| Hier lesen Sie die besten Beiträge der ersten Runde (Nov '01 - Jan '02), die unseren Autorinnen und Autoren zu einem Satz von Gao Xingjian eingefallen sind. Der Satz stammt aus der Erzählung »Fünfundzwanzig Jahre«. Sie findet sich im Fischer Taschenbuch 15183 mit dem Titel »Auf dem Meer«. Aus dem Chinesischen von Natascha Vittinghoff. ISBN 3-596-15183-X. 8,90 EUR: |  | »Ich hätte nicht gedacht, dass ich dich einmal wiedersehen würde« atmete er auf und setzte sich. Tango von Medulisa, 65451 Kelsterbach Ich hätte nicht gedacht, dass ich dich einmal wiedersehen würde atmete er auf und setzte sich. Er hatte eine Szene erwartet. Sie wirkte entspannt, lächelte. Ich werde den Tango nicht aufgeben. Er hat mir darüber hinweggeholfen. Er versuchte zu lächeln und folgte ihrem sich von ihm abwendenden Blick aufs Parkett. Möchtest Du tanzen? Ihre Stimme verriet nicht, ob sie selbst Lust dazu hatte, ausgerechnet mit ihm zu tanzen. Hastig erhob er sich. Es ärgerte ihn, wie sehr sie die Blicke auf sich zog. Sie legte den linken Arm ganz um seinen Nacken, schmiegte sich eng an ihn. Sie tanzte wie immer. Das irritierte ihn und er begann heftig zu zittern. Ist es dir unangenehm mit mir zu tanzen? Wie kann sie nur so verdammt ruhig sein dachte er. Es ist alles in Ordnung log er.
Ich hätte eigentlich erwartet, dass du mir den Kopf abreisst, nach allem was ich dir angetan habe. Das ist nicht meine Art, sagte sie. Du hast eine andere Frau kennengelernt. Das musste ich hinnehmen. Aber du hast überhaupt keine Fragen gestellt! Ich habe das nicht verstanden. Ich verstehe dich auch jetzt nicht. Du bist nicht wütend, du machst mir keinerlei Vorwürfe. Ich bin keine Argentinierin, sagte sie lächelnd, leise, beinahe wie zu sich selbst und lenkte ihren Blick wieder auf die Tanzfläche. Möchtest du auch etwas trinken? Sie winkte die Kellnerin heran.
Ich habe dir nichts vorzuwerfen. Du und sie, ihr lebt beide hier, ich in Deutschland. Irgendwie habe ich so etwas sogar erwartet. Ich wollte dich damals treffen, um mich dir zu erklären . Sie sah ihm in die Augen und betrachtete ihn eine Weile. Dann goss sie Wasser aus der Flasche in beide Gläser nach. Es genügte mir, am Telefon zu erfahren, dass es eine andere Frau gibt. Ausserdem wollte ich mich nach dem langen Flug erst einmal ausschlafen. Sie nippte zunächst nur kurz an ihrem Glas, trank es dann aber ganz aus. Bist du glücklich mit ihr? Er schüttelte den Kopf. Es ist aus. Sie war nicht wirklich bereit gewesen, eine ernste Beziehung mit mir einzugehen. Das tut mir leid! Wir müssen irgendwann darüber reden! sagte er. Ist es wichtig für dich? Er nickte und sah ihr nach, als sie zum Tanzen geholt wurde. Jetzt begriff er, weshalb sich ihr Blick immer wieder von ihm abwandte. Sie wollte wirklich tanzen. Nur tanzen. Zurück zur Übersichtsseite des Satzfischers Abgeschnitten von Manuela Raguse, 26203 Wardenburg "Ich hätte nicht gedacht, dass ich dich einmal wiedersehen würde", atmete er auf und setzte sich. Es war still in dem Raum. Viel lieber wäre er vorwärts gestürmt, hätte sie an sich gedrückt und... Doch er war zu erstaunt, um seinen Gefühlen freien Lauf zu lassen. Gedanken schossen ihm hundertfach durch den Kopf, Erinnerungsfetzen, Bilder. Dann eine Leere, wie ein weißes Laken, dass man über einen Leichnam legt. Er bemerkte, dass er sie anstarrte, schwenkte den Blick durch den Raum, als suchte er etwas. Immer dann, wenn er nach Worten suchte, sie dringend brauchte waren sie nicht da. So, wie sie nicht da war, als er sie gebraucht hätte. Sie hatte es vorgezogen, in die Karibik zu gehen mit einem Yuppie, so einem neureichen Pinsel. Die lange aufgestaute Wut machte sich in einem leichten Zittern seiner Hände bemerkbar. Sie sah es nicht. Er steckte die Hände in die Hosentaschen. Allein hatte sie ihn zurückgelassen. Allein mit zwei kleinen Kindern. Er hatte seinen Job und das Haus verloren, musste von der Wohlfahrt leben, während sie sich unter Palmen vergnügte. Jetzt war sie endlich da, stand vor ihm und er würde sie jeden Augenblick