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Schreibzeug-Podcast: Die besten Texte mit 50

Die folgende Geschichte zählt ebenfalls zu den neun Gewinnertexten zur 50. Jubiläumsfolge des Schreibzeug-Podcasts. Die 51. Folge mit den zugehörigen Textanalysen kann hier angehört werden – und überall, wo es Podcasts gibt. Über die Zahlen unter den Geschichten kann zwischen den Geschichten geblättert werden.

Alles Gute ist 50

von Per Andersen

»Das kannst du doch«, sagte die Mutter und wedelte mit einem Blatt Papier. »Das kannst du doch«, wiederholte sie. Am Küchentisch saß ihr Sohn Erik und malte mit Farbkreiden auf Papier.

Seit Erik, nach einem Zoobesuch seiner Klasse, einen Aufsatz über Elefanten geschrieben hatte, den der Lehrer mit sehr gut beurteilt und der Klasse vorgelesen hatte, galt Erik bei seiner Mutter als Wundertalent des Schreibens.

»2500 Zeichen«, sagte sie, »das ist nur etwas länger als dein Elefantenaufsatz. Das ist nichts!«

Erik sagte nichts, malte einfach weiter. Er hatte schon mehrere Blätter vollgemalt.

Da hörte man, wie die Türe im Flur mit Krach geöffnet wurde. Zwei muntere Mädchenstimmen drangen zu ihnen in die Küche, dann hörte man die dumpfen Laute von Taschen, Jacken und  Schuhen, die unordentlich im Flur hingeworfen wurden.

Normalerweise wäre die Mutter aus der Küche geschossen und hätte ihre Zwillingstöchter ermahnt, ihre Sachen ordentlich aufzuhängen.

Jetzt jedoch nicht.

»Erik wird für einen Wettbewerb eine Geschichte mit 2500 Zeichen schreiben, in der die 50 eine spezielle Rolle spielt«, rief sie aufgeregt, als die Mädchen in die Küche kamen.

Leila: »Dann kann er Onkel Willis 50. Geburtstag beschreiben!«

Leonie: »Das wird einen Psycho-Krimi!«

»Ne, ne,« sagte die Mutter, »sie darf keine Geburtstage oder Jubiläen enthalten«.

»Dann eben ›50 Möglichkeiten, den Lehrer aus der Klasse zu verjagen‹«. Das war wieder Leila.

»Das wird ein Bestseller«. Das war Leonie.

Da ging wieder die Haustüre auf.

»Ich bin zu Hause«, rief der Vater.

Darauf folgten merkwürdige, undefinierbare Geräusche, gefolgt davon, dass der Vater mit dem Kopf zuerst und eigenartig vorgebeugt in die Küche gestürzt kam. Er landete im Kräuterregal. Während er den Kopf aus dem Kräuterregal herauszog, rief er laut:

»Scheiße, hab ich euch nicht gesagt, ihr sollt eure Sachen aufhängen!?«

»Manfred«, sagte die Mutter entrüstet, »deine Sprache!«

Leila: »Die 50 besten Schimpfwörter!«

Leonie: »Wieder ein Bestseller!«

Erik malte am Küchentisch weiter.

Nach dem Abendbrot sagte die Mutter zu Erik: »Kommst du auch ins Wohnzimmer? Dein Vater hat einen neuen Film mitgebracht. Ali Baba und die 50 Räuber, glaube ich.«

Erik malte am Küchentisch weiter. Als die Familie im Wohnzimmer verschwunden und er alleine war, sagte er zu sich selbst: »Vielleicht kann ich ja meine Zeichnungen einschicken. Das sind bestimmt 50«.

© by Per Andersen. Unerlaubte Vervielfältigung oder Weitergabe – gleich welcher Art – nicht gestattet.

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1 Kommentar

  1. NUMMER 50 – Was für eine phantastische Kurzgeschichte! Ich verstehe, dass Ihr, liebe Diana, lieber Wolfgang, sie nicht vorgelesen habt. Aber diese Geschichte verdient Veröffentlichung!
    mit ganz lieben Grüßen aus Luxemburg

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