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Wa-pa-pa-pa-pa-pa-pow! George Saunders lässt Fuchs 8 sprechen

Fuchs 8 von George Saunders
Fuchs 8 von George Saunders. Deutsch von Frank Heibert.

Was sagt der Fuchs? Der Autor George Saunders hat darauf eine andere Antwort als Siri oder Alexa. In einer kurzen Geschichte lässt der Gewinner des Man Booker Prize von 2017 einen Fuchs »Mänschisch« sprechen. 2013 erschien die Story im englischen Original. Frank Heibert hat sie für den Luchterhand Verlag ins Deutsche übertragen. Funktioniert das? Und hat uns Fox 8/Fuchs 8 überhaupt etwas zu sagen?

Deer Reeder: First may I say, sorry for any werds I spel rong. Because I am a fox! So don’t rite or spel perfect. But here is how I lerned to rite and spel as gud as I do!

So lautet der erste Satz in diesem Buch, das ein längerer Brief an die Leser ist. In der deutschen Übersetzung:

Libe Leserinen und Leser: Zuers möchte ich sagen, Entschuldigung für alle Wörter di ich falsch schreibe. Weil ich bin ein Fuks! Und schreibe oder buchstabire deshalb nich perfekk. Aber jezz kommt wi ich gelernt hab so gut zu schreiben und buchstabiren wi ich es tue!

Einmal von der Rechtschreibung abgesehen, fällt gleich Folgendes auf: Der Fuchs gendert im Deutschen korrekt, doch sein Deutsch klingt falscher als sein Englisch. »Because I am a fox!« würde man mit »Denn ich bin ein Fuchs!« oder »Weil ich ein Fuchs bin!« übersetzen. Warum also die zwar gelegentlich zu hörende aber immer noch irritierende Weil-Konstruktion mit Hauptsatz? Und das im Englischen semantisch korrekte »But here is how I lerned« wird in der deutschen Fassung zum holpernden »Aber jezz kommt wi ich gelernt hab«.

Fuchs 8 wirkt im Deutschen dümmer

Der Fuchs in der deutschen Version wirkt nicht nur in der direkten Gegenüberstellung dümmer, es passt auch inhaltlich nicht. Denn der Fuchs hat sich die Menschensprache selbst beigebracht, indem er allabendlich unter dem Fenster eines Hauses einer Frau lauschte, die ihren Kindern Gutenachtgeschichten vorgelesen hat. So sind im Englischen die Wörter lautmalerischer, die Semantik aber weitestgehend in Ordnung, während der deutsche Fuchs 8 seltsamerweise in einer Art Jugendslang spricht und sowas sagt wie »Tu dir das ma rein, Alter.« Auf dem englischen Vorlesebuch-Sprachniveau des Fuchses müsste man im Kontext »Dude, chek me out« treffender mit »Schau mich an, Kumpl« übertragen.

Wer hat da wohl wen inspiriert? Ebenfalls im Jahre 2013 veröffentlichte das norwegische Komiker-Duo Ylvis das Musikvideo »The Fox (What does the fox say?)«. Die lautmalerischen Mutmaßungen der beiden sind selbst bei den Sprachassistenten Siri und Alexa bis heute ein Running-Gag, wenn man die Geräte fragt: »Was sagt der Fuchs?«

Nun hat diese Buchbesprechung gleich detailliert mit dem Blick auf die Übersetzung begonnen. Allerdings ist die seltsame Orthografie das Erste, was einem bei diesem Büchlein ins Auge fällt. Wobei: Natürlich fällt einem als erstes das Büchlein selbst ins Auge. Es hat nur knapp über 50 Seiten, ist dennoch als Hardcover erschienen mit einem schön gestalteten Schutzumschlag. Der typische Geschenkbuch-Look. Damit das Büchlein auf die 50 Seiten kommt, ist die Schrift vergleichsweise riesig. Zudem sind – wie im Original – Illustrationen von Chelsea Cardinal enthalten, die bisweilen eine Seite oder Doppelseite füllen.

Eignung für Kinder eingeschränkt

Trotz der Kürze soll der Inhalt hier nicht gespoilert werden. Jedoch muss festgestellt werden, dass es sich inhaltlich und vom Niveau um ein Kinderbuch handelt. Die englische Kindle-Ausgabe ist für ein Lesealter von 8 bis 12 eingestuft, wobei lesende Kinder von der Orthografie irritiert sein könnten, vorlesende Erwachsene müssten sich in den Stil erst einmal einlesen. Im Deutschen gibt es (noch?) kein Hörbuch. Der englischen Audiofassung hört man die seltsame Rechtschreibung erwartungsgemäß nicht an.

