Erich Maria Remarque in Textform eindring- und drücklicher vermittelt.
Der Jahresbestseller im Taschenbuch war 2020 wieder einmal »Das Café am Rande der Welt« und seine Nachfolgebücher. Deren stets Hut tragender Autor John Strelecky ist im Podcast-Gespräch mit literaturcafe.de-Herausgeber Wolfgang Tischer zu hören.
Februar 2020
Das Self-Publishing-Seminar im Aargauer Literaturhaus bleibt aus anderen Gründen im Gedächtnis. Noch ist es nicht die Quarantäne, die den Referenten nach Überschreiten der deutschen Grenze festhält, sondern eine physische Naturgewalt: Sturm Sabine legt Bäume quer und den Bahnverkehr lahm, eine Nacht muss unfreiwillig in Singen am Hohentwiel verbracht werden. Am Tag darauf, dem 11. Februar, geht es direkt weiter zur Pressevorführung der Jack-London-Verfilmung von »Ruf der Wildnis«. Richtig gelohnt hat es sich nicht. Grund genug, nochmals aus erster Hand zu erzählen, wie es mit dem Goldrausch im Yukon wirklich war.
Lohnenswert ist eine Fahrt zum Deutschen Literaturinstitut nach Leipzig. Mit einer Tagung feiert der Deutsche Literaturfonds sein 40-jähriges Bestehen. Es entstehen acht Podcast-Gespräche u. a. über die Fragen, was Literatur im Jahre 2020 noch darf, warum plötzlich emotional über Literatur diskutiert wird und über das Gendern. Themen, die den literarischen Diskurs des Jahres bestimmen werden. Eine Tagung, die Themen setzt.
Wie wird es im Jahr 2020 mit dem Literarischen Quartett weitergehen? Ende 2019 hatte sich Volker Weidermann als Diskussionsleiter verabschiedet. Nun ist klar: Thea Dorn übernimmt mit jeweils drei wechselnden Gästen. Das wird in diesem Jahr gut, zum Jahresende schlechter gelingen.
März 2020
Das reale Leben reduziert sich. Vieles hatten wir für die Bühne der Leipziger Buchmesse 2020 geplant, doch die wird 14 Tage vorher abgesagt. Zu kurzfristig für digitale Ersatzformate, die das kulturelle Leben des Jahres bestimmen sollten. Das literaturcafe.de verlegt einige der geplanten Gespräche in den Podcast.
Die Verlegung und Verleihung des Preises der Leipziger Buchmesse ins Deutschlandradio finden einige nicht so doll gelungen.
Ist das »neue« Literarische Quartett gelungen? Noch bleibt diese Frage offen.
Viren breiten sich aus, die lit.Cologne ist das nächste Opfer. Wir blicken auf Bakterien in der Literatur.
Wolfgang Schorlau und Claudio Caiolo stellen ihren Italien-Krimi in Stuttgart in einem Saal mit 800 Leuten vor, und sie sprechen im Podcast des literaturcafe.de darüber. Eine Woche später undenkbar. Ersteres, nicht Letzteres.
Der 250. Geburtstag von Friedrich Hölderlin kann nicht mit lange geplanten Ausstellungen und Veranstaltungen gefeiert werden. Das literaturcafe.de übernimmt: In einer siebenstündigen Live-Lesung liest Wolfgang Tischer den »Hyperion«. Ein gewaltiger Erfolg mit Katze. Bis zum Jahresende wurde die Aufzeichnung bei YouTube über 7.000 Mal abgerufen. Es gab 200 Likes. Der Auftakt einer Reihe virtueller Lesungen. Wie fühlt es sich an, sieben Stunden Hölderlin vorzulesen?
Nicht live aber im Web: Doris Dörrie gibt einen Schreibkurs auf Basis ihres Buches.
Und das nächste große Literaturereignis wird abgesagt: der Bachmannpreis in Klagenfurt. Doch es wird anders kommen. Es gibt Protest auch von Seiten der Jury. Und so wird der Literaturwettbewerb 2020 doch stattfinden. Aber anders. Digital. Die Skepsis auch im literaturcafe.de ist groß.
April 2020
Es ist das Online-Lese-Ereignis des Jahres und der Text der Stunde: Wolfgang Tischer liest im literaturcafe.de »Die Pest« von Albert Camus. Täglich live und in 10 Teilen. Sogar die FAZ berichtet. Aus lizenzrechtlichen Gründen kann die Lesung leider nicht online bleiben. Ein Making-of erzählt die Geschichte.
