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Neue Urheber statt neue Gesetze: Mitschnitt des Vortrags von Wolfgang Tischer

Wolfgang Tischer zum Thema UrheberrechtDas Stuttgarter Schriftstellerhaus und die Stuttgarter Stadtbibliothek hatten zu einem Vortrag zum Thema »Urheberrecht« am 23. Juli 2012 eingeladen. Neben allen Interessierten richtete sich der Abend besonders an Schriftstellerinnen und Schriftsteller, die dazu speziell eingeladen waren. Doch von den scheinbar so empörten Autoren kam niemand.

Ist das der Beleg dafür, dass den Autorinnen und Autoren das Urheberrecht reichlich wurscht ist, solange es nicht um die eigene Kohle geht? Wir hoffen es nicht!

Wir präsentieren für alle Nichtgekommenen einen Mitschnitt des Abends mit literaturcafe.de-Herausgeber Wolfgang Tischer. Eine Audio-Datei, die man bequem auch auf dem Sofa anhören kann.

Ein Abend ohne Ideologien – und ohne besorgte Schriftsteller

Es war im Grunde genommen schon reichlich beschämend für die deutsche Autorenlandschaft. Da laden das Stuttgarter Schriftstellerhaus und die Stadtbibliothek ein, um sich einmal näher und persönlich mit dem Thema »Urheberrecht« und die Veränderung des Schreibens durch die digitale Welt zu beschäftigen. Es sollte ein Abend werden, an dem diskutiert werden darf. Vor allen Dingen sollte es ein Abend ohne Ideologien sein. Keine Diskussionsrunde mit den üblichen Rollenvertretern, kein Info-Abend der Piratenpartei und kein Info-Abend des Börsenvereins des Deutschen Buchhandels.

Eingeladen hatten die Veranstalter den Herausgeber des literaturcafe.de Wolfgang Tischer. Tischer ist Journalist und gelernter Buchhändler und kaum jemand hat in den letzten 16 Jahren die Literaturszene genauer beobachtet und darüber berichtet wie er. Wolfgang Tischer hat Hunderte von Interviews mit schreibenden Profis und Bestsellerautoren geführt, aber er kennt auch die andere Seite. Die Seite derer, die gerne ein Buch veröffentlichen wollen, die aber aus den unterschiedlichsten Gründen keine Chance haben.

Tischer verfolgt den digitalen Wandel seit langem und bemerkt eine Änderung, speziell was die Professionalisierung von Selbstverlegern im E-Book-Bereich betrifft. Besorgniserregend ist dabei die mangelhafte Sichtbarkeit literarischer Titel.

Mit freundlicher Unterstützung der Stadtbibliothek Stuttgart präsentieren wir Ihnen den ungekürzten Mitschnitt des Abends als MP3-Datei. Klicken Sie auf den Player oder den Download-Link am Ende dieses Artikels und lesen Sie die Textzusammenfassung.

Die Diskussion ums Urheberrecht in Stichworten

Gleich am Beginn machte Tischer klar, dass es trotz des Themas »Urheberrecht« kein Rechtsvortrag werden wird. Zum einen sei er kein Rechtsanwalt, zum anderen ist das Thema, so wie es derzeit diskutiert wird, kein rechtliches Thema.

Ebenfalls sei es kein Vortrag zum Thema »Raubkopien«. Es wäre kein Problem, einen Abend zu gestalten und mit Studien zu belegen, wie schlimm das Ganze ist und welche Verluste dadurch für die Kreativen und die Kreativwirtschaft entstehen. Man könnte jedoch auch einen Abend veranstalten, der genau das Gegenteil belegt und der anhand anderer Studien zeigt, dass Nutzer von digitalen Kopien mehr Medienartikel kaufen als der Rest der Welt. Man könnte Autoren benennen, die sich besorgt zum Thema äußern, man könnte aber auch Autoren wie Paulo Coelho als Beleg anführen, die illegale Kopien als Werbemaßnahme betrachten. Wenn man hier ansetzen würde, käme man nicht weiter, denn es gibt Belege und Gegenbelege.

