| Hier lesen Sie die besten Beiträge der achten Runde (September '02 - Oktober '02), die unseren Autorinnen und Autoren zu einem Satz von Milan Kundera eingefallen sind. Der Satz stammt aus dem Roman »Die unerträgliche Leichtigkeit des Seins«. Fischer Taschenbuch 5992. ISBN 3-596-25992-4. 9,90 EUR: |  | Wollen Sie sich nicht etwas stärken vor dieser schweren Arbeit? Wilde Gelüste von Margit Farwig, 48 465 Schüttorf (Deutschland) Er erregte ihre Aufmerksamkeit, und zwar erheblich. Das schwarze Haar, das jugendliche Lächeln aus dunklen Samtaugen, das Profil, göttlich. Sah sie ihn an, glitzerte Sternenstaub auf ihrer Haut und trieb ein wildes Verlangen in ihre pulsierenden Adern. Alles schlagende Argumente. Sie würde sich etwas einfallen lassen müssen, dieses Edelwild in ihren Fängen zappeln zu sehen. Da kam ihr die seit einiger Zeit bröckelnde Mauer im hinteren Teil des Gartens gerade recht. Letzte Woche zwängte sich sogar Brutus, der Hund ihres Nachbarn, durch die Zwischenräume und wälzte sämtliche Beete platt. Im angrenzenden Garten werkelte der blendend aussehende junge Mann schon einige Tage. Er arbeitete stets mit entblößtem Oberkörper. Ein Gedicht! Sie dachte: "Genauso gut könnte er hier in meinem Bereich ein Werk vollenden." Dabei fuhr ihre Zunge genüsslich über ihre Lippen, ihre Augen schlossen sich halb. Mit lachendem Mund, jeder Zahn eine weiße Perle, nahm er ihr Angebot zur Kenntnis und stimmte zu. Da war es wieder, dieses Prickeln. "Ob er auch??" Die Sache war eingefädelt. In der Stadt kaufte sie sich ein Kleid, das man als solches nicht für möglich gehalten hätte. Spaghetti-Träger, ein Oberteil in Schalform, sparsam. So sparsam, dass der Nabel zum Mittelpunkt eines weiten Feldes geriet. Der Rest glich eher einem Tanga. So geschürzt empfing sie den jungen Mann. Er legte sein Handwerkszeug ab, riskierte dabei einen Blick auf ihre Erscheinung. Ein Purpurrot übergoss seinen Teint. Nun wusste er nicht mehr, was seine rechte oder linke Hand tat. Verwirrt griff er nach dem Hammer, dann nach der Wasserwaage, den Hammer ließ er wieder fallen, die Wasserwaage auch. Seine Augen suchten ihre Augen. Ihre Stunde schlug. Sie paarte sich mit seinen Augen, ging langsam, ein nacktes Bein vor das andere setzend, auf ihn zu, ließ seine Augen nicht los. Als sie ihn fast berührte, der elektrische Schlag fast hörbar in ihn fuhr, fragte sie nur: "Wollen Sie sich nicht etwas stärken vor dieser schweren Arbeit!?" Zurück zur Übersichtsseite des Satzfischers Das Problem von Heike Rau, 07318 Saalfeld (Deutschland) "Wir sind wieder da, Chef!", rief Karli und schaute vorsichtig zur Bürotür hinein. "Wird aber auch Zeit", sagte dieser ziemlich ungehalten und sah mit hochgezogenen Augenbrauen auf seine Uhr. "Nun ja, wir hatten ein kleines Problem, ein klitzekleines nur, mit dem Auto." Jetzt sah der Chef alarmiert auf. "Ihr habt mir doch nicht etwa meinen nagelneuen Lieferwagen zu Schrott gefahren?!" Seine Stimme hatte etwas äußerst Bedrohliches. "Nichts Schlimmes, Chef. Nur der Außenspiegel", versuchte Karli zu beruhigen. Der Chef atmete hörbar aus und stand auf. "Wenn es weiter nichts ist, das kriegen wir wieder hin. Den Spiegel kann ich sogar selbst auswechseln." Karli, der die ganze Zeit noch in der Tür gestanden hatte, gab seinen Sicherheitsabstand auf und trat nun ins Zimmer. "Chef, wollen Sie sich nicht etwas stärken vor dieser schweren Arbeit?" Er warf einen Blick hinüber zu dem kleinen Wandschrank, hinter dessen Tür er schon länger die ganz harten Sachen vermutete. Aber der Chef winkte ab. "Quatsch, ich werde