»Das Mööp – Ein fantastischer Seuchenbericht« wird von David Gray in Fortsetzungen geschrieben. Nach Teil 6 ist plötzlich Schluss. Fiel das Mööp dem Virus zum Opfer? Wir werden es nie erfahren.
Textkritiker Malte Bremer und Wolfgang Tischer sehen sich unabhängig voneinander den Debütroman »Federico Temperini« von Theres Essmann an. Das Urteil ist einstimmig positiv. Der Meinung schließt sich die Jury des Literaturstipendiums des Landes Baden-Württemberg an. Im Dezember 2020 wird Theres Essmann die mit 12.000 Euro dotierte Förderung erhalten.
Das dieses Jahr bestimmende Thema ist schlimm genug, wir brauchen nicht noch Gedichte darüber.
Da hören wir lieber herausragende Hörspiele, Podcast-Folgen mit Verlagslektoren oder verweigern uns mit Bartleby.
Nachdem bereits viel abgesagt wurde, warum nicht längst die Frankfurter Buchmesse im Oktober?
Mai 2020
Das Literarische Quartett wird den Rest des Jahres ohne Publikum auskommen. Wenn, dann finden 2020 Literatur und Lesungen den Sommer über unter freiem Himmel statt. Im Winter wird nichts mehr erlaubt sein.
Wir lesen den im »echten« Diogenes Verlag veröffentlichten Roman »Leinsee« und wundern uns über einen Artikel im Schwarzwälder Boten, der naiv über einen Zuschussverlag berichtet, als wäre diese Art der Veröffentlichung normal.
Michelle Obama schreibt ihre Autobiografie, ist der Mittelpunkt einer Netflix-Doku und auf Platz 1 der Bestseller-Liste. Am Ende des Jahres wird dort auch ihr Ehemann mit seinen präsidentialen Erinnerungen zu finden sein. Am Ende des Jahres wird auch Donald Trump abgewählt sein.
Wieder liest Wolfgang Tischer täglich im literaturcafe.de. Diesmal nicht live, da es im Wald kein WLAN gibt. Aber tagesaktuell. »Walden« von Henry David Thoreau ist weiterhin bei YouTube verfügbar. Thoreau kennen viele von Kalender-Zitaten.
Was ist von seinem Buch und von Henry David Thoreau zu halten? Ein Video geht dieser Frage nach.
Die Frankfurter Buchmesse soll tatsächlich stattfinden. Mehr Hallen, breitere Gänge, weniger Menschen auf dem Gelände. Daraus wird nichts werden.
Klarer ist die Lage beim Bachmannpreis im kommenden Monat Juni: Details der Realisierung werden bekannt gegeben, ebenso die Lesenden.
Die Hilfen für Selbstständige und Künstler sind vage. Rückzahlungen drohen. Es wird in diesem Jahr nicht besser werden. Dennoch: #bwbleibtkreativ und auch das literaturcafe.de.
Juni 2020
Nicht nur »Die Pest« auch »Walden« scheint der Text der Zeit zu sein.
Der Bachmann-Wettbewerb ist eine der großen Kulturveranstaltungen, die in diesem Jahr stattfinden. Doch weder die Jury noch die 14 Lesenden sind nach Klagenfurt gekommen. Dafür jedoch Wolfgang Tischer vom literaturcafe.de. Täglich wird im Podcast des literaturcafe.de aus Klagenfurt berichtet. Die 80-jährige Helga Schubert gewinnt verdient.
Dieter E. Zimmer stirbt im Alter von 85 Jahren.
Juli 2020
Der Sommer der Kultur. Was stattfinden darf, findet meist draußen statt. Ansonsten ist Zeit zum Schreiben und den eigenen Stil zu finden.
Wir blicken erneut kritisch auf die Abstimmungsmodalitäten des Bachmannpreises.
Schreiben mit künstlicher Intelligenz oder von künstlicher Intelligenz Geschriebenes. Ein spannendes Thema, definitiv über das Jahr 2020 hinaus. Im literaturcafe.de ist es bereits präsent.
Wir lesen fuchsig Neues und Älteres neu. Außerdem Zeitgemäßes.
August 2020
Carolin Callies erhält den Gerlinger Lyrikpreis 2020. Die Jury trifft sich real, die Preisverleihung im Oktober wird allerdings nicht in der Gerlinger Stadtbücherei stattfinden.
