| Hier lesen Sie die besten Beiträge der neunten Runde (Oktober '02 - November '02), die unseren Autorinnen und Autoren zu einem Satz von David R. MacDonald eingefallen sind. Der Satz stammt aus dem Roman »Die Straße nach Cape Breton«. Aus dem Englischen von Heidi Zerning. S. Fischer Verlag. ISBN 3-10-015329-4. 19,90 EUR: |  | Ein Kuss, vor vielen Wochen, aber sein Geschmack durchfuhr ihn immer noch, wenn er nichts zu tun hatte als dazuliegen und sich zu erinnern. Was wäre wenn von Jula Fliegener, 12279 Berlin (Deutschland) Ach dieser Kuss war so fatal, es kribbelte mit einem Mal die Nase sehr und grandios ging kurz danach ein Nieser los! Nun denke ich so oft daran, dass ich es nicht mehr ändern kann. Was wäre, wenn dies nicht pessiert? Womöglich wären wir liiert? Ich würde so gern bei Dir sein! Stattdessen träume ich allein... Zurück zur Übersichtsseite des Satzfischers Hoffnungslos? von Viola Hagen, 38159 Vechelde (Deutschland) Er lag im Bett und starrte an die Decke. Wieder einmal war er nicht fähig, etwas sinnvolles zu tun. So ging das nun schon seit Wochen. Er sah nicht die braunen Ränder an der Decke, die ein Wasserschaden hinterlassen hatte, nicht das Abblättern der gelb/weißen Farbe. Paul sah nur Tina vor sich, mit ihren langen blonden Locken, der schlanken, nackten Figur, wie aus Stein gemeißelt. Sah ihr Lächeln, das er so geliebt hatte. Ein Kuss, vor vielen Wochen, aber sein Geschmack durch-fuhr ihn immer noch, wenn er nichts zu tun hatte als dazulie-gen und sich zu erinnern. Es war der letzte gewesen. Er schloß gequält die Augen, aber das Bild wollte nicht wei-chen. Alles hatte so wunderbar begonnen. Sie hatten sich auf einer Vernissage kennengelernt und waren aufeinander zuge-gangen, als ob sie schon immer aufeinander gewartet hatten. Gleich am ersten Abend waren sie zu ihm gegangen. Die Erinnerung daran ließ ihm die Tränen in die Augen schießen. Er strich sich wütend mit der Hand über die Augen. Ein Mann weint nicht. So war er immer verfahren. Niemals eine Schwäche zeigen. Aber bei seiner Eifersucht hatte er diese Stärke nicht bewiesen. Er hatte Tina das Leben zur Hölle gemacht, bis sie nicht mehr atmen konnte, wie sie es ausgedrückt hatte. Paul erhob sich schwerfällig und suchte das Telefon. Er fand es unter einem Stapel schmutziger Wäsche, die auf dem Boden lag. Er wählte mit zitternden Händen Tinas Nummer. Sie meldete sich sofort. "Tina komm zurück", flüsterte er mit belegter Stimme. "Nein", mehr sagte sie nicht und legte den Hörer auf. Er hielt den Hörer in der Hand und lauschte minutenlang dem langgezogenen Ton. Dann warf er den Hörer auf die Gabel, griff nach der halbleeren Schnapsflasche, die auf dem Tisch stand und stürzte den Inhalt hinunter.. Das warme Gefühl, das durch seine Kehle und seinen Körper rann, gab ihm Kraft für den Tag und ließ die Hoffnung aufleben, daß er Tina eines Tages zurückgewinnen würde. Zurück zur Übersichtsseite des Satzfischers Die Vorentscheidung von Hans Pulina, 33611 Bielefeld (Deutschland) Ja, ja, ich weiß. Was aber, soll ich deiner Meinung nach tun? He? Soll ich mir die Finger abhacken, um nie wieder ihre Haut zu spüren, oder soll ich mir vielleicht die Lippen mit Sandpapier abschleifen, damit der letzte Hauch ihres Kusses verschwindet? So wie er vor ihr steht, ihr die Hände entgegenstreckt, die Finger erst gespreizt, dann demonstrativ an den Lippen zerrend, hoch bis zum Haaransatz Zornesröte in seinem Gesicht, breitbeinig, bullig, ein Ebenbild seines Vaters. Was konnte sie ihm sagen, sollte sie ihm die Ammenmärchen vom freiwilligen Verzicht auftischen? Das wollte sie sich und ihm nicht antun. Sie hatte es von ihrer Mutter oft genug zu hören bekommen. Sie muss ihn beruhigen, zur Besinnung bringen. Hast du daran gedacht was Nicole dazu sagen wird? Nicole, Nicole, er schaut durch das Fenster. Wer weiß was die da treibt, in ihrer Freizeit? Schweigen. Und überhaupt, was soll das, ich bin doch mit Nicole nicht verheiratet.
