| Hier lesen Sie die besten Beiträge der achten Runde (September '02 - Oktober '02), die unseren Autorinnen und Autoren zu einem Satz von Milan Kundera eingefallen sind. Der Satz stammt aus dem Roman »Die unerträgliche Leichtigkeit des Seins«. Fischer Taschenbuch 5992. ISBN 3-596-25992-4. 9,90 EUR: |  | Wollen Sie sich nicht etwas stärken vor dieser schweren Arbeit? Eine kurze Geschichte mit einer Pause von Ralf Wohlgemuth, 45130 Essen (Deutschland) Wollen Sie sich nicht etwas stärken vor dieser schweren Arbeit? Es kam mir etwas seltsam vor, daß sie mich siezte. Sie hatte mir ein paar Brote gemacht und ein Bier geöffnet. Die Brote nahm ich gern, Bier mochte ich nicht. Sie lachte und setzte sich zu mir, beobachtete, wie ich die Brote kaute. Die Flasche hatte sie zur Seite gestellt. Mir wurde unwohl unter ihren Blicken. Ich aß hastiger, wollte eigentlich lieber weitermachen, fand es allerdings auch unhöflich, zu schlingen und so die Mühe herabzuwürdigen, die sie sich gemacht hatte. Also aß ich still ein Käsebrot. Es schien ihr nicht auszumachen, daß ich nichts sagte. Sie blickte mich nur an, sah zu wie ich das Essen herunter würgte, die Ellenbogen auf die Oberschenkel gestützt, nach vorn gebeugt, als säße ich auf dem Klo. Der Nachstrich, der muß aber erst morgen gemacht werden, wollte ich sagen, aber ihr Lächeln machte mir einen Kloß im Hals und ich mußte husten. Sie schlug mir auf den Rücken, kaum merkbar, als tätschelte sie vorsichtig einen Hund. Einige Brotreste waren mir vom Husten wieder hochgekommen. Hastig hielt ich die Hand vor den Mund, um die Krümel nicht durch die Gegend oder auf den frischen Lack zu spucken. Ihre Hand rieb auf meinem Rücken herum, klopfte ein zwei Mal und blieb dann dort. Sie beugte sich zu mir herunter. Ihr Parfüm war mir zu süß und ihre Kette baumelte fast senkrecht wie ein Lot vor meiner Brust. Ich stand schnell auf, was sie wohl erschreckte, denn sie wich ein wenig vor mir zurück. Noch einmal hustete ich ein wenig und blinzelte die Tränen weg. Danke, danke, sagte ich, es geht schon. Ich mach dann mal weiter. Ihr Lächeln verschwand Zurück zur Übersichtsseite des Satzfischers Verwirrt von Inga G. Koch, 14662 Friesack (Deutschland) Zwei Stufen noch. Wie vertraut ist sie mir doch, diese große Altbau-Tür mit den Glasornamenten im oberen Teil. Durchatmen, klingeln. Kurz darauf rumort es drinnen. "Kommen Sie rein, Kindchen, kommen Sie nur rein." Stumm schließe ich die Tür und folge ihr. "Ich bin gerade beim Kuchen backen. Muss noch die Pflaumen in den Teig drücken. Kommen Sie, Kindchen, kommen Sie nur rein." Ich schlüpfe in die mitgebrachten Latschen. Die Putzfrau war gestern da; diese fleißige Polin, die kaum deutsch spricht, aber in jede Ecke guckt, Scheuerleisten schrubbt und nicht einmal vor dem Zerlegen von Deckenlampen zurückschreckt. Es erschiene mir wie Frevel, würde ich jetzt hier mit den Straßenschuhen herum trampeln. Und morgen kommt sie wieder. Dann muss der große Schrank im Schlafzimmer ausgeräumt und weggerückt sein. Deshalb bin ich hier. Und natürlich, um nach ihr zu sehen: nach der netten, alten Dame, deren Geist sich wohl allmählich von der Welt verabschiedet. In der Küche riecht es nach Kuchen; offenbar ist das erste Exemplar schon fertig. Noch immer kocht und backt sie für eine Großfamilie – wie früher. Und die Putzfee mit dem unaussprechlichen Namen verteilt dann großzügig in der Nachbarschaft, was nicht mehr eingefroren werden kann, weil der Kühlschrank bereits aus allen Nähten platzt. "Ich fange jetzt mit der Arbeit an." "Arbeit? Was denn für Arbeit?" Die nette, alte Dame ist ehrlich verwundert. "Der große Schrank im Schlafzimmer, der muss weg, damit die Putzfrau da morgen drankommt." "Ach so?" Nachdenklich sieht sie mich an. "Aber der ist doch so schwer, Kindchen. Wollen Sie sich nicht erst ein wenig stärken vor dieser schweren Arbeit? Wissen Sie, ich habe gerade Kuchen gebacken. Wollen Sie nicht ein Stückchen?" "Nein, danke," lächle ich, "später, wenn ich fertig bin." Abermals ein langer Blick. "Fertig? Womit denn?" "Mit dem großen Schrank im Schlafzimmer, der für morgen weggerückt werden muss," erkläre ich geduldig und