Video des Börsenvereins belegt Raubkopie-Wissen aus zweiter Hand

Ein Video des Börsenvereins des Deutschen Buchhandel zeigt sehr anschaulich, dass das Thema so von Berichten aus dritter Hand geprägt ist, dass selbst Menschen, die mit dem Internet nicht viel zu tun haben, sofort davon überzeugt sind, dass das Problem der Raubkopien ganz schlimm sei. Woher nehmen sie diese Überzeugung?

Tatsache hingegen ist, dass das Lesen digital wird. E-Book-Reader sind keine Nerd-Artikel mehr und werden mittlerweile auch von ganz normalen Lesern genutzt. Wer sagt, er oder sie sei dafür zu alt, kokettiert nur. Selbst die 80-jährige Ruth Klüger las ihre Eröffnungsrede beim Bachmann-Preis 2012 von einem Kindle ab. Viele ältere Menschen, die auf solch einem Gerät gelesen haben, sind begeistert z.B. von der Möglichkeit, die Schriftgröße zu ändern.

Ort des Vortrags: Die Stadtbibliothek StuttgartDie Diskussion ums Urheberrecht ist natürlich durch die Erfolge der Piratenpartei getrieben. Immer wieder wird kolportiert, die Partei wolle das Urheberrecht abschaffen. Doch davon findet sich in den offiziellen Dokumenten der Partei nichts. Stattdessen ist sehr oft, wenn es um angebliche Aussagen der Piratenpartei geht, nur Julia Schramm gemeint. Sie ist Mitglied der Piratenpartei, doch darf man ihre Aussagen, von denen sie sich ohnehin auch später schon mal selbst distanziert, nicht mit der der Partei verwechseln. Man dürfe ja auch nicht Stefan Mappus mit der CDU verwechseln. Tischer riet hier zur Gelassenheit. Denn Julia Schramm hat ein Buch verfasst, für das sie, wenn man einem Bericht der FAZ glauben will, einen Vorschuss von 100.000 Euro erhalten hat. Sie wird also im Herbst auf einigen Podien und in Fernsehsendungen sitzen, ihre Thesen verbreiten und sicherlich oft als »Mitglied der Piratenpartei« untertitel werden. Davon sollten sich Autoren nicht provozieren lassen, denn genau deshalb wird sie eingeladen.

Die Internet-Veröffentlichung im Wandel

Ein Wandel, was das Veröffentlichen im Internet betrifft, trat nach Tischers Beobachtung vor ca. 10 Jahren ein (siehe auch »Selfpublishing – Konkurrenz für Verlage«). Davor wollten die Autoren immer wissen, ob man durch eine Netzveröffentlichung einen Verlag finden könne, was reichlich unrealistisch war. Heute ist dies anders, und tatsächlich schauen einige Verlage nach flott schreibenden Bloggern oder Nischenthemen, wie von Frauen verfasste Erotik, und machen daraus Bücher.

Dennoch haben Verlage nachwievor eine wichtige Filterfunktion, und sie bieten für den Autor einen unschlagbaren Nutzen: die Sichtbarkeit in den Buchhandlungen.

Verlage: Autoren der 2. Reihe laufen oftmals nur mit

Doch darf man sich als Autor nicht täuschen. Ein Marketinggrundsatz der Verlage lautet: beworben wird nur, was auch Erfolg verspricht. Natürlich probiert man durchaus neue Autoren und Bücher aus, doch erwartet man von diesen Autoren mittlerweile viel Eigeninitiative. Früher konnten die Autoren in Sachen Eigenmarkting nicht viel machen, heute gibt es Blogs, Twitter und Facebook. Diese Autoren der zweiten Reihe laufen im Verlagsprogramm mit, werden den Buchhändlern von Vertretern empfohlen und von der PR- und Presse-Abteilung der Verlage mitbetreut. Besonders diese Autoren stellen sich, sobald die Erfolge ausbleiben, die Frage, wozu sie noch Verlage brauchen.

