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Blogbuster 2018: Unsere Entscheidung für die Longlist ist gefallen

Blogbuster 2018: Unsere Entscheidung für die Longlist ist gefallen

Vor wenigen Tagen haben wir im literaturcafe.de die 12 an uns eingereichten Textanfänge öffentlich besprochen, die uns im Rahmen des Blogbuster-Literaturpreises erreicht hatten. Drei davon schienen uns eine nähere Betrachtung wert. Doch nur ein Manuskript dürfen wir für die Longlist einreichen, aus der eine Fachjury schließlich das Gewinnerbuch kürt.

Hier ist unser abschließendes Urteil. Welches der drei Manuskripte hat es geschafft?

Die Autorinnen und den Autor der folgenden drei Romananfänge haben wir kontaktiert. Ein Link auf Autor und Titel zeigt unsere erste Bewertung und was für uns die Qualität dieser drei Texte ausmacht:

Überzeugen auch die drei vollständigen Manuskripte?

Die drei haben sich alle erfreut gemeldet und uns die vollständigen Manuskripte zugeschickt, die wir näher betrachtet haben, um zu sehen, ob sie halten, was die Anfänge versprechen.

Kurze Antwort: Ja, alle drei Manuskripte überzeugen uns nach wie vor. Auch in der Gesamtsicht können wir sagen, dass die drei Manuskripte ihre jeweiligen Qualitäten haben, die sich bereits am Anfang abzeichneten. Es war kein Text dabei, der nach dem Anfang merklich abfiel.

Wir sind überzeugt davon, dass alle drei Manuskripte einen Verlag finden. Könnten wir alle drei an die Jury des Blogbuster weiterreichen, so hätten wir dies mit Freude getan. Doch leider sehen es die Wettbewerbsbedingungen des Blogbuster‘ vor, dass alle beteiligten Websites jeweils nur einen Text auf die Longlist setzen können. Da 15 Blogs beteiligt sind, können es theoretisch 15 Titel schaffen. Praktisch können es auch weniger sein, da sich eine Bloggerin oder ein Blogger auch dagegen entscheiden kann, einen Text einzureichen, falls keine Einsendung gut genug war. Im letzten Jahr war dies durchaus geschehen.

Aus den maximal 15 Titeln wählt dann die Fachjury das Gewinnermanuskript aus, das im Herbst 2018 im Verlag Kein & Aber erscheinen wird. Zur Fachjury gehören u. a. die Literaturagentin Elisabeth Ruge und Literaturkritiker Denis Scheck.

Es ist wahrlich keine einfache Sache, aus drei guten Manuskripten eines auszuwählen, das wir an die Jury weiterreichen wollen. Wir haben beide getrennt voreinander die Manuskripte angeschaut und des Öfteren telefoniert und Pro und Contra der Einsendungen abgewogen. Wir schwankten durchaus mit unserer Entscheidung und hatten auch schon einen anderen Text als den erwogen, den wir letztendlich ausgewählt haben.

Im Folgenden findet sich unsere Begründungen, wie wir die kompletten Manuskripte final bewerten und warum wir uns gegen oder für die Nominierung entschieden haben.

Johanne Jakobian: Der letzte Mai des tollen Christian

Von den zwölf Anfängen, die wir gelesen haben, machte uns dieser zweifelsohne am neugierigsten darauf, wie diese Story wohl weitergeht. Hier war eine Autorin am Werk, die ihr Handwerk versteht und die rasant und mit Humor in eine historische Geschichte führt. Wir mögen die Figurenzeichnung, die auf jede ausufernde Beschreibung verzichtet und dennoch äußert plastisch ist.

Gleichwohl waren wir uns schon beim Textanfang darüber bewusst, dass wir es wahrscheinlich eher mit einem dem Genre zuzurechnenden historischen Roman zu tun haben werden. Genre-Texte sind beim Blockbuster eigentlich nicht erwünscht. Ein Blick ins vollständige Manuskript sollte also zeigen, ob der Text auch literarische Tiefe und Qualitäten besitzt. Auch Daniel Kehlmanns Tyll ist ohne Frage ein historischer Roman, der jedoch eindeutig im literarischen Feld anzusiedeln ist, da er doch eine ganz andere Tiefe aufweist als die reinen Unterhaltungstitel auf diesem Gebiet, bei denen das Historische eher folkloristisch schmückendes Element ist.

Leider tritt »Der letzte Mai des tollen Christian« nach dem fulminanten Anfang erst einmal in die Bremsen. Wir lesen eine längere Passage, in der die Brautmutter der Tochter die politischen und gesellschaftlichen Verhältnisse am Hof der Welfen erläutert. Das ist die typische Passage, die eigentlich nur für die Leserin und den Leser eingeschoben ist, damit diese den historischen Rahmen kennen. Wir sind überzeugt davon, dass die Autorin dieser Dinge besser in den Text einweben kann, als durch ein Frage-Antwort-Spiel zwischen Mutter und Tochter.

Anschließend geht es um die Hochzeit und die Ankunft der auserwählten Braut bei ihrem Bräutigam. Spätestens hier zeigt sich dann doch eindeutig, dass es eben kein Roman vom Schlage eines Daniel Kehlmann ist, sondern dass der Roman in erster Linie unterhalten will. Die Figuren verhalten sich eher wie die der heutigen Zeit, und das Hochzeitsthema zielt darauf ab, dass dich die heutige Leserin darin gut einfinden kann. Die Figuren werden im Folgenden nicht tiefer gezeichnet, als sie es bereits am Anfang sind. Sie berühren gelegentlich die Region der Stereotypen.

