| Hier lesen Sie die besten Beiträge der fünften Runde (April '02 - Mai '02), die unseren Autorinnen und Autoren zu einem Satz von Anne Tyler eingefallen sind. Der Satz stammt aus dem Roman »Atemübungen«. Fischer Taschenbuch 10924. ISBN 3-596-10924-8. 8,45 EUR: |  | Sie verschloss den Umschlag, schrieb die Adresse drauf, und bevor sie es sich anders überlegen konnte, ging sie hinunter an die Ecke und steckte ihn in den Briefkasten. Überraschung von Norbert Lang, 95494 Gesees-Forkendorf (Deutschand) Sie verschloss den Umschlag, schrieb die Adresse drauf, und bevor sie es sich überlegen konnte, ging sie hinunter an die Ecke und steckte ihn in den Briefkasten. Sie war froh als der Brief für sie nicht mehr erreichbar war. Jetzt wird es seine Frau erfahren, was sie für einen Mann hat. Sie schrieb:
Liebe Frau Kraus, mein Name wird Ihnen nicht viel sagen, ich muß Ihnen aber Unangenehmes berichten. Es begann in der Kantine. Ihr Mann saß mir gegenüber, und starrte mir ständig in meinen Ausschnitt, blies seine Backen auf und verdrehte die Augen, wenn ich versuchte ihn anzublicken. Schließlich sagte ich: Was haben Sie für ein Problem? Ich habe zu Hause ein Problem, antwortete er. Ich bekomme keinen mehr hoch Ich war perplex. Aber ich fand seine Ehrlichkeit anziehend. Bei einer richtigen Frau ist das doch kein Problem, sagte ich trocken.
An diesem Tag haben wir uns abends getroffen. Wir waren uns im Gespräch immer näher gekommen und sind neugierig aufeinander geworden. Er erzählte von Strapsen, die er aus dem Erotik-Shop mitbrachte es hatte nicht geholfen. Er erzählte von RED-BULL, das er getrunken hatte es hatte nicht geholfen. Sogar Viagra hätte er probiert, aber nur Kopfweh bekommen... Inzwischen habe ich das Problem ihres Mannes gelöst. Es reichte schon, wenn ich an meiner Bluse rumspielte und ihm schoß das Blut in die Adern.
Ich habe sogar später weg gehört, wenn er ihren Namen in höchster Hingabe schrie und seine Fingernägel in meine Popacken trieb. Das war immer so. Er wollte sich von Ihnen trennen... Doch heute habe ich in der Kantine unserer Chefin am Nachbartisch zuhören können, wie sie jemandem am Handy erzählte: Er starrte mir immer auf die Bluse und er hat mir erzählt er bekomme keinen hoch. Sie erzählte, und alles hörte sich so an, wie ich es mit ihm erlebt hatte.
Jetzt mache ich Schluss mit ihm aber ich muss es ihm unbedingt heimzahlen. Deshalb dieser Brief.
Mit freundlichen Grüßen ...
Eine Woche später bekam sie Post. Ein rosa Brief war dabei. Sie öffnete ihn und las:
Liebe Frau Grassow, ich bin froh zu hören, dass mein Mann wieder Erfolg hatte, denn das bedeutet für mich wieder lange Nächte mit ihm. Wir haben uns das gemeinsam ausgedacht. Denn mich macht es geil, wenn mein Mann mich betrogen hat. Zurück zur Übersichtsseite des Satzfischers Annas Traum vom erfolgreichen Schreiben von Marianne Grudde, 60320 Frankfurt am Main (Deutschand) In der Schule hatte sie die besten Aufsätze der Klasse geschrieben. Themen bei denen ihr Herz die Feder führte, gelangen besonders gut. Lehrer und Eltern waren begeistert und sahen Anna schon als erfolgreiche Journalistin oder gar Schriftstellerin. Sie überließ ihre Gedanken, vor sich hin träumend, dem Tagebuch, verfasste kleine Erzählungen und Gedichte, die je nach Stimmung heiter oder traurig waren und meist voller Sehnsucht. Manchmal las Anna ihren besten Freundinnen das eine oder andere vor.
Dann schrieb das Leben ein Drehbuch für Anna, das ihre Kreativität nach und nach erstickte. Sie verlor sich zwischen Windeln und Bauklötzen, Suppentöpfen, Geldsorgen und Ehekrächen. Hin und wieder flackerte ein Funke des alten Feuers auf. Ihrer Fantasie entsprangen Geschichten für die Kinder, die sie mit Zeichnungen schmückte und in einer Schublade sammelte.