Speziell der oft gescholtene Online-Buchhändler Amazon zeigt, dass es mittlerweile auch anders gehen und ein Buch auch ohne Verlag erfolgreich sein kann und die Autoren gutes Geld verdienen. Eine neue Art von »professionellen Selbstvermarktungsautoren« entsteht. Schon jetzt sind in den Verkaufs-Top-10 bei Amazon mehr selbstverlegte Titel als Titel von Verlagen.

Sollen literarische Autoren nicht ganz andere Sorgen als das Urheberrecht haben?

Doch was ist mit der Literatur? Was ist mit Titeln jenseits der Unterhaltung? Was ist mit Titeln jenseits von Genres wie Krimi, Thriller, Erotik und Fantasy? Mit der Literatur sieht es tatsächlich schlecht aus. Nur einer der aktuellen Top-Titel in den E-Book-Chats mag als literarisch bezeichnet werden, das ist »Der Hundertjährige, der aus dem Fenster stieg und verschwand«.

Viele Autoren, die die entsprechenden Aufrufe wie »wir-sind-die-urheber.de« unterzeichnet haben, kommen aus dem literarischen Bereich. Müssen sie sich nicht Sorgen um ganz andere Dinge machen? Natürlich wäre es provozierend und böse zu behaupten, dass diese Autoren froh sein können, wenn sie überhaupt in den Tauschbörsen gelistet werden.

Dennoch lesen immer weniger Menschen. Einen Titel von Peter Stamm, Bodensee-Literaturpreisträger 2012, wollen viele Leute nicht mal geschenkt haben. Der PEN beklagt den Niedergang der Buchhandelskultur in einer Resolution. Thalia verkauft vermehrt Spielzeug, und die literarischen Titel muss man hinter all den Bergen von Billigtiteln suchen.

Die angebliche »materielle Basis«, die das Urheberrecht garantiere, ist dünn. Laut Künstlersozialversicherung liegt der Bruttojahresverdienst im Bereich »Wort« bei nicht einmal 18.000 Euro. Kaum ein Sektor lebt so viel von Stipendien, Förderungen, Subventionen und Preisen wie der der Literatur.

Das Urheberrecht schützt nicht nur die »besseren« Autoren

Die Aussage »wir-sind-die-urheber.de« wirkt plötzlich weltfremd und überheblich, denn vom Schreiben leben können die wenigsten. Zudem erlaubt es das Internet heutzutage jedem, kreativ zu sein und die eigenen Texte ins Netz zu stellen. Wir sind alle Urheber – zumindest potenziell.

Sofort wird an dieser Stelle aufgeführt, dass es aber ein himmelweiter Unterschied zwischen einem mehrere Hundert Seiten starken Roman sei, an dem ein Autor einige Jahre gearbeitet habe, und einem dahingeschriebenen Blog-Beitrag.

Doch wer so argumentiert, läuft in seine eigene Diskussionsfalle und legt seine wahren Interessen offen.

Denn das Urheberrecht ist kein »Qualitätsgesetz«. Abgesehen von einer gewissen Schöpfungshöhe unterscheidet es nicht zwischen »guten« und »schlechten« Werken, nicht zwischen Anspruch und Kommerz. Die indirekte Forderung, das Gesetz müsse die »besseren« Urheber schützen und ihnen eine finanzielle Grundlage sichern, ist zutiefst undemokratisch.

Was hat es mit der oft geforderten Stärkung des Urheberrechtsgesetzes auf sich? Schon jetzt schützt das Gesetz den Urheber, der gegen unrechtmäßige Verwendungen seiner Texte vorgehen kann. Das Internet ist kein rechtsfreier Raum, auch wenn dies immer wieder behauptet wird.

