| Hier lesen Sie die besten Beiträge der siebten Runde (Sommerrunde/Juni '02 - September '02), die unseren Autorinnen und Autoren zu einem Satz von Alice Munro eingefallen sind. Der Satz stammt aus der Erzählung »Die Kinder bleiben hier«. Sie findet sich im Buch »Der Traum meiner Mutter«. Aus dem Englischen von Heidi Zerning. S. Fischer Verlag. ISBN 3-10-048817-2. 18,00 EUR: |  | Sie schloss die Autotür auf und warf die Schlüssel auf den Sitz und verriegelte die Tür von innen und schlug sie zu. Das bittersüße Leben einer Hausbesitzerin im Süden von Eva K. Wagner, 55278 Mommenheim (Deutschland) "Nein, nein. Es braucht wirklich niemand mit zu gehen. Ich fahre nur kurz zur Post. Bis gleich." Bevor sie jemand aufhalten konnte, ging Helena zum Hoftor hinaus. Sie schloss die Autotür auf, warf die Schlüssel auf den Sitz und verriegelte die Tür von innen und schlug sie zu. Wütend! Wieso musste sie sich regelrecht dagegen wehren, um mal für ein Stündchen allein zu sein? Sie war doch hier zuhause. Hastig ergriff sie die Schlüssel wieder, steckte den richtigen in das Zündschloss und startete den Motor. "Sonst erwischt mich doch noch einer von unseren Gästen." murmelte sie vor sich hin. Helena hatte nichts gegen Besuch. Es war nur immer dasselbe. Nach ein paar Tagen verloren die lieben Freunde ihre Selbständigkeit. Sie waren nicht mehr in der Lage ihren Urlaub alleine zu organisieren und ließen sich von morgens bis abends ans Händchen nehmen. Nur wenn sie schlief war sie sicher. Sie schienen der Auffassung zu sein, Helena sei nur für sie da: "Kannst du gerade mal die Hose durchwaschen?" (Bügeln inbegriffen) oder "Was essen wir den heute Abend?". Mülleimer leeren und den Wasservorrat auffüllen blieben an ihr hängen. Die anderen hatten ja Urlaub. Sie erreichte den Ort und mänövrierte den Jeep in eine Parklücke. Helena stieg aus, schlenderte in ein Café. Dort bestellte sie sich einen Frappé. Ihr entglitt ein Seufzer. Helena musste sich nicht darum kümmern, was die anderen wollten und auch keine Anekdoten über die kuriosesten Inselbewohner zum Besten geben. Entspannt zog sie sich einen zweiten Stuhl heran, legte die Füße darauf ab und genoss es fremde Touristen zu beobachten und sich Geschichten über sie auszudenken, Ihr Frappé kam und sie zog den bittersüßen, kalten Inhalt durch den Strohhalm. Die Flüssigkeit verteilte sich wohltuend in ihrem tockenen Mund und floss ihre Kehle hinab. Manchmal schämte sie sich ihrer feindseligen Gedanken. Schließlich kamen alle als Freunde zu Besuch. Aber das permanente Zusammensein engte sie ein. Wieso war es denn quasi ein Naturgesetz, dass man alle der 14 Abende gemeinsam verbringen musste? Helena blickte auf die Uhr und erschrak. Sie hatte die Zeit nicht beachtet und spontan zwickte sie ein schlechtes Gewissen. "So ein Blödsinn." sagte sie zu sich selbst. Sie legte 1 € 20 auf den Tisch, holte ihr Päckchen von der Post und fuhr zurück. Noch fünf Tage, dann kehrte wieder Ruhe - für eine ganze Woche. Zurück zur Übersichtsseite des Satzfischers Wahnsinn von Doreen Bettzieche, 9422 Staad (Schweiz) Zitternd rannte sie die Strasse entlang. Es war Nacht, leichter Nebel hing in der Luft. Ihr Atem ging schnell, sie hatte die Richtung verloren, versuchte sich zu erinnern. Doch sie spürte nur stechende Blicke im Rücken. Etwas war hinter ihr her. Woher es kam, was es von ihr wollte, sie wusste es nicht. Sie konnte keinen Gedanken ordnen. Die Angst füllte sie ganz aus. Was würde mit ihr geschehen, wenn sie stehen bleiben würde? Ihr Herz stach in ihre linke Brust. Ihre Beine schmerzten. Die feine Tröpfchenwand, die ihr entgegenrauschte, beschlug ihre Brille. Sie konnte kaum etwas erkennen, lief nur weiter, ohne sich umzudrehen. Die Schritte hinter ihr wurden lauter. Etwas klirrte. Sie presste sie ihre Hände auf die Ohren. Sie wollte nichts hören, nichts sehen. In ihrem Kopf pochte es, als wollte er zerplatzen. Ohne Links und Rechts wahrzunehmen hetzte sie weiter. Ihr Atem drohte sie im Stich zu lassen. Sie verlor ihren rechten Schuh, doch sie nahm es nicht wahr. Der