Der Zufall. In literarischen Werken eher als unkreativ verpönt, spielt er in den Romanen von Paul Auster oft eine entscheidende Rolle. Auch in seinem letzten Werk »Baumgartner«. Am 30. April 2024 stirbt Paul Auster im Alter von 77 Jahren. [Update]
Noch einmal webte er in »Baumgartner« alles ein, was sich in vielen Auster-Werken findet: Frankreich in den 1970ern, Baseball und die familiäre Herkunft aus der polnisch-ukrainischen Region. Kurz vor dem Erscheinen seines letzten Romans macht Paul Auster seine Krebserkrankung öffentlich. Auster, der dem Rauchen mit seinem Drehbuch zum Film »Smoke« ein Denkmal setzte, stirbt am 30. April 2024 an Lungenkrebs.
Für mich und mein damaliges Buchhändlerleben war Paul Auster ein prägender Autor, dessen Werke mich mal intensiv, mal distanziert begleitet haben. Alles, was ich über ihn und seine Werke zu schreiben habe, habe ich vor sieben Jahren zu seinem 70. Geburtstag getan.
Ich möchte daher – statt eines Nachrufs – an dieser Stelle die drei Bücher und Texte von Paul Auster nennen, die mir am bleibendsten in Erinnerung sind:
1. Stadt aus Glas/City of Glass (Teil 1 der New -York-Trilogie), 1987
Niemand stand in Europa so sehr für den intellektuellen New-Yorker-Autor wie Paul Auster. Die New-York-Trilogie, drei lose miteinander verbundene Geschichten, war 1987 Austers literarischer Durchbruch. Am stärksten ist ohne Frage der erste Teil. Ein nächtlicher Anrufer will den Privatermittler Paul Auster sprechen, ans Telefon geht jedoch der Schriftsteller Quinn, der Detektivromane schreibt. »Nichts ist wirklich, außer dem Zufall«, heißt es gleich am Beginn der Geschichte. Im Original: »Nothing was real exept chance.«
2. Im Land der letzten Dinge/ In The Country of Last Things, 1987
Was bleibt, wenn Menschen, Häuser und Straßen verschwinden? Ein Endzeit-Roman, den Paul Auster seiner zweiten Ehefrau Siri Hustvedt gewidmet hat. Die Hauptfigur heißt Anna Blume, nach einem Dada-Gedicht von Kurt Schwitters. In seinem letzten Roman »Baumgartner« wird erneut eine Anna Blume auftreten. Manche Dinge verschwinden nicht.
3. Auggie Wrens Weihnachtsgeschichte/Auggie Wren’s Christmas Story, 1990
Über diese Kurzgeschichte, die ursprünglich für die Weihnachtsausgabe der New York Times geschrieben wurde und die sich später im Film »Smoke« wiederfand, heißt es in der Wikipedia: »Auf Literaturcafe.de wird die Geschichte im Dezember 2015 als „der moderne Weihnachtsklassiker“ bezeichnet.« Diesem Urteil ist nichts hinzuzufügen.
Wolfgang Tischer
Nachtrag vom 3. Mai 2024: Siri Hustvedt konnte den Tod ihres Ehemanns nicht selbst zuerst verkünden
In einem langen Instagram-Beitrag berichtet Paul Austers Ehefrau Siri Hustvedt, dass ihr Ehemann am 30. April 2024 um 18:58 Uhr zu Hause und im Kreis der Familie gestorben sei (22:58 Uhr MESZ). Sie bedauert, dass sie den Tod ihres Ehemannes nicht selbst verkünden konnte und dass sie nicht einmal dazu in der Lage war, gute Freunde selbst über den Tod Pauls zu informieren. Man sei dieser Würde beraubt worden. Die Nachricht sei schon in den Medien verkündet worden, als noch nicht einmal sein Leichnam aus dem Haus getragen worden sei.
Als erstes Medium verkündete noch am Abend des 30. April die New York Times den Tod des Schriftstellers und berief sich auf Jacki Lyden, eine Journalistin und »Freundin der Familie«.
Die letzten Worte seiner Frau finde ich sehr berührend: ” … Er sagte mehrmals, dass er gerne sterben würde, wenn er einen Witz erzählte. Ich sagte ihm, dass das unwahrscheinlich sei, und er lächelte.”
Ein großer Schriftsteller ist dorthin gegangen, wo wir alle irgendwann hingehen …