Von Gummibären und Musikdateien

Wolfgang Tischer beendete seinen Vortrag mit ein paar Anmerkungen zur Kopie. Er reichte eine Tüte Gummibären ins Publikum, die sofort weitergegeben wurde. Der Inhalt wurde geteilt. Teilen ist in unserer Gesellschaft positiv besetzt und Teil der Erziehung. Doch hat man statt einer Tüte Gummibären eine MP3-Datei eines Lieds, das jeder im Publikum gerne hätte, darf diese nicht »geteilt« werden, obwohl nach dem Kopieren der Datei – im Gegensatz zu den Gummibären – keiner der Anwesenden eine Datei weniger hätte.

Lernen ist Kopieren. Man darf eine Kopie eines Hesse-Gedichtes im eigenen Kopf anfertigen, indem man es auswendig lernt, aber man dürfte es nicht an diesem Abend auf der Bühne öffentlich vortragen.

Diese Beispiele zeigen, dass die Gleichsetzung von materiellen und immateriellen Gütern oft Probleme und schwer nachvollziehbare Einschränkungen aufweist.

Doch was ist die Lösung?
Stellen wir uns vor, es gäbe keine Fotokopierer

Doch wie könnte die Lösung für all die Kopien und »illegalen Fans« aussehen?

Tischer forderte zu einem Gedankenexperiment auf: Man stelle sich vor, es gäbe auf der Welt keine Fotokopierer. Niemand habe bislang so etwas erfunden. Und plötzlich würde ein US-Unterhemen oder eine japanische Firma verkünden, man habe ein Gerät entwickelt, bei dem man ein Buch nur auf eine Glasfläche legen müsse und innerhalb von Sekunden habe man eine perfekte Kopie der Seite 1:1 in bester Qualität.

Was gäbe das für einen Aufruhr und einen Entsetzensschrei in der Buchbranche! Jeder kann einfach so Kopien anfertigen, die im Schriftbild absolut identisch mit dem Original sind? Man kann sich die Empörung und die Aufrufe dagegen förmlich vorstellen.

Doch über Fotokopierer regt sich heute niemand mehr auf. Man hat eine Lösung gefunden, in Form der Urheberrechtsabgabe. Die beträgt bei Profigeräten schon mal mehrere Hundert Euro. Und wir zahlen die Abgabe auch seit Jahren für Leerkassetten, CD-Rohlinge, Festplatten und USB-Sticks. Die Abgaben werden gesammelt und an die Urheber verteilt. Oder man denke an eine andere Abgabe, mit der wir eine Art »Flatrate« finanzieren: die GEZ-Gebühr für den öffentlich-rechtlichen Rundfunk.

Systeme, über die man diskutieren kann, sowohl über die Gerechtigkeit des Verteilerschlüssels als auch darüber, dass es »Kommunismus« sei, dass man über 1,50 Euro an Abgaben für Urheber zahle, obwohl man auf meinem USB-Stick nur die eigenen Urlaubsfotos speichere. Man kann es aber auch als solidarisch bezeichnen.

Warum also denken wir nicht über ähnliche Modelle bei der digitalen Kopie nach? Ein Nachdenken über solidarische Abgaben bedeutet nicht, dass man dadurch »Raubkopien« legalisiert, wie auch immer wieder zu hören ist.

Sicherlich helfen dabei unglückliche Wortkreationen wie »Kulturflatrate« nicht sonderlich, suggerieren sie doch in der Tat, es gehe wie von den Autoren behauptet nur um »Gier und Geiz«.

Keine private Urheberrechtspolizei und Zensurmechanismen

Dennoch empfiehlt Tischer, solche Lösungen offen zu diskutieren, sodass es gelingen könne, mit der digitalen Kopie irgendwann genauso selbstverständlich umzugehen, wie mit der Fotokopie, um einen Ausgleich zwischen Urheber, Verlagen und Leser zu schaffen.

Wolfgang Tischer zum Thema UrheberrechtDenn der Ruf nach »politischen Lösungen« kann nur bei technischen Filtern enden, die uns Stoppschilder zeigen, die uns im Internet beobachten und uns unter Generalverdacht stellen. Wir sollten nicht in einer Welt leben, in der eine private »Urheberrechtspolizei« unter Umgehung staatlicher Stellen das scheinbar Nötige direkt mit den Providern verhandelt. Denn nichts ist in solch einem Fall schlimmer und erschreckender als der Satz: »Wer nichts zu verbergen hat, der braucht vor solchen Maßnahmen keine Angst zu haben«.

