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»Becoming« – Die Lebens- und Lesereise der Michelle Obama

Warten in Violett: Michel Obama vor einem ihrer Auftritte (Foto: Netflix)
Warten in Violett: Michel Obama vor einem ihrer Auftritte (Foto: Netflix)

Seit Mai 2020 ist auf Netflix eine Dokumentation über Amerikas ehemalige »First Lady« Michelle Obama zu sehen. Anlass ist die Lesereise zu ihrer Autobiografie durch 34 US-amerikanische Städte. Die Doku heißt wie das Buch: »Becoming«. Neben dem Titel gleicht sich auch die Botschaft.

Michelle Obama sitzt perfekt gestylt hinter einem riesigen Büchertisch und signiert ihre Autobiografie. Sie geht auf jeden einzelnen ihrer Fans geduldig ein, hört zu, verschenkt großzügig Lächeln und aufmunternde Worte.

Michelle Obama sitzt Oprah Winfrey gegenüber, erzählt Anekdoten aus ihrem (Familien-)leben. Das Publikum der vollbesetzten Halle lacht, bejubelt Obama wie einen Popstar.

Michelle Obama sitzt zwischen Schülerinnen im Teenager-Alter im Stuhlkreis. Sie spricht viel mit jungen Leuten, die Minderheiten angehören. Sie lauscht aufmerksam und macht Mut. Ihre Botschaft: »Du kannst es schaffen, glaub an dich! Jede(r) von uns hat eine Geschichte zu erzählen.«

Michelle Obama schildert ihren Werdegang. Anders als viele ihrer Familienangehörigen hatte sie die Chance, die Universität zu besuchen. Die Anwältin hat gekämpft, sich behauptet, ihre Chance genutzt.

Michelle Obama macht deutlich, dass es nicht leicht war, plötzlich im Rampenlicht zu stehen. Sie erzählt, wie die Medien sich im Wahlkampf auf sie gestürzt und zerrissen haben. Sie erzählt über das Leben unter Beobachtung als First Lady von 2009 bis 2017. Man will nicht mit ihr tauschen.

Bei allem wirkt die Gattin des ehemaligen Präsidenten sympathisch und authentisch. Es verwundert nicht, dass sie auch außerhalb der USA für viele Menschen zum Idol geworden ist. Diese Frau hat eine Mission. Sie wird nicht müde, ihre Botschaft zu erzählen – auf allen Kanälen.

»Becoming«, die Autobiografie von Michelle Obama

Die Autobiografie der ehemaligen First Lady Michelle Obama erschien im November 2018. Das Buch wurde am gleichen Tag in 30 Sprachen veröffentlicht. Sechs verschiedene Übersetzer haben parallel an der deutschen Ausgabe gearbeitet, die sofort auf Platz 1 der Bestsellerliste zu finden war. Über 500 Seiten dick und über 900 Gramm schwer ist sie hierzulande beim Goldmann Verlag erschienen: Ein mächtiges Buch für eine mächtige Geschichte.

Autobiografien sind eine Gratwanderung. Es liegt in der Natur der Sache, dass sie egozentrisch sind. Nie sind sie neutral. Schnell driftet das Format in die Selbstbeweihräucherung ab. Die Rezensionen zu den Memoiren von Michelle Obama waren gespalten: Was für die einen eine langweilige Selbstinszenierung ist, stellt für die anderen eine packende Geschichte dar.

Obamas Biografie wirkt ehrlich und davon lebt sie.  Ihre Kinder hat Obama nach einer künstlichen Befruchtung zur Welt gebracht. Sie schildert den ständigen Konflikt einer arbeitenden Mutter. Und die Gedanken einer unabhängigen, intelligenten Frau, die sich paradoxerweise im Schatten ihres Mannes wiederfindet. Im Buch lernt man die Person Michelle Obama kennen. In der Dokumentation sieht man den Medienprofi Michelle Obama.

»Becoming« bei Netflix wirkt daher wie ein Werbefilm, ein Werbefilm für die Obamas. Und von den Obamas. Denn 2018 ist die Familie bei Netflix eingestiegen. Die Produktion ist also alles andere als unabhängig.  Der 90-minütige Werbefilm unter der Regie von Nadia Hellgren ist dennoch sehenswert. Er ist kurzweilig, gut gemacht, es lohnt, Michelle Obama anzusehen und zuzuhören. Wer jedoch mehr über diese Frau erfahren will, sollte ihre Biografie lesen.

Wenn sie denn nur wolle, könnte Michelle Obama sofort die nächste US-Präsidentin werden – so die landläufige Meinung. Michelle Obama betont am Ende ihrer Biografie, sie hätte keinerlei Ambitionen, für dieses Amt zu kandidieren. Ist sich Frau Obama da wirklich noch so sicher? Oder wird sie sich überreden lassen?

»Becoming« – Michelle Obama »wird«. Zum ich, zum wir, zu mehr – so die Überschriften der drei Hauptteile der Biografie. Wird am Ende das Mehr doch  eine Präsidentschaftskandidatur werden? Der Film drängt die Frage auf und lässt sie im Raum stehen. Man wird sehen, was aus Michelle Obama noch werden »wird«.

Juliane Hartmann

Die Dokumentation »Becoming« ist seit 6. Mai 2020 auf Netflix zu sehen

Michelle Obama; Harriet Fricke (Übersetzung); Tanja Handels (Übersetzung); Elke Link (Übersetzung); Andrea O'Brien (Übersetzung); Jan Schönherr (Übersetzung); Henriette Zeltner-Shane (Übersetzung): BECOMING: Meine Geschichte. Gebundene Ausgabe. 2018. Goldmann Verlag. ISBN/EAN: 9783442314874. 26,00 €  » Bestellen bei amazon.de Anzeige oder im Buchhandel

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