Junge, ihr seid doch schon vier Jahre zusammen, länger als heute so manches Ehepaar zusammen ist, das willst mit einem Mal wegwerfen wie ein Papiertaschentuch? Mutter merkst du nicht, dass du übertreibst? Nicole hätte hier studieren können, sie musste nicht nach Hamburg. Übrigens, in einer Woche sind Semesterferien, dann werde ich mit ihr reden. Er geht zum Sessel, greift nach der Jacke, geht an ihr vorbei ohne sie anzuschauen, dreht sich aber an der Tür noch einmal um. Ich geh denn jetzt. Wann kommst du wieder einmal vorbei, Junge? Mal schauen, Mutter Seine letzten Worte, klingen abwimmelnd, lieblos in ihren Ohren. Absicht? Mitunter kann Mutter schwierig und vor Allem bohrend sein.
Er steigt die Treppen zur Gartenpforte hinunter und ritzt sich die Haut des rechten Handrückens, als er versucht, im Vorübergehen eine Heckenrose zu pflücken. Auf den Schmerz folgt die Erinnerung. Der Duft der Heckenrose, herbsüßlich, war es das, tief in ihm verwurzelt der Geschmack ihrer Lippen, ihrer Haut? Zu gern wäre er noch geblieben, um den herben Duft ganz in sich aufnehmen zu können. Mutter steht hinter der Gardine und beobachtet ihn. Er kann ihren sorgenvollen Blick nicht mehr ertragen. Es ist gut, dass er nicht mehr zu Hause wohnt. Andererseits gäbe er alles dafür, hier mit Anke zu stehen. Aber wenn es nach Mutter ginge, müsste er die Tage, die Stunden mit Anke aus seinem Leben streichen und in einer Woche wieder mit Nicole in Mutters guter Stube verliebte Blicke austauschen. Zurück zur Übersichtsseite des Satzfischers Seelentrauer von Ewald König, 82515 Wolfratshausen (Deutschland) Draußen regnete es in Strömen. Die Wege waren schon kalt, das Laub braun. Vögel zogen in Scharen gen Süden und ließen das Land leer zurück, überließen es dem kommenden kalten Winter. Drinnen fiel schon welkendes Sehnen aus kaltem Vorherbst in einsame Seelenräume, Schutz suchend im Herzen, das auf einsamen Wegen schon wieder wandelt und in verlorener Zeit Heimat in Gedankenwelten sucht.
Er lag auf seinem Bett und erinnerte sich an den Sommer, an warme Wochen mit Gängen durch den Park, in früher Stunde am Morgen, als die Sonne noch über den Horizont kroch und vor dem Tag die Luft noch kühl war. Dann, plötzlich, schmeckte er ihren Kuß, ihren heißen Atem der Liebe. Er kostete ihren Leib, ihre Liebe und Leidenschaft und den Fluß des Lebens, so wie die Nymphen im Park aus kühlem Marmor die fließende Labsal zum Brunnen ergossen, aus dem Krug aus Stein in die Bäche und Gärten der Tusferi, in Blüten und Blumen als lange ersehntes Erleben. Dann erst ergoß der salzige Quell mineralisch reichen Wassers aus tiefer Erde in die Glieder Glückseligkeit, dass Verzückung über die Lippen ging.