Es wäre ein verheerendes Resultat der Debatte, wenn gerade die Schriftsteller, für die die freie Rede und das freie Wort so wichtig sind, durch ihre Aufrufe argumentativ am Aufbau einer Infrastruktur beteiligt sind, die Zensur ermöglicht. Denn gestern diskutierte man die Stoppschilder noch für Kinderpornografie, heute fordert sie der Börsenverein fürs Urheberrecht, morgen will man sie gegen Naziwebsites. Irgendwann mag sie jemand wieder gegen unliebsame und provozierende Kultur fordern. Wir sollten den Anfängen wehren und die Konsequenzen solcher Forderungen gut überlegen.

Neue Urheber statt neues Gesetz

Die Schriftstellerinnen und Schriftsteller müssen sich der Wirklichkeit stellen und dazu gehört auch ein Wandel des Autorenbildes. Sorgen mag in der Tat die Zukunft der literarischen Titel bereiten.

Doch all das hat nichts mit dem Urheberrecht zu tun, geschweige denn mit einem, dass man »stärken« müsse.

Stärken muss man vielmehr die Sichtbarkeit von Literatur – und hier kann das Internet nur hilfreich sein.

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7 Kommentare

  1. Die Sache mit den Gummibärchen – geschenkt. Das kann funktionieren, wenn man die Zuhörer gleichzeitig mit einer solchen Tüte ablenkt, dann ist der logische Verstand außer Kraft gesetzt. Aber „Lernen ist kopieren“. Das geht gar nicht. Wenn dem so wäre, würden wir immer noch die im Kloster per Hand kopierte Bibel lesen und in der Schule wäre die Krönung des Lernerfolgs, wenn alle Kinder im Chor das nachsprechen können, was der Lehrer vorgesagt hat. Manchmal bekommt die Heiligsprechung des Kopierens schon merkwürdige Züge.

  2. @ Hans Peter: Jeder Akt des Kopierens ist aber auch einer des Aneignens. Und die Jungs (Scriptoren) im Kloster haben nicht umsonst deshalb soviel Wissen „ansammeln“ und offenabr auch kontextualisieren können, weil sie permanent kopiert haben. Insofern ist das mit dem Kopieren schon okay. Eine 1:1 Kopie gibt es (mal abgesehen von der direkten Kopie per Fotokopierer oder digital) ohnehin nicht.

  3. Könnte es sein, dass Vorträge wie dieser für die Autoren einfach uninteressant ist, weil es schlicht nichts Neues zu hören gibt bzw. gab? Immer die alte Leier, Verlage/Autoren sollen mit der Zeit gehen und sich der Zukunft nicht verschließen. Wenn es aber um konkrete Vorschläge geht, fällt den meisten Digitalapologeten nichts weiter ein als dass Autoren doch auch twittern sollten und per Facebook statt mittels Verlag mit potentiellen Lesern in Kontakt zu treten. Die Diskussion wird von „digitaler“ Seite zunehmend redundant.

  4. @ Uklatsch
    Sehe ich genau so, es wird – so paradox das auch klingen mag – zuviel geredet in dieser Debatte. Aber kaum einer handelt. Im angloamerikanischen Raum haben sie Leute wie Cory Doctorow oder Lawrence Lessig, aber hier? Fehlanzeige. Habe zwar vor paar Tagen im DRadio Kultur einen Beitrag über einen Roman („XO“) gehört, bei dem der Autor das Buch auch kostenlos online gestellt hat und mit dieser Aktion für ein neues Modell (nicht nur) in der Literatur wirbt, aber selbst da sprach die Moderatorin von „wirtschaftlichem Selbstmord.“
    http://www.dradio.de/dkultur/sendungen/kritik/1828988/
    Es scheint, als gäbe es hier zwei Diskurse. Der einen, bei dem – meist ziemlich unkonkret – über das neue Urheberrecht geredet wird und der andere, sehr viele kleinere, wo man neue Wege ausprobiert, die aber – so glauben zumindest viele – im Niedergang enden. Daneben aber steht das absolute Gros der Autoren – und schreibt weiter ihre ganz traditionell urheberrechtlich geschützten Bücher…

