Satzfischer - Das literarische Kreativprojekt des Literatur-Cafés in Zusammenarbeit mit dem S. Fischer Verlag
Hier lesen Sie die besten Beiträge der ersten Runde (Nov '01 - Jan '02), die unseren Autorinnen und Autoren zu einem Satz von Gao Xingjian eingefallen sind. Der Satz stammt aus der Erzählung »Fünfundzwanzig Jahre«. Sie findet sich im Fischer Taschenbuch 15183 mit dem Titel »Auf dem Meer«. Aus dem Chinesischen von Natascha Vittinghoff. ISBN 3-596-15183-X. 8,90 EUR: Cover: Auf dem Meer

»Ich hätte nicht gedacht, dass ich dich einmal wiedersehen würde«
atmete er auf und setzte sich.

"Ich werde dich nie vergessen!"
von marlene - geraldine, 06618 Naumburg

" Ich hätte nicht gedacht, dass ich dich einmal wiedersehen würde, atmete er auf und setzte sich." Er musterte mich von der haarspitze bis zur Schuhsohle. Ich schaute an ihm hoch und sah in seine wunderschönen braunen Augen. Oh, wie hatten wir uns geliebt. damals in einer eises Kälte. Ich, in den schwersten jahren meines Lebens, noch völlig unerfahren und er, groß, stark und im Gegensatz zu anderen nicht nur auf das eine aus. Zweimal hatte uns der Alkohol aufeinander losgelassen. Ich genoss es an ihn geschmiegt zu liegen und ihn zu spüren. Die Liebe ergoss sich über mich wie ein Sommerregen. Auch er genoss es sehr etwas frisches zu spüren. Mein herz zersprang beinahe, als mir bewusst wurde, dass ich ein paar Monate nach dem zweiten mal nie wieder dahin zurückkehren würde. Ich ertrug es nicht nocheinmal alles hergeben zu müssen. Ich musste von ihm gehen und heute denke ich es war gut so, denn es wäre nie etwas geworden mir uns, denn eine zwischenmenschliche Beziehung besteht aus Seelischer und nicht aus physischer Liebe. Jetzt, Jahre später stand er vor mir auf einem Bahnhof in der Stadt wo ich aufgewachsen bin. Ich war in der Stadt um eine alte Lehrerin zu besuchen und er war auf dem Weg zu seiner Frau, die jeden Moment aus dem Zug steigen konnte. Er hatte sich nicht viel verändert. Seine haare waren ein bisschen dunkler und er hatte etwas zugenommen, aber sein gesicht war das gleiche wie damals als ich ihn zum letzten mal sah. Im Sommer auf der bank zwischen den 2 kastanien. Heute genau wie damals hauchte er mir einen Ring aus rauch entgegen und sagte:" Kleines, Ich liebe dich." er schlang seinen Arm um meine Hüfte zog mich an sich und küsste mich wie damals. Ich spürte die Leidenschaft des Augenblicks und lies es geschehen. Er hörte auf und sagte sanft zu mir:" ich werde dich nie vergessen."Ich antwortete:" ich dich auch nicht."Seine Frau stieg aaus dem Zug und er lief ihr entgegen als ob nie etwas gewesen wäre. Er tat so als kannte er mich nicht, genau wie damals.

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Schöner sterben
von Johannes Eppa, 44532 Lünen

Ich hätte nicht gedacht, dass ich dich einmal wiedersehen würde, atmete er auf und setzte sich.

Ich hätte nicht gedacht, dass du einmal aufatmen und dich setzen würdest!

Es war unser Wiedersehen.

Mit mir!

Ja, du.

Wie konntest du zweifeln?

Alles schien zu Ende.

Wie konntest du argwöhnen?

Nie konnte ich.

Wie konntest du mich verraten?

Du warst alles, nichts war ich.

Der Verrat lebt weiter in dir.

Nichts bin ich!

Sieh mich an!

Du bist es!

Seine Tränen versiegten und sein Blick klärte sich. Er stand auf und fand endlich den Tod. So schön kann sterben sein.

"Ich hätte nicht gedacht, dass ich dich einmal wiedersehen würde" atmete er auf und setzte sich. Seine zitternden Hände griffen nach ihrer rechten Hand, die schlaff von der Bettkante hing. Ihre Körper war ausgemergelt, ihre Lippen waren blass, doch ihre Augen hatten immer noch den alten Glanz. So saßen sie eine ganze Weile, Hand in Hand, Seele an Seele. Die Wochen ihrer Trennung kamen ihnen wie eine kleine Ewigkeit vor.
"Ich habe an das Schicksal geglaubt, ... an unsere Bestimmung" stammelte er. Und der Vereinigung ihrer Hände folgte die Vereinigung ihrer Lippen. Er schrak zurück, als er fühlte, wie schwach sie war. Und in fast übermenschlicher Anstrengung öffnete sie die Lippen und flüsterte kaum hörbar: "Alles wird gut." Und das Kind, das sie unter ihrem Herzen trug, sollte ihnen bis an das Ende ihrer Tage ein Zeugnis ihrer unerschütterlichen Liebe sein. So schön kann Sterben sein.