doch den Spiegel wechseln können, ohne mich zu überanstrengen." "So einfach wird das nicht", sagte Karli und zog den Kopf zwischen die Schultern. "Das Auto liegt drauf." Zurück zur Übersichtsseite des Satzfischers Der Auftrag von Aridor, 06118, Halle (Deutschland) Wollen Sie sich nicht etwas stärken vor dieser schweren Arbeit? Die junge Frau, ich schätzte sie so Mitte dreißig, sah mich prüfend an. Wir saßen an einem abgelegenen Waldweg auf einer heruntergekommenen, vergilbten, wahrscheinlich vor Hunderten von Jahren von einem alten Männchen mit Bart geschnitzten alten Holzbank. Der vor wenigen Minuten heftig einsetzende Regen verwischte ihr stark übertriebenes Make-up, machte das ovale freundliche aber sorgenvoll wirkende Gesicht zu einer jämmerlichen Kreatur. Ein ungewöhnlicher Auftrag, den ich da erhielt. Den Umschlag, mit einer für meine Verhältnisse geringen Summe, hatte ich in die Innentasche meines dunklen Mantels gesteckt. Normalerweise bekomme ich für Aufträge, für die mich Privatpersonen wie Geheimdienste gern in Anspruch nehmen, ein zehnfaches. Keine Sorge, erwiderte ich. Aber ich besitze eine gute Kondition. Und wann werden sie es tun? Ihre braunen Augen weiteten sich. Bald. Sehen sie lieber noch mal dahinten nach, damit wir nicht gestört werden, sagte ich. Sie drehte ihren Kopf in Richtung des Hauptweges. In diesem Moment ergriff ich die Luger, die mit einem Schalldämpfer versehen war, zog sie unter dem Mantel hervor, hielt ihr die Mündung an den Hinterkopf und drückte ab. Sie sackte zusammen. Ich vergewisserte mich noch einmal, ob uns jemand entdeckt hatte. Dann ergriff ich die Frau, schleifte sie hinter ein Gebüsch, holte den Reisekoffer aus dem ich eine weiße Malermontur nahm, und zog sie mir über. Ich fühlte mich wie eine Kreuzung aus Weißwurst und Kosmonaut. Der Anzug kostete nur ein paar Euro und ich hatte mir dazu einige Tüten aus dem Baumarkt besorgt. Alles musste schnell gehen. Der Boden wurde mit Tüten, auf die ich die Frau legte, perforiert. Mit einem speziellen Fleischermesser, begann ich die Frau zu zerteilen. Dabei half mir das Wissen, das ich aus der Zeitschrift Chirurgie für Anfänger besaß. Ich spürte ein leicht aufkommendes Unwohlsein. Was für eine Sauerei! Ich litt schon seit Jahren unter Magenkrämpfen. Als alles im Koffer verstaut war, einschließlich der Tüten, sah ich mich erneut um, und ging in Richtung Parkplatz. Die Einzelteile der Frau, würde ich nach streng ökologischen Gesichtspunkten entsorgen. Mich immer noch wundernd, dass jemand für seinen eigenen Tod bezahlt, startete ich den Wagen und fuhr in die beginnende Abenddämmerung. Zurück zur Übersichtsseite des Satzfischers Verspätete Liebe von Janett Gareis, 04277 Leipzig (Deutschland) Wollen Sie sich nicht etwas stärken vor dieser schweren Arbeit? Sie schaut ihn mit einem fragenden Blick an. Nein, sagte er mürrisch ohne ihren Blick zu erwidern. Lassen sie uns jetzt losfahren, sonst wir es zu dunkel. Sie nehmen den Plan und die Taschenlampe, die Schaufel habe ich schon im Auto. Und das Geld natürlich, 500 Euro. Jetzt gleich! Sie geht ins Schlafzimmer und kommt mit 5 nagelneuen 100-Euro-Scheine zurück. Die Scheine knistern in seiner Hand und er schiebt sie mit einem befriedigten Lächeln schnell in seine Hosentasche. Sie fahren durch die Strassen der kleinen Stadt. Als sie am Bahnhof vorbeikommen, fängt die Frau neben ihn an zu seufzen. Hier hatte sie jahrelang mit ihrem Mann einen Kiosk betrieben. Er war damals noch ein Kind und musste manchmal am Wochenende für seinen Vater Bier holen gehen. Er konnte sich