Lange Jahre später, nach Annas Reise zu sich selbst, kamen die Worte wieder zum Fließen. Sie formten sich aus Erlebnissen und spontanen Ideen, sie beschrieben Menschen und Landschaften, nährten sich von Erfahrungen und Eindrücken. Als sich einiges angesammelt hatte, überwand sie ihre Schüchternheit und ließ eine Person ihres Vertrauens die Blätter durchstöbern. Man forderte sie auf, einmal etwas einzureichen bei einer Zeitschrift oder einem Verlag. Sie könne aus Kritik lernen und an ihrer Begabung arbeiten. Anna legte das Geschriebene mit einem Kopfschütteln in eine Mappe und ließ es dort ruhen. Oft kramte sie es wieder hervor, um zu ändern oder zu verbessern. Es gab ein paar Sachen, die waren eigentlich recht gut gelungen. Ob sie es vielleicht doch versuchen sollte? Schnell war der Begleitbrief an den Verlag verfasst. Sie verschloss den Umschlag, schrieb die Adresse drauf, und bevor sie es sich andres überlegen konnte, ging sie hinunter an die Ecke und steckte ihn in den Briefkasten.
Große Hoffnungen machte sie sich nicht. Aber es blieben ja noch die Literaturwettbewerbe, bei denen man Bücherpakete gewinnen konnte. Zusammen mit den hundert anderen Hobbyschreibern hätte sie immerhin eine kleine Chance. Anna seufzte tief und nahm sich vor, noch heute nach Ideen für eine passende Geschichte zu fischen. Zurück zur Übersichtsseite des Satzfischers Nichts weiter von Michael Köhn, 29456 Hitzacker (Deutschand) Post... Es gab Post. Aushändigung jeden dritten Tag. Ihm schrieben Wenige. Niemand eigentlich. Und so wunderte er sich dass ihm der Beamte einen Brief reichte, eine Zigarette. Der Wärter studierte ihn, wie er den Brief betrachtete. Kurt spürte den durchdringenden Blick. Nach langen Knastjahren hatte er sich so stark sensibilisiert dass er jeden Blick spürte, auch wenn derjenige, der ihn ansah, hinter ihm stand. Kati hatte den Brief geschrieben. Kurt freute sich; er sah sie vor sich wie sie zum Postamt lief im schwingenden Rock... Natürlich wusste er nicht wo sie sich befand, als sie die Adresse schrieb; ob sie was überlegte beim Verschließen des Briefes? Doch er, er stockte beim Aufreißen des Umschlags. Es wurde ihm bewusst das er die Sprechstunde vergessen, zu der er sie eingeladen hatte. Ja klar, er hatte Kati doch einen Sprechschein geschickt. Total vergessen! Schweißtropfen lösten sich von seiner Stirn, tropften platschend auf den Umschlag, auf die tintige Buchstaben; die fielen auf zarte Schriftzeichen die vor seinen Augen verschwammen, je länger er grübelnd darauf starrte. Genervt fetzte er das Papier auf. Nichts...?! es war nichts im Brief. Und Kurt hatte Leere im Blick; ein überraschtes Nichts wie im Umschlag. Seine rechte Hand fuhr zum Kopf. Er wollte den Stirnschweiß mit dem Jackenärmel aufsaugen, als es klirrte, am Boden schepperte, nach Rollgeräuschen silberglänzend liegen blieb. Er trat Schritte hin zum Glanz, bückte sich, ertastete im Funzellicht einen Ring, nahm ihn schatzgleich an sich, schloss Finger zur Faust, und er wusste... Er blieb hocken, schmerzgekrümmt, und ohne Sein, noch eigenem Zutun, heulte er tierisch. Ein einsamer Wolf. Und seine Klage füllte minutenlang übermächtig den Kellerraum, verebbte, um gleich neu über den Betonboden zu fluten, verblieb einen lautstarken Moment auf höchstem Niveau, schwächelte, und verströmte dann ungetröstet in der engen Weite des Knasts. Zurück zur Übersichtsseite des Satzfischers Bittere Rache von Muna West, 3672 Oberdiessbach (Schweiz) Und weg war er. Ohne Abschiedsgruss, die Türe hinter sich zuknallend, polternd die ausgetretene Holztreppe hinuntersteigend. Muriel stand am Fenster und sah ihn im Regen mit energischen Schritten entschwinden. Jetzt liess sie ihren Tränen freien Lauf. Nein, jetzt wollte sie nicht mehr die Starke markieren. Muriel liess in Gedanken die letzten Monate Revue passieren. Es war Frühling, die Märzensonne wärmte die Erde und liess die Natur auf ein Neues erwachen. Im Kaufhaus zwei Strassen weiter war sie auf der Suche nach einer blauen Vase. Blau passte zu ihren Möbeln und zu den Osterglocken. Erst bemerkte sie ihn gar nicht, wie er sie interessiert musterte, bis er sie ansprach und noch am selben Abend verbrachten sie ihre erste gemeinsame Mahlzeit beim Italiener. Nein, er hatte keinen Hehl daraus gemacht, verheiratet