kalte Boden unter ihren nackten Füssen liess sie instinktiv schneller laufen. Nun war es ganz nah hinter ihr, sie spürte förmlich den Atem auf ihrem Nacken. Ein lauter Schrei. Sie sammelte all ihre Kräfte, legte den letzten Spurt hin. Nahm weder Schmerz noch den nackten Fuss wahr. Und da stand es. Die letzten Schritte. Ihr Körper war kurz davor, wie ein schwerer Gegenstand auf den nassen Asphalt zu fallen, doch ihre Hand hielt bereits den Schlüssel fest. Sie schloss die Autotür auf, warf die Schlüssel auf den Sitz, verriegelte die Tür vom innen und schlug sie zu. Ihre Hand griff nach dem Sitz. Sie kletterte nach hinten, wickelte sich in die Decke vom Hintersitz ein, zog sie über den Kopf, drückte ihre Knie an das Gesicht, und wartete. Vorne in der Seitentasche des Beifahrersitzes steckte der Brief. Die Diagnose vom Arzt. Verfolgungswahn. Zurück zur Übersichtsseite des Satzfischers Meeresrauschen von Norman, 49610 Quakenbrueck (Deutschland) Ihr war jetzt kalt. Von der See wehte ein feuchter Wind und im Licht des Mondes zogen Regenwolken auf. Im Auto war es warm gewesen, Heizung, Motor alles funktionierte noch hervorragend und auch von außen, der rote Lack nur an einer kleinen Stelle beschädigt. Sie trat an die Klippe und schaute herunter. Das Problem mit den Schlüsseln war erledigt. Die See war kaum zu hören, nur leise schlugen die niedrigen Wellen gegen den Fels, hinterließen fast keinen Schaumkamm. Stille Wasser sind tief, dachte sie. Mit dem Fuß trat sie gegen einen kleinen Stein, der hinter der Klippe in der Dunkelheit des Meeres verschwand, ohne einen weiteren Laut zu hinterlassen. Wie unlogisch von mir, warum lasse ich eigentlich die Schlüssel auf dem Sitz? Wenn jemand herunterkommt und sie findet, wer lässt schon seine Schlüssel im Wagen. Aber sie konnte sie auch schlecht mitnehmen. Was für ein verrückter Plan, sie zitterte schon jetzt am ganzen Körper. Ängstlich griff sie an die Kette, die bis hinunter zwischen ihren Brüsten hing. Sie war noch da. Sie wusste auch nicht, woher dieser Drang plötzlich kam, es war wie eine Art Todesmut, es war dieses Gefühl, einmal über sich zu stehen, sich zu überwinden und alles hinter sich zu lassen. Sie schaute auf das Auto und dann wieder die Klippe hinunter. Sie trat hinter das Auto. Niemand zu sehen. Oder sollte sie doch erst runterklettern und nachschauen, womöglich war es doch nicht tief genug, der Eindruck der stillen See konnte täuschen. Aber sie musste sich beeilen, George würde sie pünktlich abholen und sie hatte noch ein ganzes Stück Weg vor sich. Dieser Ort war wirklich abgelegen. Ihr Blick fiel auf die Schlüssel im Sitz, die schwach im Mondlicht glitzerten. Wenn es bloß tief genug ist. Keiner wird mir glauben, ich hätte es aus purer Lust am Abenteuer gemacht, sie werden denken, ich bin wahnsinnig geworden. In der Ferne am anderen Ende der Bucht, sah man die Lichter der Großstadt in den Fenstern, sie schaute sehnsüchtig herüber, dann wieder in das Dunkel des Meeres. Jetzt oder nie, sagte sie sich, du kannst nicht mehr zurück, du wirst nicht in diese Stadt zurückkehren, ohne es getan zu haben. Dann riss sie sich die Kleidung vom Körper, zögerte einen Moment, um dann mit all ihrer Kraft loszulaufen, und in einem gewaltigen Satz sprang sie die Klippe herunter. Für einen kurzen Moment, bevor sie in das Dunkel des Meeres eintauchte, war nur noch die blinkende Leuchtdiode des Türöffners, der ihr um den Hals hing, zu sehen. Zurück zur Übersichtsseite des Satzfischers Betrogen von Kyrhia Schindler, 76777 Neupotz (Deutschland) Tanja zitterte! Der ganze Körper schien zu schmerzen. Wirre, ziellose Gedanken sprengten ihr Gehirn. Tränen ließen sie fast ersticken. Sollte sie schreien? Nie mehr würde dieses Bild in ihr verblassen. Eine fremde Frau saß mit ihrem Mann in trauter Zweisamkeit am See. Ihr hatte er erzählt, er würde mit einem Freund angeln gehen. Er war schon seit Tagen so komisch. Sie glaubte ihm nicht. Wohlgefällig rekelte sich die Frau in Tanjas Campingstuhl. Er stand am Seeufer und lächelte hin und wieder zu ihr hinüber. Diese Idylle brach ihr nicht nur das Herz. Was tun? Mit dem Auto an die nächste Mauer fahren? Wieder aussteigen, eine Szene machen? Auf die Fremde einschlagen? Hatte irgendetwas noch einen Sinn? Eine zeitlang war Tanja hinter einem großen Busch gestanden und wollte nicht wahrhaben was sie sah. Ihre kleine heile Welt brach zusammen. Sie griff wieder nach dem Schlüssel, stieg aus und überließ es dem Schicksal was nun passieren würde.