Doch sie war gegangen, schon lange. So schlich nun Herbst durchs Gemüt in die äußersten Spitzen von Herzland. Sehnsucht und Einsamkeit machten sich breit, Enttäuschung eines verlorenen Horizonts im ersten Nebel des Herbstes, verlorenes Sehnen in ausgekühltem Leben aus Fühlen und Demut.
Er dachte in dieser Zeit viel an den Tod. Wie an eine unschuldige, neue Erfahrung. Aber es war nur Herbst, kühler Schauer der Nerven, die Einsicht und Einkehr suchen und finden, wenn nach langer Kälte der Frühling wieder naht. Zurück zur Übersichtsseite des Satzfischers Hilf Herr, sie will ihn fressen! von Christina Kühnl, 49638 Nortrup (Deutschland) Tom streckte sich gähnend, während Uli, tief unter seine Bettdecke gekuschelt, gespannt Mutters Gutenachtgeschichte lauschte: eine Prinzessin wurde von Dornen in ihrem Schloss gefangengehalten. Aber das war nicht schlimm, denn sie merkte nichts davon, sie schlief nämlich und Tom hoffte, Uli würde das auch endlich tun. Er hatte noch nichts zu Essen bekommen und wartete mit knurrendem Magen darauf, dass die Mutter ihm etwas bereiten würde. Schließlich kam ein Prinz durch die Dornen und küsste die Prinzessin, die daraufhin erwachte. Tom horchte auf: was hatte der Prinz getan? Geküsst. Gott wusste was das war, aber es musste gemein sein, wenn man davon erwachte. Vielleicht so etwas wie ein kalter Eimer Wasser. -Brr! Endlich! Die Mutter klappte das Buch zu und flüsterte lächelnd: "Nun bekommst du einen Gutenachtkuss und schläfst schön!" Tom sprang mit einem Satz auf die Beine. Hatte er da Kuss gehört? Das war dieses gemeine Wort! Und was machte die Mutter da? Sie beugte sich, die Lippen schürzend, über Uli. Entsetzt rannte Tom auf sie zu und zog mit aller Kraft an ihrem Hosenbein. Wollte sie Uli etwa fressen? Schon hörte er ein schmatzend schnalzendes Geräusch. Verzweifelt sprang er einen Satz zurück, sträubte seine Nackenhaare und knurrte drohend. Die Mutter ließ von Uli ab: "Was hat Tom bloß? Dir diesen Hund zu schenken war keine gute Idee." "Es ist nur alles neu für ihn." Uli küsste seine Mutter.- Tom traute seinen Augen kaum. Völlig perplex vergaß er zu knurren und gefährlich auszusehen. Seine Familie hatte entschieden seltsame Angewohnheiten. "Erzähl noch eine Geschichte." bat Uli und die Mutter ließ sich erweichen. In sein Schicksal ergeben lauschte Tom. Da kam es wieder, dieses Wort. Ein Frosch, von einer Prinzessin geküsst, wurde zu einem Prinzen. Potztausend! Was Küsse bewirken konnten! Sie wurden Tom immer unheimlicher. Am nächsten Morgen beschwerte sich der ältere Bruder Max bei der Mutter: "Uli hat mir einen Pferdekuss gegeben!" Das konnte nicht wahr sein! Pferdekuss! Wie kam ein Pferd in die Wohnung? Die Mutter war doch schon skeptisch wegen des Hundes gewesen. Bevor Tom darüber nachdenken konnte, kam Uli die Treppe hinunter, hob ihn aus dem Körbchen und drückte ihm einen dicken Kuss auf die kalte Hundeschnauze. Ein Kuss, nun schon vor vielen Wochen, aber sein Geschmack durchfuhr ihn immer noch, wenn er nichts zu tun hatte als dazuliegen und sich zu erinnern und Tom begann zu verstehen, was dieses Wort bedeuten mochte. Zurück zur Übersichtsseite des Satzfischers Hinweis: Für die Rechtschreibung und Zeichensetzung sind die Autoren selbst verantwortlich. Die Urheberrechte liegen beim jeweiligen Autor. |