zu sein, ihr jedoch versichert, es sei nur noch eine Frage der Zeit bis er sich für sie frei gemacht hätte. Den ganzen Sommer über bewegte sich Muriel wie auf Watte, sie fuhr morgens berauscht zur Arbeit und freute sich auf die zwei Abende in der Woche, wo ihr Liebster sie besuchen kam. Gestern musste sie noch Katzenfutter besorgen, da sah sie ihn. An seiner Hand führte er eine kleine Rotznase mit strohblonden Haaren über die Strasse, an seiner anderen Seite eine junge Frau. Muriel versteckte sich hinter einer Plakatsäule. Auf einmal hörte sie den Dreikäsehoch fragen: "Papi, sieh nur hier auf dem Plakat den Zirkus, gehen wir da hin?" "Wenn du das möchtest, mein Junge, dann gehen wir. Ich weiss allerdings nicht, ob Mami noch mitkommen kann, aber wir zwei besuchen den ganz bestimmt". Muriel bemerkte erst jetzt aus ihrem Versteck raus, dass die Frau hochschwanger war. Heute Abend hat sie ihn damit konfrontiert und er hat ihr geradeaus gesagt, dass er die Beziehung zu ihr schon lange beenden wollte und dies nun hiermit tue. Kalt kamen seine Worte über die Lippen, noch kälter drangen sie in ihr Herz. Muriel setzte sich an ihren Schreibtisch und begann zu schreiben, einen langen Brief. Immer wieder musste sie sich die Tränen abwischen, damit das Briefpapier nichts abbekam. Seine Frau muss es wissen. Sie muss die Wahrheit kennen. Sie verschloss den Umschlag, schrieb die Adresse drauf, und bevor sie es sich anders überlegen konnte, ging sie hinunter an die Ecke und steckte ihn in den Briefkasten. Zurück zur Übersichtsseite des Satzfischers Achterbahn von vecors, 1700 Fribourg (Schweiz) Lang hatte er nichts dergleich köstliches gefüttert bekommen. Mary ärgerte sich. Sie wollte nicht, dass der Briefkasten es wusste. Aber der wusste es. Das wusste sie. Eine blaue Rose. Ein weicher Stein. Tote Hose und helles Sein. Viel Wein. Und rein. Und raus. Und raus. Türe zu und Augen auf, viele Tränen, viel zu viele. Hatte das sein sollen? Mary nahm die Beine hinter die Ohren, wie der Blitz schoss sie durch die Strassen, der Wind riss ihr die Haare aus und kühlte ihre Körpertemperatur auf 25 Grad Celsius ab. Keineswegs erschöpft, sondern aufgepeitscht und gross betrat sie das Café an der 84. Ecke, zuerst mit dem linken Fuss, dann mit dem rechten. Der Rest vom Körper ging von alleine mit. Sie stellte sich ein eine Ecke, Gesicht zur Wand. Eine Wand aus Holzlatten, grün bemalt. Da war ein Loch. Ein Loch, so gross wie ein Daumen, wenn er ein Loch wäre. Es erweiterte sich schon nach wenigen Zentimetern Tiefe zu einem Raum, worin ein Mann und eine Frau, er mit einer Tabakpfeife, sie mit einem Lippenstift in der Hand, standen, reglos. Jetzt, da jemand da war, der sie sah, erwachten sie und bewegten sich. Man sah, dass sie sich lange nicht bewegt hatten, es knirschte sogar, als die Frau ihren Arm hob, sich am Nacken zu kratzen. Ich muss diese Beförderung annehmen. Sagte sie. Zuvor hatte sie in den Spiegel geschaut. Es ist eine einmalige Chance. Der Aschenbecher auf dem Tisch setzte sich mit surrendem Geräusch in kreisende Bewegung, hob ab und verschwand im Kamin. Und was wird aus den Kindern? Fragte er. Zuvor hatte er seine Pfeife auf den Boden gelegt. Sie haben ihre Freunde alle hier. Ein Surren kündigte den Aschenbecher an, bevor er aus dem Kamin glitt und sich an seinen Platz auf dem Tisch setzte. Mary hielt das nicht länger aus. Es war zuviel. Sie wandte sich ab und ging an die Bar, wo der Barkeeper gerade Eiswürfel aus der Luft fischte. Sie bestellte. Der Barkeeper setzte vier seiner Arme ein, um zwei Flaschen zu fassen, sie zu öffnen, in die Luft zu strecken, damit sie Flüssiges fassen konnten, und sie vor Mary auf den Tresen zu knallen, lautlos. Ich nehm die hier. Sagte Mary. Und griff sich die linke. Wie auf ein Zeichen betrat Pete die Bar. Die Bläsergruppe am Stammtisch zog ihre Waffen und blies eine Fanfare. Ein Zauberer am Nebentisch hüllte die Szene in Rauch. Pete musste nichts sagen. Mary wusste alles. Und Pete wusste auch alles. Das wusste Mary. So wie Pete es wusste, das Mary alles wusste. Und sie küsste. Und ihr wuchsen wieder Haare. Zurück zur Übersichtsseite des Satzfischers Hinweis: Für die Rechtschreibung und Zeichensetzung sind die Autoren selbst verantwortlich. Die Urheberrechte liegen beim jeweiligen Autor. |