Ihre Beine schienen sie nicht tragen zu wollen. Es kam ihr vor, als würde sie Stunden benötigen um in Sichtweite zu sein. Die Fremde hob als erste den Kopf und sah in Ihre Richtung. Ein kurzer Wortwechsel. Tanjas Mann legte die Angel zur Seite. Blickte ihr direkt in die Augen. Er bewegte sich nicht. Kam nicht auf sie zugerannt, nahm sie schluchzend in den Arm und bedauerte seine Lügerei. Er lief nicht zu der Frau und jagte sie zum Teufel. Nichts von all dem passierte. Kein Wunschgedanke Tanjas wurde wahr. Erst als sie wieder im Auto saß und den Schlüssel ins Zündschloss steckte, wurde ihr bewusst, dass sie einfach gegangen war. Sie hatte sich hilflos umgedreht und war gegangen. Niemand kam ans Auto gerannt. Noch ein paar Sekunden warten. Verdammt warum kam er nicht? Das Motorengeräusch machte ihr Angst. Sie fuhr ihrem Leben davon. Zurück zur Übersichtsseite des Satzfischers Der Abschied von Eva-Maria Lohausen, 80636 München (Deutschland) So aufgeregt konnte sie nicht fahren! Mit geschlossenen Augen atmete Sabine mehrmals tief durch. Sie spürte das schmerzhafte Pochen in der Brust allmählich nachlassen. Halt! Sie riss die Augen wieder auf. Die Reisetasche lag immer noch auf dem Parkplatz! Hektisch öffnete sie erneut die Fahrertür ihres weißen Ford KA, sprang aus dem Wagen und stürzte zur Tasche. Es konnte nicht mehr lang dauern, bis Jochen ihren Stellplatz entdeckt haben würde und richtig, in diesem Moment bog er gerade um die Ecke des Hauses. Suchend schweifte sein Blick über das Gelände der exklusiven Wohnanlage. Plötzlich blieb Jochens Blick hängen, er hatte sie entdeckt! Er starrte sie an, rannte los, direkt auf sie zu. Sabine drückte die Tasche an sich und stürzte zum Auto zurück. Eilig zwängte sie sich wieder hinter das Steuer ihre Wagens, zog die Tür zu und verriegelte sie. Mittlerweile war Jochen herangestürmt. Er zerrte an der Tür: Komm Sabine, das ist doch Unsinn! Mach endlich die Tür auf, und lass uns vernünftig über alles reden", schrie er. Von wegen reden! Sie hatten genug geredet! Sabine musterte Jochen durchs Fenster. Sein Gesicht war vom schnellen Laufen und vor Aufregung erhitzt und seine Halbglatze erglühte in der Abendröte. Fast wie eine kleine untergehende Sonne, dachte Sabine erkaltend. Sie würde seinen Stern schon zum Sinken bringen und zwar bald. Er hatte sie wieder heruntergemacht, heute Nachmittag, in der Wohnung. Sie sei nicht mehr die Frau, in die er sich verliebt habe und mit der er zusammenleben wolle und das sei ihre eigene Schuld. Sie erinnere ihn immer mehr an einen -gestrandeten Wal! Grenzenlose Bitterkeit breitete sich in ihr aus: Schluss mit Jochens ewiger Midlifecrisis und seinen unverschämten Vorwürfen! Grimmig blickte sie zur Reisetasche, in der sich Papiere befanden, die sie am Nachmittag aus dem Safe genommen hatte. Jochen hatte währenddessen diskret mit seiner neuen jungen Gespielin telefoniert, der Frau, die ihn endlich ganz verstand. Ach ja, Papiere, die vor allem das Finanzamt hochinteressant finden dürfte, Sabine musste bei diesem Gedanken lachen. Erneut steckte sie den Schlüssel ins Zündschloss und startete den Wagen. Jochen sah zum letzten Mal durch das Wagenfenster ihr Gesicht, das sich ihm kurz mit einem kleinen spöttischen Lächeln zuwandte. Sabine war älter geworden, aber immer noch hübsch. Er zählte die drei tiefen Falten auf ihrer Stirn. Ihre grauen Augen musterten ihn kalt. Sie legte den Gang ein und fuhr los. Zurück zur Übersichtsseite des Satzfischers Hinweis: Für die Rechtschreibung und Zeichensetzung sind die Autoren selbst verantwortlich. Die Urheberrechte liegen beim jeweiligen Autor. |