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Überraschung!
von Ingeborg Jaiser, 71034 Böblingen

"Ich hätte nicht gedacht, dass ich dich einmal wiedersehen würde", atmete er auf und setzte sich. Schon immer hatte er einen Hang zur Theatralik gehabt.

Natürlich war er nicht allein gekommen. Als seine Perle auf Plateausohlen aus dem Aufzug wankte und mir um den Hals fiel, erstickte ich fast unter einem Schwall von Haarfestiger und Bodylotion. Sie hieß Jeanette oder Janine. Alle fünf Minuten tätschelte Lutz zufrieden über ihr toupiertes Haar. Dann quiekte sie leise.

Und Lutz erst! Als hätten ihm ein paar gnädige Götter verzweifelt einen letzten Rest Leben eingehaucht. Während er noch an Ostern von rasselndem Husten niedergeworfen wurde, erschien er jetzt abartig gesund, wie aufgepumpt und hochgepäppelt. Doch in seinem Lachen hing etwas Gequältes, das er gerade noch vor der Schlichtheit einer Janine verbergen konnte.

"Wir haben den Laden aufgegeben", eröffnete er mit Stolz. "Hing uns eh nur wie ein Klotz am Bein." Die Perle bemühte sich, eifrig zu nicken. "Wir werden umsatteln", fügte sie an, "Second-Hand-Klamotten sind einfach nicht mehr gefragt."

"Aber erst mal erholen wir uns", schnaufte Lutz und streckte zufrieden seine Beine aus. Nur am Zucken seiner Mundwinkel erkannte ich, dass er etwas ganz anderes meinte.

Als Jeanette ins Bad stolperte, um sich, wie sie kieksend gestand, die Nase zu pudern, beugte sich Lutz hastig zu mir herüber. In seinen Augen flackerte die nervöse Gier.

"Haste nich'n bisschen Geld für mich, Schwesterherz? Ich muss mit der Braut mal verreisen. Nur für ein, zwei Wochen. Dann kriegste alles zurück. Ehrenwort!"

Mechanisch schüttete ich den Inhalt des Geldbeutels aus. Alles, auch die Münzen. Das gehörte zum Spiel. Das verlangte meine Rolle. Nicht umsonst war ich die ältere Schwester, die Gefestigte, Zuverlässige.

Ungestüm kippte Lutz die Ausbeute in seine Hosentasche. Als seine Perle summend zurückkam, hatte er sich wieder in Griff. "Komm, Schätzchen," säuselte er, "lass uns heim gehen. Jetzt haben wir lang genug die Schwester belästigt." Das Schätzchen lächelte süßlich, als ob sie einen Witz nicht ganz verstanden hätte.

Zwei Tage danach rief sie bei mir an, vollkommen aufgelöst. "Er kommt schon wieder," beruhigte ich sie, "mach Dir keine Sorgen...." Die üblichen Floskeln, mit denen ich davor schon all die ehemaligen Verflossenen getröstet hatte. Nichts Neues.

Erst später bemerkte ich, dass meine Scheckkarte fehlte. Alle Achtung - ich hatte nicht erwartet, dass sich Lutz noch steigern könnte.

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Eine sonderbare Begegnung zwischen Kopf und Bauch
von Jade Loso, Pakse, Laos