verschwinde lieber schnell, bevor sie erneut fragen kann. Aufgabe bewältigt, unzählige Male dasselbe gefaselt, den Bauch mit Kuchen vollgeschlagen und natürlich mit Proviant für daheim versorgt, stehe ich schließlich wieder an der Tür. "Kommen Sie bald wieder, Kindchen!" sagt die Alte zum Abschied, und: "Ich muss mich jetzt um meine Suppe kümmern." Schon an der Treppe drehe ich mich noch mal um. "Tschüß, Mama," sage ich leise zu der inzwischen geschlossenen, ehrwürdigen Jugendstil-Tür und steige müde die Stufen hinab. Zurück zur Übersichtsseite des Satzfischers Der Ausbruch von Sabine WJndschild, 24109 Kiel (Deutschland) Der Tag unserer Selbstentlassung nahte. Am vorletzten Abend arbeiteten wir fieberhaft, immer mit einem Ohr an der Eingangstür unserer Zelle. Eigentlich konnten wir uns in Sicherheit wiegen: Pöhl, unserer Strafvollzugsbeamte, wußte von nichts. Sein Verhalten uns gegenüber hatte sich auch in letzter Zeit in keinster Weise verändert: er war freundlich wie immer. Hermetisch hatten wir auch alles unter Verschluss" gehalten! Wir kamen gut voran. Ab und zu mußten wir inne halten, um uns den Schweiß von der Stirn zu wischen. Max erinnerte mich daran, dass wir im toten Winkel stünden, niemand könnte uns von außen sehen. Das Loch in der Wand schien fast groß genug, um unsere Körper hindurch zu zwängen. Die Aussicht, da durch zu müssen, den Schacht entlang zu kriechen bis zur zweiten Öffnung, um in die Kanalisation zu gelangen, stimmte uns nicht gerade fröhlich. Uns blieb keine Wahl."Dem Traum folgen und nochmals dem Traum folgen und so ewig - usque ad finem 'Joseph Conrad'", murmelte Max und sah prüfend in die Wandöffnung, die doch Freiheit verhieß. - Plötzlich, ein vertrautes Geräusch aus der Richtung unserer Zellentür! Wie synchron drehten sich unsere Köpfe, wie erstarrt hielten wir inne. Die alte Klappe war geöffnet worden, ein wohlbekannter Arm in Uniform hatte sich durchgeschoben, in der Hand zwei an den Henkeln aneinander geklemmte Becher mit heißem, dampfenden Kaffee. Von draußen erscholl deutlich vernehmbar die Stimme mit einem freundlichen Satz: Wollen Sie sich nicht etwas stärken vor dieser schweren Arbeit?" Eine nette Frage von Pöhl! Er hatte alles gewußt, die ganze Zeit! Für einen kurzen Moment dachte ich Max fällt um, wie er so da stand, Kreide weiß im Gesicht mit leerem Blick, leicht schwankend. Aber der gebildete, belesene Max fiel nicht um, er stand weiter nur so da, deklamierte dann fast tonlos: Und verflucht sei der, der das kleinste Messer trägt! - Schlußmonolog Bluthochzeit 'Garcia Lorca'." Max nun wieder! Donnerwetter, dachte ich, paßte zwar nicht ganz, mußte aber trotz unserer desolaten Situation anerkenned nicken. Draußen vernahmen wir jetzt weitere Stimmen, hörten hastige Schritte. Pöhls Arm mit den Kaffeebechern war inzwischen verschwunden, also diese Stärkung blieb auch aus, alles nur Mittel zum Zweck! Ein Schlüssel drehte sich im Schloß, Max setzte nun noch einen drauf: Und die Hoffnung stirbt zuletzt!" Derselben verlustig, fiel unser, zum Teil mühsam selbst gebasteltes Werkzeug, klirrend zu Boden! Zurück zur Übersichtsseite des Satzfischers Blutrache von Jens Erdmann, 1731 - Asse (Zellik) (Belgien) "Wollen Sie sich nicht etwas stärken vor dieser schweren Arbeit?” "Nein, sorgen Sie nur dafür, dass Sie pünktlich mit Ihrer Kamera zur Urteilsverkündung am Gericht sind und Sie bekommen die versprochene Titelstory, und halten Sie sich an meine Erklärung zum Tatmotiv!” Damit wandte ich mich ab, rannte zum Wagen und fuhr mit Hast zum Gerichtsgebäude. Auf der Fahrt konnte ich das feiste kaltgrinsende Gesicht dieses Sexualtäters, seinen Unbeteiligtseinausdruck nur schwer unterdrücken, wie auch das entstellte Gesicht meiner geschändeten erwürgten Tochter, dass wieder und wieder vorwurfsvoll zu mir aufblickte. Schuldgefühle und übermenschlicher Hass durchströmten meinen Körper, meine Gedanken und quälten mich, raubten mir jede Vernunft und ließen nur noch tierischen Verstand zu. Rache. Auslöschung dieses Geschwürs, dass mein Leben zerstört hat, mehr war meinem Leben nicht mehr als Sinn gegeben. Mörder werden, um einen kaltblütigen Mord an einem geliebten