  5. Zur Sache mit den Gummibärchen – ich finde den Vergleichnicht korrekt und ich finde er wirft ein schlechtes Licht auf die gesamte Argumentation … vielleicht gibt es da ähnliche Unsauberheiten, die ich nur nicht erkennen kann?
    Stimmig wäre es für mich so: Die Tüte mit den Gummibärchen weiterzureichen würde ich damit vergleichen, einen MP3-Player weiterzureichen. Jeder der mag hört mal in das Lied rein und gibt den Player dann wieder weiter.
    Das Lied zu kopieren würde ich damit vergleichen: jemand „kopiert“ die Gummibärchen, und reicht diese Vervielfältigungen weiter – dann hat jeder eine Tüte voll zur Verfügung, so wie jeder das Lied auf seinem Player zur Verfügung hätte. Fällt das dann auch unter den Begriff des Teilens? Ich glaube eher, dass das ein Gesetzesverstoß wäre, für dessen Ahndung es in den Unternehmen ganze Rechtsabteilungen gibt … —-

    Die kommentar- und gefühllose Erwähnung der mit Menschenverachtung zu tun habenden Themen „Kinderpornographie“ und „Naziwebsites“ im gegebenen Zusammenhang tut weh. Logik und Prinzip und Abstraktion – schon okay, aber an irgendeinem Punkt wird es zu kalt. Komprimißlose Logik ist von ihrer Natur her sehr egozentrisch und kann leicht zu Wahrnehmungsverzerrungen und Unmenschlichkeit führen. Ihr fehlt das Gefühl als Regulativ, genauso wie es umgekehrt der Fall wäre.

  6. Zitat: „dann ist der logische Verstand außer Kraft gesetzt“

    Ein Vulkanier, der zur Föderation gehört, fände es dagegen sicher unlogisch, dass man für Dateien Geld bezahlen sollte. Ein Ferengi nicht.

    Jedenfalls haben wir früher auch Kassetten getauscht und überspielt. Qualitätsverlust war uns egal und ist heute sicher auch vielen egal. Im Prinzip gehts einfach darum: Was man nicht bezahlen kann, kann man nicht bezahlen. Wenn ich mir alles kaufen würde, was ich wollte, hätte meine Familie nichts zu essen und kein Kleider. Was nicht heißt, dass ich mir das auf anderem Weg besorge.

    Ich gehe z.B. kaum ins Kino und muss mir auch keine Filme ausleihen. Im TV kommen genug Filme, die ich noch nicht gesehen habe, weil ich eben schon sehr lange kaum noch ins Kino gehe. Außerdem hatte ich früher eine riesige VHS-Sammlung, selbst aufgenommen. Durfte man das? Darf man sich heute DVDs aus dem digitalen TV-Programm ohne Qualitätsverlust aufnehmen? Darf man Musik aus dem digitalen Radio aufnehmen und ständig hören, wann man will?

    Es muss jedenfalls ein echt besonders guter Film sein, damit ich mir den z.B. auf BluRay kaufen würde.

    Und: Warum eine Abgabe auf USB-Sticks, wenn man dann doch nichts kopieren darf? Die Bibliothek zahlt ja auch Abgaben, weil sie tatsächlich Bücher verleiht. Zahlen wir Abgaben auf Bücher, weil wir sie verleihen könnten? Bin ich böse, weil ich das schon mal gemacht habe?

    Übrigens kann man Dateien auch nicht verleihen, gebraucht verkaufen oder in ein Regal stellen. Der Vorteil ist dagegen halt, dass sie nicht weg sind, wenn sie jemand „stiehlt“.

