| Hier lesen Sie die besten Beiträge der vierten Runde (März '02 - April '02), die unseren Autorinnen und Autoren zu einem Satz von J. M. Coetzee eingefallen sind. Der Satz stammt aus dem Roman »Warten auf die Barbaren«. Aus dem Englischen von Reinhild Böhnke. S. Fischer Verlag. ISBN 3-10-010814-0. 19,90 EUR: |  | Neben dem Tor kann ich, wenn ich die Augen anstrenge, den dunklen Umriss eines Menschen erkennen, der dort an die Wand gelehnt sitzt oder sich schlafend zusammengerollt hat. Begegnung von Eli, 37075 Göttingen (Deutschand) Neben dem Tor kann ich, wenn ich die Augen anstrenge, den dunklen Umriss eines Menschen erkennen, der dort an die Wand gelehnt sitzt oder sich schlafend zusammengerollt hat.
Dirk erzählt es sichtlich erregt. Wie gewohnt am Freitag kehrt er spät aus der kleinen, dunklen Kneipe zurück. Dort treffen sich die Männer der Ortes immer, kommentieren die Wochenereignisse bei Bier und Korn. Sie reden stets durcheinander, keiner hört eigentlich dem anderen zu. Trotzdem, die Stimmung ist immer einhellig, man weiß ja, der Nachbar denkt wie ich. Das gibt ein Gefühl von Zusammengehörigkeit. Aber, Dirk berichtet weiter, irgendwie war es gestern anders als sonst, etwas störte. Der Fremde?
Allein in einer Ecke an einem kleinen Tisch sitzt ein Unbekannter, blaß und schmal, gesenkter Kopf, stumm. Er hebt den Blick nicht auf. Irgendwann ist der Platz plötzlich leer. Als ich ihn zuerst bemerke, fährt Dirk fort, schießt mir plötzlich Erik durch den Kopf, der Name meines Jugendfreundes. Wir waren von Kindheit an zusammen, teilten alles. Ich vertraute ihm wie keinem anderen. Erik las viel. Als wir älter wurden, änderte sich unser Verhältnis. Erik widersprach jetzt oft den herrschenden Ansichten im Ort, nahm andere Gewohnheiten an. Ich verstand nicht, fühlte mich ausgeschlossen, verlassen, ja getäuscht. Wurde wütend auf ihn, und zog mich schließlich gekränkt zurück. Eines Tages ist Erik verschwunden, ohne Abschied. Ins Ausland, sagt man. Nie wieder kommt eine Nachricht von ihm. Ich konnte nicht vergessen, weder Wut, noch Schmerz.
Als ich die dunkle Gestalt plötzlich wahrnehme, bleibe ich erschrocken stehen. Aber irgend etwas treibt mich näher, und wieder steigt der Name Erik in mir auf. Ich rüttele den Mann sacht wach und starre ihm ins Gesicht. Erik? Nein, ich erkenne , es ist eine Täuschung,. Ein Unbekannter, ein Fremder. Ich zögere, schließlich überwinde ich Angst und Abwehr, spreche mit ihm, helfe ihm auf und nehme ihn in mein Haus mit..
Irgendwie ist es doch Erik, den ich in mein Haus aufnahm. Jetzt kann ich versöhnter an ihn denken. Zurück zur Übersichtsseite des Satzfischers Und schon wieder falle ich hin von Barbara Raich, 39040 Auer (BZ) (Italien) Und schon wieder falle ich hin. Der Schmerz macht mir nichts aus, beinahe registriere ich ihn nicht einmal. Mühsam rapple ich mich also wieder auf, stehe noch wackelig auf den Beinen. In der linken Hand halte ich die Flasche Treber, die ich mir von meinem letzten Cent gekauft habe, mit der anderen streiche ich mir das lange Haar aus dem Gesicht. Struppig sei es, fettig, schmutzig und wahrscheinlich auch noch voller Läuse, hat man mir gesagt. Ja ja, stimmen tut's auch. Doch egal. Solange ich noch etwas zum Anziehen habe, nicht gerade einen Asthmaanfall kriege oder mich die Bullen auf die Station bringen geht's mir gut. Letzten Herbst, da ging's mir schlecht. Da hat es angefangen kalt zu werden und meine Schuhe waren schon ganz durchgelaufen. Ich hab' gefroren am ganzen Körper, vom Kopf bis zu den Zehen, die aus den alten Schuhen lugten. In der Nacht war's dann noch schlimmer. Denn zum Zudecken konnte ich nur mehr Zeitungen finden - Decken liegen eben leider nicht wie Sand am Meer herum. Das Asthma quälte mich außerdem wie ein Teufel und der Alkohol war mir auch ausgegangen. Das war für mich das größte Elend... Als ob ich nicht schon genug am Hals gehabt hätte! Ich war da schon dem Gedanken nahe, daß das mein letzter Herbst werden sollte, doch als ich dann einen alten Schuppen fand mit ein paar verstaubten vergessenen Flaschen Wein, da kehrte das alte Funkeln in meinen Augen wieder zurück. Ein alter Jahrgang war's, guter Tropfen, doch einfach Alkohol. So habe ich da überwintert. Und dann kam wieder ein neuer Frühling. Aber weder Schnaps noch Wein - nichts ist mehr da. Und das geht so nicht. Die Flasche in meiner Hand ist leer, sie landet also am Straßenrand. Schlägt an eine Mauer. Ich höre nur noch das Klirren