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Paulo Coelho stellt Raubkopien der eigenen Werke ins Netz – und verkauft mehr Bücher

Screenshot aus dem Video mit der Rede Paulo Coelhos»Raubkopierer sind Verbrecher.« So lautet die einfache Kampagnen-Logik der Musikindustrie, der sich mittlerweile auch die Verlage angeschlossen haben. Demnach ist auch der Bestsellerautor Paulo Coelho (»Der Alchemist«, »Die Hexe von Portobello«) ein Verbrecher. Man hätte ihn am vorvergangenen Montag in München gleich verhaften sollen.

Vor über 100 Zuhörern gestand Coelho auf der DLD-Konferenz, dass nicht ein anonymer Fan, sondern er selbst die Website »Pirate Coelho« (piratecoelho.wordpress.com) ins Netz gestellt habe.

Coelho hat sämtliche illegalen digitalen Kopien seiner Werke im WWW und in den Tauschbörsen zusammengesammelt und verlinkt sie auf dieser Website. Um die Site noch populärer zu machen, hat er sie sogar auf seiner offiziellen Website verlinkt und in einem Blog-Eintrag mit gespieltem Entsetzen darauf verwiesen.

Warum tut dieser Mann das? Nach der Logik der Verleger gräbt er sich damit doch das eigene Wasser ab. Niemand wird seine Bücher kaufen, wenn man sie umsonst im Netz bekommt.

Falsch, sagte Coelho in München, denn das Gegenteil sei der Fall! Der Verkauf seiner Bücher habe sogar zugenommen. Doch wie begründet Coelho dies? Wer will, kann es in seiner 20minütigen Rede selbst hören, die hier online anzusehen ist (das Video dauert zwar 1 3/4 Stunden, jedoch spricht Coelho gleich am Anfang in den ersten 20 Minuten).

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Bereits im Jahr 2000 stellte Coelho ein Buch, das er speziell für diesen Zweck geschrieben hatte, kostenlos auf seiner Website als Download zur Verfügung. In den ersten fünf Monaten wurde die Datei über 1 Million Mal heruntergeladen. Ein offenbar großer Erfolg. Doch bis zum heutigen Tag, so Coelho, gab es keinen einzigen Kommentar zu diesem Buch. Coelho folgert daraus, dass die Leute das Buch zwar in einer Jäger- und Sammler-Mentalität herunterladen – aber nicht lesen. Coelho: »Wenn die Menschen lesen wollen, dann kaufen sie die Bücher.«

Aufgrund dieser Erfahrung machte Coelho ein weiteres Experiment: Der Verkauf seines Romans »Der Alchemist« verlief in Russland nur schleppend. Es gab Probleme, das Buch in die Buchhandlungen zu bringen. Er verkaufte nur 1.000 Exemplare im ersten Jahr. Daraufhin stelle Coelho eine Raubkopie der russischen Ausgabe ins Netz. Der Verkauf wuchs auf 10.000 Exemplare im darauffolgenden Jahr an. Im Jahr danach waren es dann über 100.000 verkaufte Bücher. Coelhos Verleger wunderte sich, denn beworben wurde das Buch nicht. Coelho führt diesen Erfolg ausschließlich auf die frei im Netz verfügbare Raubkopie zurück. »Die Leute laden sich das Buch herunter, beginnen zu lesen. Und wenn es ihnen gefällt, fragen sie nach und wollen das Buch kaufen. Die Nachfrage steigt, und das Buch ist plötzlich verfügbar.« Wieder ein Jahr später wurden in Russland 1 Million Bücher verkauft.

»Es ist fantastisch«, schwärmt Coelho, »man gibt den Lesern sein Buch und diese entscheiden, ob sie es kaufen wollen oder nicht.«

Und so erstellte Coelho schließlich die Website mit den Links zu den Raubkopien.

»Es gibt keinen Konflikt zwischen der Tatsache, dass es etwas umsonst gibt, und am Ende des Tages kauft man es, weil es die Leute zum Lesen und Kaufen anregt.

In seinem Vortrag berichtete Coelho auch darüber, dass das Internet ein wunderbares Medium sei, um seine Leserinnen und Leser kennenzulernen. Zwar betonte er gleich zu Beginn seiner Rede, dass nichts die persönliche Begegnung ersetzen könne, doch verbringe er täglich an die drei Stunden, um über sein Blog, Facebook, Flickr und mySpace mit den Lesern in Kontakt zu treten.

Coelho macht sich auch keine Sorgen darüber, dass die oftmals kryptischen und abgekürzten Schreibweisen im Netz die Sprache verändern. Die Sprache lebt, so Coelho, der davon überzeugt ist, dass sie sich bedingt durch die Kommunikation im Netz in 20 Jahren radikal geändert haben wird. Und dennoch wird gerade im Internet-Zeitalter mehr als zuvor gelesen und geschrieben.

Leider wurde in einigen Medienberichten fälschlicherweise geschrieben, Coelho habe gefordert, »einen anderen Blick auf das Urheberrecht« zu werfen. Das ist Unsinn, denn sicherlich würde auch für Coelho spätestens dann der Spaß aufhören, wenn andere seine Werke unter ihrem Namen veröffentlichen würden. Coelho hielt den Vortrag auf Englisch und sprach von »Copyright«, was in diesem Zusammenhang nichts mit dem (deutschen) Urheberrecht zu tun hat. Der Begriff »Verbreitungs- und Nutzungsrechte« wäre passender gewesen.