    Dass Schriftsteller auch ohne Bezahlung im 24. Jahrhundert noch ein gefragter Karriereweg ist, sehen wir ja an Jake Sisko.

  7. Hallo Wolfgang,

    endlich bin ich heute dazu gekommen, den Mitschnitt anzuhören. Ein Vortrag, der viele interessanter Aspekte anschneidet.

    Ich weiß nicht, ob du irgendwo den alternativen Aufruf http://wir-sind-urheber.de/ verlinkt hast. Es gibt nämlich nicht nur Urheber, die ihre Leser und Zuhörer kriminalisieren wollen.

    Ich halte die Urheberrechtsdebatte für einen ausgewachsenen Kulturkampf, der vor allem deshalb so heftig geführt wird, weil das Netz eine unendliche Kopiermaschine ist. Das Wesen des Internets ist das Kopieren. Sein ganzer Erfolg basiert darauf. Und nun prallen zwei unvereinbare Interessen aufeinander. Die Interessen der Gesellschaft, die direkten Zugang zu Kultur haben möchte. Und die Einzelinteressen von Verwertern, die mit den unbegrenzten Kopiermöglichkeiten unbegrenzte Gewinne einfahren wollen. Denn dank des Internets können die Verwerter erstmals in der Geschichte auf all die aufwändigen Produktionsprozesse verzichten, die ihnen das Leben schwer machten. Sie bieten einfach eine Datei zum kostenpflichtigen Download an und haben das Perpetuum mobile des Geldmachens angeworfen. Leider wirft das Internet, das dieses unendliche Kopieren und Geldverdienen ermöglicht, gleich auch Sand ins Getriebe der Maschine. Das Netz ist eine unbegrenzte Kopiermaschine. Es lässt sich alles auch kostenlos kopieren. Das Wesen des Internets ermöglicht einerseits die potenziell grenzenlosen und aufwandlosen Verwertungsmöglichkeiten durch kostenpflichtiges Kopieren und andererseits das grenzenlose und aufwandlose kostenlosen Kopieren. Das Internet ist für Verwerter eine Gelddruckmaschine, die aber wertlos ist, weil sie von jedermann bedient werden kann. Wie ärgerlich aber auch. 😉
    Grenzenlose Distribution in einem Raum ohne Mangel. Der Mangel muss also künstlich erzeugt werden. Durch DRM oder Verbote. Kein Wunder, dass in dieser grenzenlosen Welt auch die Strafen schnell grenzenlos werden.

    Das Internet des unbegrenzten Gelddruckens lässt sich nur durch einen Polizeistaat aufrechterhalten, der alles und jeden kontrolliert. Einige „Urheber“ sind so verblendet, dass sie einen solchen Staat herbeisehnen.

    Wir müssen uns entscheiden zwischen einer Welt der totalen Kontrolle und einer Welt des freiwilligen Teilens. Die Entscheidung fällt vielleicht leichter, wenn man sich vor Augen führt, dass die Urheber ohne ihr Publikum ein Nichts sind. Die Kultur, die uns überliefert wurde, wurde uns vor allem durch Rezipienten überliefert. Es wäre also nicht zuviel verlangt, wenn – wie ich das gefordert habe – endlich auch das Publikum bezahlt würde. http://www.sudelbuch.de/2012/bezahlt-endlich-das-publikum

    Was wird brauchen, ist ein erneutes Verständnis dafür, was Kultur eigentlich ist, wie Kultur entstehen, was wir ihr verdanken und wer sie tradiert und weiterentwickelt. Kein Urheber schafft aus dem Nichts. Jeder steht auf den Schultern von Riesen. Ohne die tiefe Verwurzelung in unserer Zivilisation, die uns allen gehört, könnte kein Urheber auch nur eine Zeile zu Papier bringen. Den Urhebern würde etwas mehr Demut vor dieser Allmende gut anstehen. Nur dann kann sich eine gegenseitige Wertschätzung entwickeln, mit der alle leben können.

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