spüren lassen, den er hatte spüren müssen, als er am Sterbebett seines Jüngsten gesessen und schmerzhafte Lügen über seine Mutter erzählt hatte. Leukämie, blutarm, herzlos, bitter. Sie lächelte. Ein Lächeln, dem niemand widerstehen konnte. Sie genoss diesen Moment offensichtlich. Langsam kam sie auf ihn zu, strich ihm zärtlich eine Strähne aus dem Gesicht, als wäre sie gerade erst vom Einkaufsbummel zurückgekommen. Angewidert erregt ließ er es geschehen. "Ich habe dich vermisst", hauchte sie mit ihrer zuckersüßen Stimme und küsste ihn auf den Mund. Er stieß sie von sich und drehte sich weg. "Cut! Cut! Cut", dröhnte die Stimme des Regisseurs. "Den Kuß nochmal! Leidenschaftlich! Reiß dich zusammen, wir sind alle müde! - Gut, wir machen eine Pause von zehn Minuten." Eilig verließ der Regisseur den Raum. Er setzte sich wieder und versenkte den Kopf in seine Hände. Eine innere Unruhe verhinderte, dass er müde wurde. Zwölf Stunden am Set waren nichts Ungewöhnliches, aber jetzt... Jemand gab ihm ein Handzeichen für Telefon. "Es ist die Kinderklinik." Etwas außer Atem griff er nach dem Hörer "Ja?...,ja..." Stumm ließ er den Hörer sinken. Ab da erinnerte es sich an nichts mehr. Zurück zur Übersichtsseite des Satzfischers Dicke Liebe von Wolfgang Rainer Srb, A-1100 Wien Die kleine Kneipe wurde von fahlem Lichtschein erhellt. Mark Wiedermayer hatte seine Uralt-Gesponsin Elsa Sorgenleber getroffen, völlig unerwartet. "Wie lange ist das bereits her, als wir Händchen haltend im nahen Park spazieren gingen?" "Sicher fünf Jahre" gab Elsa mit leisem Lächeln zur Antwort. Damals ihre Figur schon drall, fiel Mark jetzt auf, dass Elsa deutlich zugelegt hatte. Hauchzarte schwarze Nylonstrümpfe zierten ihre runden Schenkel. Ihr dunkler Stretchrock spannte sich um ihre breiten Hüften und ließ erahnen, was darunter verborgen war. Marks Herz klopfte wild. Er mußte diese an purer Weiblichkeit zunehmende Frau wieder für sich gewinnen. "Elsi - ich habe Riesen-Sehnsucht nach Dir. Meine Freude, Dich wieder zu sehen, ist grenzenlos. Darf ich Dich auf Eßbares samt Getränk einladen?" "Wenns denn sein soll - ich hab besonderen Appetit auf Schokolade-Pfannkuchen - sieh mal, die leckere Abbildung auf der Speisekarte!" Marks Plan ging auf. Während sich Elsa die Mahlzeit schmecken ließ, rollten die prospektiv Liebenden die schönen Stunden der Vergangenheit auf, waren etwas nachdenklich, lachten auch viel. Glücklich sah Elsa Mark an, nachdem er sie an der Hand genommen hatte und das Lokal verließ. Nur zehn Minuten bis er sie für sich allein haben würde. "Kommst Du noch mit hinauf auf einen Kaffee?" fragte Elsa. Anstatt einer Antwort drückte Mark einen Kuß auf Elsas Wange, nahm ihre Hand fest in die seine und drängte zum Hauseingang. Sie liefen die Treppe hoch und betraten Elsas Wohnung. Mark umarmte den für ihn so begehrenswerten Frauenkörper und entschwand in den siebten Himmel. Zurück zur Übersichtsseite des Satzfischers Theo kommt von Hans Pulina, 33611 Bielefeld „Ich hätte nicht gedacht,dass ich dich einmal wiedersehen würde", sprachs und setzte seinen achtundneunzig Kilogramm Körper in den Coctailsessel.Bevor jedoch Theos breiter Hintern die Sitzfläche erreichte,lag Theo neben dem Coctailsessel auf dem Steinboden.Er die Blumen fallen gelassen hätte,die nun unter ihm, auf dem boden lagen.Theo stand sofort auf.Er suchte auf der Veranda nach einem Besen.Henriette konnte noch„ich mach das" rufen,da rutschte Theo auf den Blumenresten aus und stieß im Fallen,den Cocktailsessel um.Henriette fasste sich an den Kopf. Hatten ihre Freundinnen sie nicht vor Theos Ungeschicktheit gewarnt?Sie war darauf vorbereitet.Sofort nach dem Anruf,er wäre auf der Durchreise bla bla bla bla und würde vorbeikommen, hatte sie die Rattanmöbel, samt Blumenständer in die Küche gepackt, entschlossen,Theo auf der Veranda zu empfangen.In der Küche hatte sie schon Campingtassen stehen,nicht gewillt,den Unglücksraben an ihr Porzellan heranzulassen.Während ihr die Gedanken durch den Kopf schwirrten,lag Theo auf dem