"Ich hätte nicht gedacht, dass ich dich einmal wiedersehen würde", atmete er auf und setzte sich. "Du warst mir immer sehr nah all die Jahre. Du hast mich sogar dominiert –bewusst oder unbewusst. Aber jetzt ist Schluss damit!" Sie setzte sich ihm gegenüber und sah ihn mit einem herausfordernden Blick an. "Wenn du es nüchtern betrachtest, bist du gerade dabei, dich in die Ungewissheit zu stürzen. So kenne ich dich gar nicht!" "Sieben Jahre Treue, das ist eine verdammt lange Zeit. Nun bin ich mal wieder dran, etwas ganz allein zu tun ohne dich vorher um Erlaubnis zu fragen!" "Ach, sind die Schmetterlinge wieder da? Aber was soll dir das bringen, da du ihn eh' nur ein paar Stunden sehen wirst. Was kommt denn nach der Erfüllung? Der Frust oder die Sehnsucht?" "Ich kann nichts dagegen tun, vielleicht brauche ich noch diese eine Illusion! In meinen Träumen habe ich ihn schon so oft geliebt und deshalb werden wir zusammen kommen. Und überhaupt: hast du noch nie etwas davon gehört, den Augenblick zu geniesen?" "Ha, ha, der Spruch ist gut! Aber die Realität sieht doch ganz anders aus. Was versprichst du dir denn überhaupt von diesem Typen? Wahrscheinlich hat er in jeder Stadt so 'ne Tussi wie dich sitzen, die auf sein charmantes Lächeln reinfällt!" "Das kann schon alles wahr sein, aber was geht mich das an! Ich möchte nur einen netten Abend mit ihm verbringen. Mehr nicht!" "Einen netten Abend? Toll! Was glaubst du denn wie er sich diesen netten Abend vorstellt?" "Na ja, ich hoffe, dass er nicht nur an das eine denken wird!" "Das sind mir ja ganz neue Töne. Hast du wirklich alles vergessen, was du damals über Männer zu erzählen wusstest? Warst du es nicht immer, die sagte, Männer seien schwanzgesteuert?" Das stimmt und ist auch noch immer meine Meinung. Aber die Frage ist doch, wer ihren Schwanz steuert! Du oder ich?" "Mein Gott, bist du naiv! Als ob das am Ende entscheidend wäre", erschöpft lehnte er sich zurück, dachte eine Weile nach und sagte dann: "Okay, wenn es denn unbedingt sein muß, dann tu es! Aber du mußt mir etwas versprechen..." Sie grinste ihn mit einem gewinnenden Lächeln an und erwiderte schnell: "Du wirst dabei sein. Fifty-fity. Ich verspreche es dir! Abgemacht?" "Abgemacht!"

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3 Sekunden
von Laysha Mojneau, 03238 Finsterwalde

" Ich hätte nicht gedacht das ich dich einmal wiedersehen würde, atmete er auf. " Ich schon" in ihrer Stimme hing ein wenig Hoffnung." Es muss doch ein Ende geben" sagte sie und Lester lachte auf. "Wir wissen ja nicht mal wie wir rein gekommen sind". Sie war Informatikerin, ihr Leben basierte auf Logik, sie begriff gar nichts mehr. Überall in dem Gebäude lagen Wasserflaschen und Brote verstreut wie Laub." Sie bedeuten Leben." Liesa schaute ihn verwundert an. " Ja, lachte er, das hier ist ein Spiel oder noch besser, ein Traum!" Das fabrikartige Gebäude ließ kein natürliches Licht eindringen und erschien mehr als monumental, es war eine tote Welt , Farben und Gerüche existierten nicht. Nur kleine Neonlampen erhellten den Raum." Ja, genau ein Traum, nicht mehr als ein Phantasiegebilde unseres Nervensystems." Sie beschäftigte sich gelegentlich mit Traumforschung um nicht gänzlich den Zauber des Metaphysischen zu verlieren. " Träume sind Spiegel unserer Seelen", sagte sie weltverlassen, " Fakt ist, das sich steuern lassen", fuhr sie fort .Sie liefen weiter ohne zu wissen das sie sich 3 Sekunden kannten. Sie entwickelten eine gegenseitige Vertrautheit " Meine Stirn fühlt sich heiß an", flüsterte sie. Je weiter sie vom Rachen des Gefängnisses verschluckt wurden, umso schwereloser bewegten sie sich, sie wollte ein Pfirsichbad. Plötzlich war alles still. Liesa rollte sich im Bett. Noch tief im Schlaf streckte sie sich und fasste sich an die Stirn. Liesa war im Trance und erst als sie in ihrer Badewanne saß, voll gefüllt mit kaltem, nach Pfirsich duftenden Lebenselixier wurde ihr bewusst das sie wieder in der Realität war. Sie dachte irrational an, wilde Kirschen, Flaschen, Babyskelette, an Krankenhäuser. Lester!
" Lester?" Liesa war mehr als zerstreut. Sie lief durch die ganze Wohnung und ihr Adrenalinpegel schlug Alarm. "Das kann nicht möglich sein", flüsterte sie. Genau in diesem Augenblick saß ein verstörter, unheimlich trauriger Lester in einem unvorstellbar großen Gebäude dessen Ausgang er vergeblich suchte. " Wenn doch nicht alles so gleich und TRIST wäre, schrie er ins Leere. Wenn sie wiederkommen würde, wäre er bereit, er würde mit offenen Karten spielen, dann würde er die Welt erobern und darüber hinaus das ganze Universum. Liesa wäre die zarte Braut in Weiß. Er sah sie als Heilige, an ihrem Körper die Nabelschnur verbunden mit der Wirklichkeit. " Das kann nicht möglich sein" er schmeckte Tränen der Einsamkeit, Lester kannte die Wahrheit.

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