noch gut an die zwei Alten erinnern - vor allem an die schrille Stimme der Frau, wenn sie ihren Mann rief. Herbert! Warum ist das Flaschenbier schon wieder aus? Ich hab dir doch gesagt ... Und dann folgte ein nicht enden wollender Wortschwall von Beschimpfungen. Die Alte hatte Haare auf den Zähnen, so sagten die Leute und keiner beneidete Herbert um sein Dasein. Und nun wollte sie ihren Herbert unbedingt zurück haben. Na ja, Frauen zu verstehen war wohl so ziemlich das Schwierigste im Leben. So viel hatte er mittlerweile begriffen. Und wenn sie etwas unbedingt haben wollten, sollte man sie nicht davon abhalten. Als sie angekommen sind, befiehlt er ihr im Auto sitzen zu bleiben. In zwanzig Minuten bin ich wieder da. Er springt über die Mauer, denn als ABM-Kraft hat er keinen Schlüssel zum Tor, aber er kennt das Gelände wie seine Westentasche. Die Erde ist feucht und es lässt sich gut graben. Nach etwa einem Meter stößt er auf einen metallischen Gegenstand. Er nimmt ihn aus der Erde und verschließt hastig das Loch. Als er am Auto angelangt ist, drückt er ihr das kalte, verdreckte Gefäß in die Hand. Herbert, mein Herbert!, schluchzt die Alte, küsst die Urne und lässt sie in einer Aldi-Tüte verschwinden. Zurück zur Übersichtsseite des Satzfischers Auswahlverfahren von Lloyd, 65195 Wiesbaden (Deutschland) Wollen Sie sich nicht etwas stärken vor dieser schweren Arbeit? Diese Worte der Schwester hatten sich merkwürdiger Weise eingeprägt und mussten wohl mein Unterbewusstsein beschäftigt haben, denn als ich aufwachte, kamen sie mir als erstes in den Sinn. Sie hatte Recht gehabt, denn ich verspürte einen nagenden Hunger. Dr. Kaufmann entfernte sacht die Elektroden von meiner Stirn. Sie können sich rühmen, einer der ersten zu sein, der meinen Hypnographen ausprobieren durfte, sagte er mit seiner ungewöhnlich hellen Stimme. Es war anstrengend, nicht wahr? Schweißgebadet richtete ich mich auf. Er klopfte mir auf die Schulter. Aber, er starrte mich über den Rand seiner Brille an, ich darf Ihnen verraten: es hat sich gelohnt. Sie meinen ... begann ich mit belegter Stimme. Ja, mein junger Freund, unterbrach mich der Doktor jovial, Sie sind unter 10.000 Bewerbern derjenige, der die Anforderungen des Hypnographen erfüllt. Sie haben zwar ich darf sagen, die üblichen Phantasien, aber nur ein höchst ungefährliches Maß an Phantasie. Sie träumen zwar, haben aber keine hochfliegenden Träume. Und Visionen schon gar nicht, aber die sind heutzutage ja sowieso ganz selten. Sie sind über Ihre künftigen Aufgaben informiert? Ich nickt schwach. War ich wirklich wach, oder lag ich immer noch unter diesem seltsamen Gerät? Es geht darum, die Leistungen der Partei während der vergangenen Fünfjahrespläne in den Zusammenhang einer kontinuierlichen Evolution hin zu Frieden und Fortschritt zu stellen und dabei unerwünschte Aspekte auszumerzen. Gut, gut, murmelte der Doktor, das steht ja auch alles in Ihren Unterlagen. Viel Glück bei Ihrer neuen Tätigkeit. Ich stand auf, und er geleitete mich zur Tür. Am Montag können Sie anfangen. Melden Sie sich bei Abteilung Vier im Wahrheitsministerium. Mein Bericht wird bis dahin fertig sein. Auf der Schwelle fiel mein Blick noch einmal auf das Bild meines künftigen Arbeitgebers, das die ganze hintere Wand des Raumes einnahm, und der Schriftzug unter der Aufnahme schrie mir entgegen: Der Große Bruder sieht dich an! Zurück zur Übersichtsseite des Satzfischers Hinweis: Für die Rechtschreibung und Zeichensetzung sind die Autoren selbst verantwortlich. Die Urheberrechte liegen beim jeweiligen Autor. |