Steinboden.Henriette war unfähig zu reagieren,erlebte nun diesen Kolos,wie er gleich einem Samson den Kopf hob,die Locken schüttelte,auf die Knie kam,den linken Arm um ihre Hüfte schlang um sich aufzurichten und seine rechte Hand nach dem Coctailsessel ausstreckte,sich auf diesen zu stützen. Da jedoch der Coctailsessel sich seinem Zugriff durch wegrutschen entzog,verlor Theo das Gleichgewicht und riss Henriette mit. Henriette konnte das dumpfe Geräusch, mit dem ihr Kopf aufschlug, nicht mehr hören.Theo landete auf ihren Bauch. Fassungslos stand er im nächsten Moment vor der reglosen Henriette,wagte aber nicht sie anzufassen.Er stolperte in die Diele und rief von dort einen Krankenwagen,erstaunt,so gefasst und klar dem Arzt schildern zu können,was passiert war.Theo kaufte am nächsten Tag frische Blumen.Zum Krankenhaus war es nicht weit.Henriette erfuhr bei der Arztvisite,dass sie noch zwei Tage zur Beobachtung auf der Station bleiben müsste. Zufrieden,dass die kleine Platzwunde am Hinterkopf nicht genäht werden muss, nickte sie müde geworden ein.Der starke Geruch frischer Herbstblumen kribbelte in der Nase und zwang sie zum Niesen.„Ich hätte nicht gedacht,dass ich dich noch einmal wiedersehen würde“.Als sie das sagte,öffnete sie vorsichtig ihre Augen.Er atmete auf und, „nein, nicht schon wieder“sagte er sich. Die Blumen legte er in ihre Hände. Zurück zur Übersichtsseite des Satzfischers Spiegel von Karita Guzik, 24116 Kiel "Ich hätte nicht gedacht, dass ich dich einmal wiedersehen würde" atmete er auf, und setzte sich. Ja, da war sie, mit verschwommenen Grenzen, zögernd und dennoch genauso, wie er sie in Erinnerung hatte. Sie machte zittern, und ihm war, als würde er den Anblick des Wirklichen nicht ertragen können, zumindest nicht lange. Dennoch tat es gut, denn er war richtig, und wie lange schon war nichts mehr richtg gewesen, wie lange hatte er sich nicht mehr fühlen können, war er nur mit diesem Körper umhergegangen, hatte Handlungen ausgeführt, Worte gesagt, Lächeln gelächelt, ohne jemals länger als für Millisekunden drinnen zu sein; lang genug um einmal kurz nachzusehen, wie die Dinge standen, und sich mit einem netten Gruß wieder zu verabschieden um den Autopiloten alle die Angelegenheiten in die Hand zu geben, die mit der Aussenwelt abgewickelt werden mussten.
"LERNE ALLE IHRE REGELN, DANN WIRST DU SIE BEHERRSCHEN KÖNNEN, DANN WERDEN SIE ZU DINGEN. DINGE SIND BERECHENBAR, DINGE GEBEN GARANTIEN. IN DEINER WELT BRAUCHT ALLES SEINE ORDNUNG UND DU BRAUCHST MACHT!" Malin, der für die klare Sicht der Dinge verantwortlich war, hatte sich durch diese Logik die Führungsposition über Iris, die unsichere Seele, erkämpft, und sein Ziel, das Innserste vor der Aussenwelt zu schützen, durch die Initialisierung der Autopiloten W. (für autoritäres Verhalten) und Spiegelmine (um alles zu tun, was Leute mögen) wurde mit höchster Präzision erreicht: Eine Kunst der Masken, und durch die Leere unverwundbar.
Es gab nur zwei Möglichkeiten des Überlebens: Perfektes Funktionieren in der Aussenwelt, doch ohne die Fähigkeit zu Fühlen, oder völliger Rückzug in die Innenwelt um zu-
-um was eigentlich?
"folge mir in alte sicheren seins verraten bin ... verloren im fühlen ein geruch irgendwo zwischen nase und stirn ..."
Verstümmelt war Iris, die unsichere Seele, in dem Mauern Malins, verloren die Fähigkeit, Fühlen auszuhalten, und je länger er sie sah, je wirklicher er wurde, desto mehr schwindelte ihm davor, sich völlig in ihr zu verlieren.
"DER TAUSCH DER GEWONNENEN SICHERHEIT IN DER AUSSENWELT GEGEN DIE UNFÄHIGKEIT IN DER INNENWELT IST EINE DOPPELTE NIEDERLAGE. DU BRAUCHST MACHT, SONST GEHEN WIR ALLE UNTER!" Wie betörend klar klangen Malins Gedanken, nichts Gefährliches war darin. "Ich hätte nicht gedacht, dass ich dich einmal wiedersehen würde" atmete er auf, verhängte den Spiegel und ging. Zurück zur Übersichtsseite des Satzfischers Hinweis: Für die Rechtschreibung und Zeichensetzung sind die Autoren selbst verantwortlich. Die Urheberrechte liegen beim jeweiligen Autor. |