Der Text ist und bleibt flott und unterhaltsam, dringt aber nicht in tiefere literarische Regionen vor.

Aber es ist ein Text, der einen Verlag verdient hat, wenngleich eher im Genre-Bereich, wo dieses Manuskript eindeutig besser aufgehoben ist.

Wir sind versucht, »den Christian« dennoch auf die Longlist zu setzen, weil er dadurch einfach mehr Aufmerksamkeit erfahren würde. Aber auf der anderen Seite ist uns klar, dass es kein Gewinnertext im Sinne des Wettbewerbs ist.

Frank B. Meyer: Die Judeninsel

Auch hier bestätigt der Gesamteindruck den des Anfangs: »Die Judeninsel« lebt in erster Linie von der Sprache und den abgedrehten Ideen. Hier schreibt ein Autor, der Spaß an Sprachspielereien und eine wilde Fantasie hat. Allein schon das Setting ist gewagt, in dem Deutschland wieder einen Diktator hat, doch der Autor meistert auch dies. An diesem Werk wurde sprachlich und inhaltlich lange gefeilt, das ist ihm positiv anzumerken. Und Witz hat es auch.

Das Manuskript verlangt eine langsame, genaue Lektüre! Es ist kein Text, über den man schnell drüberlesen kann. Als Leserin oder Leser muss man sich auf die Spielereien des Autors einlassen, die oftmals Wissen und Referenzen voraussetzen. »Die Judeninsel« ist in diesem Sinne kein einfacher Text und verlangt eine tiefere Einlassung und Beschäftigung mit Sprache und Inhalt. Ohne Frage ein literarischer Text und durchaus preiswürdig. Man denke nur an Titel wie »Die Erfindung der Roten Armee Fraktion durch einen manisch depressiven Teenager im Sommer 1969«, der den deutschen Buchpreis erhalten hat und wahrlich kein Text für die breite Masse ist.

Allerdings wird beim Blogbuster kein Buch ausgezeichnet, das bereits auf dem Markt ist, sondern ein literarisches Manuskript gesucht, das eine breitere Zielgruppe ansprechen sollte, denn (noch?) hat der Preis der Literaturblogger nicht ganz die Zugkraft des Deutschen Buchpreises.

Doris Brockmann: Tuppek am seidenen Faden

Hier war uns der vollständige Roman bereits in einer ersten Fassung bekannt. Eine Fassung, die uns schon damals sehr begeistert hat. Und auch die neue Fassung überzeugt in der Langform. Da uns Doris Brockmann ebenfalls gut bekannt ist, hatte sie bereits im Vorfeld des Wettbewerbs angefragt, ob wir ein Problem damit hätten, wenn sie uns eine überarbeitete Version des »Tuppek« schicken würde und ob wir uns den Text ansehen würden. Natürlich würden wir! Denn schließlich entscheiden am Ende nicht wir über den besten Text, sondern die Fachjury.

»Tuppek am seidenen Faden« besticht durch einen souveränen Umgang mit der Sprache, eine kompakte Erzählweise, einen gekonnten Kniff in der Story, feine Beobachtungen und durch einen dosiert eingesetzten sarkastischen Humor.

Diskutiert haben wir bei diesem Text, ob das Thema »erfolgloser Schriftsteller« für genügend Leserinnen und Leser interessant ist. Können diese alles nachvollziehen, was Tuppek so erlebt? Doch auf der anderen Seite ist Tuppek auch ein ganz gewöhnlicher Looser, schließlich ist die Literatur voll von Romanen, in denen die Hauptfiguren Schriftsteller sind. Wer liest, hat offenbar auch ein latentes Interesse am Leben von Schriftstellern. Und am Ende geht es bei jedem guten Roman immer nur um das Wie, und nicht um das Was.

In einer anderen Sache hat Doris Brockmann übrigens selbst durch eine Nachfrage beim Veranstalter für Klarheit gesorgt. So heißt es in den Wettbewerbsbedingungen des Blogbusters: »Autoren des Blogbuster-Wettbewerb 2017 können sich, mit Ausnahme der Longlist-Kandidaten, erneut bewerben.« Nun stand jedoch Doris Brockmann tatsächlich im Vorjahr auf der Longlist. Laut Veranstalter Brandrevier bezieht sich diese Einschränkung lediglich auf die Einreichung des gleichen Textes. Doris Brockmann hatte im letzten Jahr jedoch mit einem anderen Text teilgenommen.

Die Entscheidung:
Doris Brockmann – Tuppek am seidenen Faden

Wir haben lange diskutiert, da in unseren Augen alle drei Manuskripte für eine Verlagsveröffentlichung infrage kommen, wenngleich ihre Ausrichtung durchaus unterschiedlich ist (sowohl die der Texte als auch die der möglichen Verlage).

Wir werden für den Blogbuster 2018 das Romanmanuskript »Tuppek am seidenen Faden« von Doris Brockmann einreichen.

Die ausführliche Begründung kann oben nachgelesen werden.

Malte Bremer und Wolfgang Tischer
literaturcafe.de

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