der tausend Glasscherben, wie schon so oft - eine leere Flasche. Früher war ich 'mal ganz gut in Sport und so. Ich konnte mit dem Basketball am schnellsten im Slalom prellen. Jetzt gehe ich ja auch im Slalom, das heißt ich torkle. Ich versuche schon gerade zu gehen, aber wenn nicht einmal die Straße gerade ist... Einige Meter vor mir da sehe ich einen - oder ist es weiter weg? Egal. Da sehe ich einen, wenn ich die Augen anstrenge. Neben dem Tor kann ich den dunklen Umriß eines Menschen erkennen, der dort an die Wand gelehnt sitzt oder sich schlafend zusammenrollt. Vielleicht hat der 'was zum Trinken. Zurück zur Übersichtsseite des Satzfischers Der Schatten neben dem Tor von Felicia, 86161 Augsburg (Deutschand) Leises Flüstern und dunkle Nacht welche Kälte, welche Pracht: Vor mir am Tore meines Lebens, suchte ich mich doch vergebens. Sah immer einen Mensch daneben, doch ein Schatten nur, lehnte daneben! Sehen konnte ich mich doch, jedoch spüren nur ein Loch, welches dunkel und sehr tief, mich zu diesem Tore rief. War ich jemals denn am Leben? Hat es mich wirklich gegeben? Erkenne nur eine dunkle Gestalt, die sitzt am Tore auf Asphalt. Es gibt sie nur in meiner Fantasie, doch wirklich gegeben hat's sie nie. Die Sonne kommt- der Schatten geht, nun ist Morgen, jetzt ist spät. Ich kehre zurück zu meinem Leben, nur einen Schatten hat's gegeben. Zurück zur Übersichtsseite des Satzfischers Abenddämmerung von Woschanova, 10707 Berlin (Deutschand) Abenddämmerung, knappes Licht, Atmosphäre die Ruhe verspricht, die Sorgen des Tages gehen.
Im Wiederschein der Kerze, deine Augen aufleuchten vor Glück und Friedlichkeit.
Ein Glück, für Dich und mich, wir nehmen uns ein, und vergessen beinahe beide das Sein. Zurück zur Übersichtsseite des Satzfischers Durst von Ines Braun, 51067 Köln (Deutschand) Obwohl es noch früh ist, der Tag noch gar nicht richtig begonnen hat, weiß ich, daß auch diesmal der Tau ausgeblieben ist. Ich berühre die trockene Erde, die seit Wochen keinen Regen gekostet hat und weiß, daß es aussichtslos ist. In dieser Erde wird es kein Wasser mehr für mich geben. Einige von uns sind schon verdurstet. Sie liegen auf der geplatzten Erde und warten auf ihre Mumifizierung durch die Sonne. Hier gibt es keinen Schatten, nichts wird uns vor den erbarmungslosen Strahlen schützen. In der Frühe des Tages kann ich den dunklen Umriß eines Menschen erkennen, der dort an die Wand gelehnt sitzt, oder sich schlafend zusammengerollt hat. Ich kenne ihn. Er lief unsere geraden Reihen auf und ab und trug einen Schlauch, aus dem das Wasser in starkem Strahl herausschoß und für einen kleinen Moment, die Erde um uns herum in Schlamm verwandelte. Dann wurde die Sonne heißer, stieg höher und und meißelte unsere transparenten Schatten in die trocknende Erde. Erst blieb in der Nacht der Regen aus, aber ein wenig Tau sammelte sich manchmal in zarten Gespinsten und befeuchtete die Erde. Damals begann ich, nicht mehr die Sonne als den lebensspendenden Gott zu sehen. Ich konzentrierte mich auf den Menschen, der uns das Wasser brachte. Nur allmählich bemerkten wir, daß der Strahl aus dem Schlauch in seiner Kraft nachließ. Zuletzt tröpfelte nur noch ein träges Rinnsal heraus und der Mensch verbrachte mehr und mehr Zeit in unseren Reihen. Auch als er den Schlauch gar nicht mehr brachte, sondern in Gefäßen brackiges Wasser zu uns schleppte, kannten wir den Durst noch nicht. Erst als er immer wieder einige Tropfen Wasser in seinen hohlen Händen herantrug, fingen wir an vom Nachtregen zu träumen und angstvoll auf die neuen Tage zu warten. Dann war es ganz vorbei. Der Mensch ging mit schweren Schritten zwischen uns hindurch, schüttelte den Kopf und das wenige Wasser, das er mit seinen Augen brachte, hätte nicht einen von uns retten können. Seit einiger Zeit kommt er gar nicht mehr. Er sitzt dort hinten an die Mauer gehehnt und beobachtet wie wir unablässig den Himmel. Nur ein Wunder kann uns noch retten, uns von dem tödlichen Durst erlösen. Ein Regen, der knisternd in die staubige Erde eindringt, unsere Wurzeln wiederbelebt, bis süßer Saft durch unsere hellgrünen Blätter pulsiert. Der neuer Tag zieht herauf und der Himmel, der sich tiefblau bis an den Horizont erstreckt, macht Platz für die ersten Strahlen der Sonne. Zurück zur Übersichtsseite des Satzfischers Hinweis: Für die Rechtschreibung und Zeichensetzung sind die Autoren selbst verantwortlich. Die Urheberrechte liegen beim jeweiligen Autor. |