Er gehört nicht zur Risikogruppe und dennoch lag der Autor Jonas Lüscher sieben Wochen im Koma.
Vom neuen Roman von Robert Seethaler wird Großes erwartet, doch er erfüllt es nicht, urteilen die meisten.
Im Podcast des literaturcafe.de – Podcasts sind immer noch megamäßig in – sprechen wir mit den Machern des neuen NDR-Bücherpodcasts »eat. READ. sleep.«, und wir spielen Videospiele.
Malte Bremer schaut sich wie jedes Jahr die 20 Bücher an, die für den Deutschen Buchpreis nominiert sind, und Volker Weidermann, ehemaliger Gastgeber des Literarischen Quartetts, startet bei spiegel.de eine Büchersendung. Sie wirkt leicht aus der Zeit gefallen.
Eine Lesende findet Schreibende und Liebende.
September 2020
Der Sommer ist vorbei. Was in diesem Jahr nicht ausgefallen ist, wurde erst auf den Herbst, dann auf das kommende Jahr verschoben. Was da alles kommen und verschoben wird? Die Leipziger Buchmesse 2021 wird vom März in den Mai verschoben. Den Machern der Frankfurter Buchmesse gelingt das kommunikative Kunststück, dass die Messe zwar ausfällt, doch eine Sammlung von Online-Streams und Video-Konferenzen wird einen Monat später dennoch »Frankfurter Buchmesse 2020« genannt werden – genauer: »Frankfurter Buchmesse spezial«.
Der Deutsche Buchpreis und seine Jury verkünden die Shortlist. Einen Monat später wird Anne Weber mit »Annette, ein Heldinnenepos« gewinnen.
Wir haben Spaß am Schreiben, während die Buchhandelskette Thalia auffällig wird, weil sie gegen Geld Regalfläche für chinesische Propagandatitel bereitstellt.
Oktober 2020
Der Monat der digitalen Buchmesse. Im Deutschlandradio widmet sich eine Sendung dem E-Book, und das literaturcafe.de als Partner der Buchmesse bietet eine Reihe Kurzwebinare an, u.a. ist »Schreiben und KI« wieder Thema.
Zweimal blicken wir auf die »Frankfurter Buchmesse spezial« – richtiges »Messefeeling« kam nicht auf.
Kanada ist Gastland der Buchmesse – ebenfalls nur virtuell. Wir empfehlen ein älteres Buch der kanadischen Schriftstellerin Jocelyne Saucier und sprechen mit ihr im Podcast über ihren aktuellen Titel.
Zum zweiten Mal beweist das Literarische Quartett, dass es sich mit drei wechselnden Gästen gut diskutieren lässt, wenn diese gut diskutieren.
Real im echten Leben hat Wolfgang Tischer in der Stuttgarter Stadtbibliothek den Künstler Julius Deutschbauer in seiner »Bibliothek der ungelesenen Bücher« besucht.
November 2020
Noch eine Veranstaltung fällt aus. Oder besser: Sie wird natürlich ins Netz verlegt. Das literaturcafe.de unterstützt die Stuttgarter Buchwochen. Das traditionelle literarische Buchhandelsquartett findet online statt, ebenso Autorengespräche mit Anna Katharina Hahn, Heinrich Steinfest und Joachim Zelter.
Alle Lesungen vor Ort fallen aus. Wahrscheinlich den ganzen Winter über. AutorInnen sterben einen leisen Tod.
Dezember 2020
Mit einer seltsamen Gästeauswahl reißt das Literarische Quartett das ein, was in den beiden letzten Folgen aufgebaut wurde.
Das Jahr der virtuellen Lesungen, das mit Hölderlin begann, endet mit Frances Hodgson Burnett. Wolfgang Tischer liest in fünf Teilen den ungekürzten Buchklassiker »Der kleine Lord«, dessen Verfilmung jedes Jahr an Weihnachten im Fernsehen zu sehen ist.
Der Bachmannpreis wird 2021 auf jeden Fall wieder stattfinden, ist aus Klagenfurt zu hören.
Private Urlaubsreisen sind über den Jahreswechsel nicht möglich. Wir reisen daher bilderbuchmäßig in den Schwarzwald.
Das Team des literaturcafe.de wünscht Ihnen und der ganzen Welt ein wunderbares, friedvolles, gesundes Jahr 2021 mit vielen Begegnungen im echten Leben!