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8 Kommentare

  1. Das Phänomen als solches scheint mir interessant, Coelhos Interpretationen und Schlüsse finde ich zumindest zweifelhaft.

    Denkbar wäre auch folgende:
    Durch die Verbreitung der Kopien über das Netz wurde ein bestimmter Romantitel zum Thema. Um mitreden zu können, glaubten die Leute, den Titel lesen zu müssen. Es fehlte ihnen aber das Know How (Suchmaschinenbedienung), den Titel via Internet zu besorgen, oder der Großteil der KäuferInnenschaft hielt sich schlicht und ergreifend an gesetzliche Bestimmungen.

    Diese These dürfte sich genau so wenig belegen lassen, wie die Deutungen Coelhos.

  2. Also ich persönlich lese äußerst ungern ebooks. Wenn ich ein Buch richtig gut finde, will ich es auch gern in den Händen halten beim lesen. Ich kann mir gut vorstellen, dass ebooks Verkaufszahlen steigern.

  3. Ich führe den Anstieg der Verkaufszahlen auf drei Faktoren zurück:

    Viele Leser bevorzugen richtige Bücher, da diese für sie leichter zu lesen sind, und kaufen eben diese, wenn die ersten Eindrücke des E-Books postiv waren.
    Leser des E-Books wirken als Multiplikatoren und steigern den Bekanntheitsgrad des Buches. Da nicht alle potentiellen Leser versiert genung im Umgang mit dem Internet sind, kauft ein Teil davon das Buch im Buchhandel.
    Leser des E-Books sind davon begeistert und verschenken das Buch (als gebundene Version).

  4. Das Radio, Fernsehen, Mikrowelle, CD – Internet. Jede Innovation hat ihre Eigenheiten. Seltsam, dass die Diskussionsthemen sich so sehr gleichen. Althergebrachtes stur und ohne Wissen über die Natur des Neuen gegen Neues ohne Verständnis für die Kultur des Alten. Am Ende dann das Happyend, viele Tonnen Papier später.

  5. Paulo Choelho überrascht die Menschen immer wieder aufs Neue…..

    einfach klasse……. was die recht verständliche Begründung zu seinen eigenen Raubkopien angeht ist schlicht weg wahr!!!!!!!!!!!!

    Ich selber, bekam eins mal ein Buch von Ihm ausgeliehen und habe mir im nachhinein das gleiche Buch selbst gekauft, weil ich so fasziniert von diesem Buch war!!!!!!!!!!!!!!

    Heute bin ich ein treuer Leser seiner Bücher und besitzte jedes Einzelne!!!!!!!!!!! Danke Paulo Coelho

  6. Das Phänomen der Steigerung der Verkaufszahlen durch kostenlose Online-Publikationen ist so neu nicht. Der wohl wichtigste Vertreter der schreibenden Zunft, der so denkt und handelt, ist wohl Cory Doctorow, dessen Romane auf Papier und – kostenlos – zum Download angeboten werden. Arthur Missa macht im deutschsprachigen Raum dasselbe, wenn er seine Bücher drucken und unter einer Creative Commons Lizenz komplett ins Netz stellen lässt.
    http://www.archive.org/details/FormenverfugerFormenverfger.StckeAusProsa
    Etwas anders, gleichwohl nicht weniger interessant, sind die Ansätze einiger kleiner Verlage, z.B. der edition taberna kritika, wo u.a. der – offenbar rein digital publizierte – Roman “Callas Box 2.0” erschienen ist http://etkbooks.com/edition/callasbox
    Vielleicht kennen einige von euch ja noch mehr Beispiele.

  7. Auch wenn dieser Beitrag hier schon ein wenig älter ist – das Thema ist nach wie vor aktuell. Wir, als kleiner, neu gegründeter Verlag, wollen uns selbst ein Bild machen und schauen, wie sich freie Lizenzen und gedruckte Bücher zueinander verhalten. Wir haben deshalb unseren Erstling – Francis Neniks Roman “xo” – nicht nur gedruckt, sondern ihn auch komplett kostenlos online gestellt. Wir sind gespannt, auf die Ergebnisse, auch wenn wir wissen, dass Repräsentativität mit einem Buch – zumal noch einem seiner Form nach höchst außergewöhnlichen – nicht erreicht werden kann. Aber dennoch (oder vielleicht gerade deswegen): Es ist an der Zeit, sich den Herausforderungen des digitalen Zeitalters zu stellen – nicht durch Untergangsszenarien oder blanke Euphorie, sondern durch konkretes Tun, Versuchen und – ja – vielleicht auch daran scheitern.

  8. was ist mit dem digitalen vergessen ?
    ein buch hält länger als eine datei auf einer festplatte.
    Ein Buch ist da. immer verfügbar.
    papierherstellung hin oderher: ihr braucht strom um das buch mit dem e-reader zu lesen, also worüber reden wir hier.
    klar will jeder das buch in seinen händen, statt einem ebook.
    es ist einfacher, ECHTER !
    ich blättere alte bücher durch und rieche gern erstmal dran.

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