Menschen zu sühnen. Blutrache. Auslöschung dieses meine Träume heimsuchenden Mördergesichtes. Die Abrechnung mit den unfehlbaren Psychologen, ihren Geheilt-Erklärungen und dem Staat, der durch lasche Gesetze und verfrühtes Freilassen therapierter Verbrecher den Schutz unserer Kinder in Frage stellt, war Reporteraufgabe. Schmerzlich versuchte ich all die mich heimsuchenden Bilder zu verdrängen, nicht über all das Vorgefallene nachzudenken und alle Kraft, allen Willen auf meine rechte Hand zu bündeln. Flüchtig fühlte ich das kalte Metall in der Manteltasche. Schweiß machte meine Hände feucht. Keine Schwäche bitte! Zweifel in Anbetracht meiner Familie kamen schemenhaft auf, doch wurden sie von einem Hass zerfressen, der mich mittlerweile voll unter Kontrolle, jede einzelne Zelle meines Körpers infiziert hatte. Ich bremste und stieg aus, ging zügig auf das Haupttor zu. Davor hing eine Traube von Reportern, Polizeifahrzeuge warteten und einige wütende, ebenso machtlose Bürger, wie ich, schrien ihre Wut heraus. Ich nahm nur noch Bruchstücke war, alles war eher wie ein Traum. Dann öffnete sich das Tor, eine Gruppe Polizisten führte einen Mann heraus. Sein Gesicht durchfuhr mich sofort wie ein Elektroschlag. Ich arbeitete mich durch die Reporter, zog die Pistole und fühlte nur noch die Rückstöße, das ohrenbetäubende Knallen, harte Griffe und wie es um mich schwarz wurde; doch das Gesicht dieses Mörders, seinen steinernen überheblichen Gesichtsausdruck sah ich während meiner Haft nie wieder… Zurück zur Übersichtsseite des Satzfischers Thriller von Magdalena Heckmann-Storzum, 41469 Neuss (Deutschland) Mit vorgestreckter Pistole schlich der Mörder durch das Haus. Ahnungslos drehte sich die Frau um, der Mörder sprang auf sie zu… dann flackerte das Bild kurz, ehe es völlig verlosch. Einige Sekunden saß Laura mit vor dem Mund geschlagenen Händen, ehe sie begriff, dass der Film zu Ende war. Wieso eigentlich zu Ende? Wo blieb denn die Werbung? Laura sprang auf, zappte wild hin und her, doch alles blieb tot. Eine Welle von Wut mit Enttäuschung gepaart schlug über ihrem Kopf zusammen. Ausgerechnet bei diesem spannenden Thriller! Heftig hieb sie mit der Faust auf den Tisch, so dass ihr Wasserglas hüpfte. Sie packte das Telefonbuch, blätterte durch einige Seiten, griff dann zum Hörer und schilderte dem Notdienst das Problem ihres Fernsehers. Dann lief sie auf und ab, blickte immer wieder aus dem Fenster, bis eine viertel Stunde später der Wagen des Reparaturdienstes vorfuhr. Der Mechaniker klingelte. "Wo steht denn das Schätzchen?" Laura geleitete den Mann ins Wohnzimmer, wo er seine schwere Tasche abstellte. Er knipste den Einschalter, drückte einen anderen Knopf mit einem Stäbchen, doch alles blieb schwarz. "Ich muß das Gehäuse abschrauben", erklärte er. "Dauert ein bisschen." "Wollen Sie sich vor dieser schweren Arbeit nicht etwas stärken?" fragte Laura. "Ein Kaffee vielleicht? Oder Bier?" Ohne es zu merken, knetete sie erneut die Hände. Der Mechaniker lehnte ihr Angebot ab und kniete vor dem Gerät. Er baute Einzelteile aus, ersetzte sie durch neue, lötete etwas und testete schließlich. Das Bild dauerte einen Moment, ehe es sich vollständig aufgebaut hatte. Laura starrte darauf. Gerade floh der Mörder über eine Hecke, flüchtete keuchend in einen Wassergraben… dann war das Bild wieder schwarz. Laura unterdrückte ein Seufzen. "Dauert es noch lange?" "Nur noch das Gehäuse wieder dran, dann war's das." Tatsächlich vergingen kaum zwei Minuten, ehe der Fernseher wieder komplett montiert war. Dann trat der Mechaniker an den Wohnzimmertisch und füllte umständlich seine Reparaturformulare aus. Bis Laura endlich den Betrag erfuhr, endlich bezahlen konnte und endlich die Tür hinter dem Mann schloß, waren weitere zehn Minuten vergangen. Mit fahrigen Fingern stellte Laura das Fernsehgerät an und starrte fassungslos auf den Bildschirm. Dort liefen in weißer Schrift die Namen der Darsteller über den Bildschirm… Zurück zur Übersichtsseite des Satzfischers Hinweis: Für die Rechtschreibung und Zeichensetzung sind die Autoren selbst verantwortlich. 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