Die deutsche wie die englische Ausgabe erscheint in der Verlagsgruppe Random House, hierzulande im Luchterhand Verlag, der in der Verlagsgruppe eher die literarischen Titel abgedeckt. Das mag daran liegen, dass der Vorgängerroman »Lincoln im Bardo« in diesem Verlag erschien. George Saunders schrieb bislang eher Kurzgeschichten, doch mit diesem Roman gewann der US-Amerikaner sofort den britischen Man Booker Prize im Jahre 2017. Die 2013 zunächst nur als E-Book und dann 2018 gedruckt verlegte Fuchsgeschichte erscheint hierzulande also erst nach seinem großen Erfolg.

Von der Moral der Geschichte, von der naiven Sicht des Fuchses auf die Menschen, ja selbst vom Format her ist »Fuchs 8« mit »Der kleine Prinz« vergleichbar. Während Saint-Exupérys kleiner Held über die Planeten reist, durchstreift der Fuchs eine Shopping-Mall, die auf ihn mindestens genauso merkwürdig wirkt. Interessanterweise lässt auch Saint-Exupéry einen Fuchs die berühmten Worte aus dem Werk sprechen.

Und dieses Video zeigt, was der Fuchs wirklich so sagt

Der »buchstäbliche Wortwitz« von Saunders hat sich schnell erschöpft, die deutsche Semantik irritiert, die Moral ist simpel, die Eignung für Kinder eingeschränkt.

Es ist ein Buch, das die begeistern dürfte, dich sich auch am kleinen Prinzen begeistern. Wobei Saint-Exupéry der kreativere Autor sein dürfte – und auch der kreativere Illustrator. Denn die Zeichnungen von Chelsea Cardinal sind nicht sonderlich originell, entsprechen dem, was viele als »süß« titulieren dürften. Sie bebildert lediglich die Geschichte und schafft in ihrer grafischen Version keinen Mehrwert, erschließt keine weitere Dimension der einfachen Story. Mit einer Ausnahme: ihr letztes Bild im Buch.

Nicht im ersten Satz, sondern in der letzten Zeichnung, entwickelt die Geschichte ein gewisses Potenzial und öffnet Gedankenräume.

Wolfgang Tischer

George Saunders; Frank Heibert (Übersetzung): Fuchs 8. Gebundene Ausgabe. 2019. Luchterhand Literaturverlag. ISBN/EAN: 9783630876207. 12,00 €  » Bestellen bei amazon.de Anzeige oder im Buchhandel

George Saunders; Chelsea Cardinal (Illustration): Fox 8: George Saunders. Gebundene Ausgabe. 2018. Bloomsbury Publishing. ISBN/EAN: 9781526606488. 10,37 €  » Bestellen bei amazon.de Anzeige

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4 Kommentare

  1. Ich stimme Ihnen in allem zu, außer in diesem: Die Weil-Konstruktion mit Hauptsatz ist nicht gelegentlich, sondern dauernd und überall zu hören. Stilfigurativ würde ich es als Anakoluth bezeichnen. Vielleicht rührt es daher, dass das grammatisch richtige “denn” in der Umgangssprache kaum eine Rolle spielt.
    Man könnte diesen Hauptsatz mit der falschen Konjunktion ja sogar grammatisch sinnvoll schreiben, weil – mit einem Gedankenstrich sieht die Sache schon ganz anders aus. (Ich denke mir beim Hörern diesen kleinen Balken immer hinzu, damit mein grammatisches Weltbild nicht wankt.)
    Der kreativ gallopierende Übersetzer hat auch da leider keine Sorgfalt walten lassen. Schade um die schöne Vorlage.

    • Die Weil-Konstruktion ist tatsächlich weit verbreitet und auch nicht neu. Man hört sie oft in synchronisierten Fernsehserien (fehlerhafte Übersetzung von Because-Sätzen?), aber ich weiß nicht, ob der Ursprung dort liegt. Ich denke, im umgangssprachlichen Dialekt gibt es das schon lange.

      Fox 8 habe ich mir auf englisch geholt. Normalerweise lese ich keine englischen Bücher, aber in diesem Fall geht meiner Meinung nach sonst zu viel verloren.

  2. Nachtrag: Gerade lese ich in einem Text des aktuell betrauerten Dieter E. Zimmer, dass Grammatik kein vorschreibendes, sondern eine beschreibendes Regelwerk sei. Dieser Gedanke ist eine bittere Pille für Liebhaber der Sprache, aber vielleicht muss man sie schlucken.

  3. Dieter E. Zimmer hat (wie so oft) recht. Grundsätzlich.
    Aber im Einzelnen stellt sich doch die Frage, was eine gute (eine sinnvolle) Grammatik denn adelt gegenüber einer schludrigen. Vielleicht die Qualität, mit der sie die gedachte Nachricht übermittelt? In meinem Bekanntenkreis kenne ich keinen einzigen Menschen – ich schwör’, Digga! -, der jemals eine “weil-Konstruktion” benutzt hat. Schon gar keine eine vorlesende oder erzählende Mutter.
    Hat nicht gerade Dieter E. Zimmer sich mit wachsender Verzweiflung ausgelassen über die gängigen Übersetzungen aus dem Englischen?

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