Das Literarische Quartett ist aus der Sommerpause zurück. Irgendwie wirkte es anders. Lag es an der Kritik, die dem Quartett jüngst entgegengebracht wurde? Langweilig war die Runde nicht. Eher uninteressant.
»Leider ist auch diese Sendung nur noch ein Schatten ihrer selbst«, schrieb Magnus Klaue in der ZEIT über das Literarische Quartett unter Thea Dorn. Sein Text ist eine merkwürdig ziellose Vermengung der jüngsten Kritik an Denis Scheck mit dem Quartett, und man kann die Zusammenhänge nicht recht erkennen. Klaue kommt zu folgendem Schluss:
Empfing früher eine Gruppe von drei einander Vertrauten einen Gast, empfängt nun Thea Dorn als Moderatorin jeweils drei Gäste. Damit unterscheidet sich das Format, sieht man vom austauschbaren Inhalt ab, kaum noch von Anne Will.
Doch während das alte Literarische Quartett für Leute gemacht war, die etwas über Literatur erfahren wollten, weil ihnen bewusst war, wie wenig sie davon kannten, richtet sich das heutige an ein Publikum, das Bücher ausliest, wie es geliefertes Essen verputzt.
Wie kommt Klaue zu dieser sonderbaren Einschätzung? Die wenigsten der besprochenen Bücher habe ich zum Zeitpunkt der Sendung gelesen. Liegt es daran, dass mir das Essen nicht bekommt?
Hubert Winkels bezog sich im Juni 2021 in seiner Klagenfurter Rede ebenfalls auf das Literarische Quartett, indem er bemängelte: »Die einzige an ein größeres Publikum gerichtete deutsche Fernsehsendung, die ausschließlich Diskussionen über neue Bücher zeigt, verzichtet programmatisch vollständig auf Literaturkritiker.«
Diesmal saßen neben Thea Dorn drei Männer in der Runde, und zumindest einer davon ist ein ausgewiesener Literaturkritiker: Ijoma Mangold von der ZEIT. Der wiederum ist ständiges Mitglied des Lesenswert-Quartetts des SWR, das ebenfalls vom ursprünglichen Literarischen Quartett inspiriert ist. Das ewige Spiel des Literaturbetriebs der Immergleichen. Zudem saßen in der Runde der österreichische Regisseur und Autor David Schalko und der Schauspieler und Autor Christian Berkel.
Dass im Quartett nicht immer Literaturkritiker sitzen, muss kein Defizit sein. Gäste wie beispielsweise Ulrich Matthes (Schauspieler) oder Eva Menasse (Autorin) diskutierten bisweilen näher und kompetenter über die Bücher als manche Kritikerin.
Womit wir dann aber doch wieder beim ewigen Spiel des Literaturbetriebs der Immergleichen wären. Denn in der letzten Sendung vor der Sommerpause saß Eva Menasse noch als Buchbeurteilende in der Runde, während nun nach der Sommerpause von anderen ihr Buch »Dunkelblum« beurteilt wurde. Manchmal, so hat man den Eindruck, käme der Literaturbetrieb auch gänzlich ohne Leserinnen und Leser aus. Ohne Publikum funktioniert das Quartett bereits ohnehin ganz gut.
Des Weiteren wurde über die Bücher von Jenny Erpenbeck, Klaus Pohl und Sigrid Nunez gesprochen. Mehr muss man kaum sagen. Menasse ist super, Erpenbeck ist ok, Pohl ist toll und Nunez’ Text fällt nicht weiter auf. Wobei man sich schon fragen muss, warum da vier Intellektuelle ausgerechnet über das Buch »Sein oder Nichtsein« von Klaus Pohl sprechen, dem die Hamlet-Inszenierung von Peter Zadek aus dem Jahre 1999 zugrunde liegt und Schauspielgeschütze wie Angela Winkler, Ulrich Wildgruber, Otto Sander und Eva Mattes zu Romanfiguren werden. Zwar wurde betont, dass man fürs Lesevergnügen weder die Inszenierung noch die Schauspieler kennen müsse, dennoch fühlte man sich wie tief unten gefangen im intellektuellen Kaninchenbau. »Geht mal wieder an die frische Luft, um auf andere Gedanken zu kommen«, würde man Kindern und der Kritikerrunde zurufen wollen.
Alles schien uninteressant. Niemand schien für einen der vorgestellten Titel zu brennen. Keine tiefe Diskussion, kein echter oder aufgesetzter Streit, keine interessanten Aspekte, nur ein braves Aufsagen von Dingen, die man noch zum jeweiligen Buch sagen könnte. Selbst Ijoma Mangold, der sich gern für Coolness und Provokation zuständig sieht (man höre ihn sich nur mal in einem Podcast über den Bitcoin an), wirkte in dieser Viererrunde eher onkelhaft.
Dennoch habe ich das Quartett für diesen Text bis zum Ende gesehen. Aus aktuellem Anlass wies Thea Dorn nochmals auf das in der Februarsendung diskutierte Buch »Das ferne Feuer« von Amy Waldmann hin, das aufgrund der Lage in Afghanistan eine prophetische Aktualität bekommen hat.
Wolfgang Tischer
Link ins Web:
- Audio: Das Literarische Quartett vom 27.08.2021 in der Deutschlandfunk Audiothek und als RSS-Feed
- Video: Das Literarische Quartett vom 27.08.2021 in der ZDF-Mediathek
Die in der Sendung vom 27.08.2021 besprochenen und erwähnten Bücher:
- Eva Menasse: Dunkelblum: Roman. Gebundene Ausgabe. 2021. Kiepenheuer&Witsch. ISBN/EAN: 9783462047905. 25,00 € » Bestellen bei amazon.de Anzeige oder im Buchhandel
- Jenny Erpenbeck: Kairos: Roman. Ausgezeichnet mit dem International Booker Prize 2024. Gebundene Ausgabe. 2021. Penguin Verlag. ISBN/EAN: 9783328600855. 24,00 € » Bestellen bei amazon.de Anzeige oder im Buchhandel
- Klaus Pohl: Sein oder Nichtsein: Roman. Gebundene Ausgabe. 2021. Galiani-Berlin. ISBN/EAN: 9783869712437. 23,00 € » Bestellen bei amazon.de Anzeige oder im Buchhandel
- Sigrid Nunez; Anette Grube (Übersetzung): Was fehlt dir: Roman. Gebundene Ausgabe. 2021. Aufbau. ISBN/EAN: 9783351038755. 20,00 € » Bestellen bei amazon.de Anzeige oder im Buchhandel
- Amy Waldman; Brigitte Walitzek (Übersetzer): Das ferne Feuer: Roman. Gebundene Ausgabe. 2021. Schöffling. ISBN/EAN: 9783895611681. 26,00 € » Bestellen bei amazon.de Anzeige oder im Buchhandel
Es macht keinen ” Spass” Literarisches Quartett anzuschauen, auch die Deko ist unterirdisch…….
Ich weiss schon, es geht um die Bücher, Autoren etc. Aber wo ist der Widerspruch, die Überzeugung, die Freude am Gespräch, an der Auseinandersetzung geblieben? Ich meine, wo ist der zündende Funke der zum nachdenken anregt oder gar zum lesen auffordert.
Noch schlichter gesagt: ” He, Leute, wir haben was spannendes zu bieten in dieser Runde, schaut rein….”
Interessant. Während ich das L4 wirklich oft langweilig oder ärgerlich fand, hat mich diese Folge sehr angesprochen. Exemplarisch nenne ich die Kontroverse um Erpenbecks Roman, ob er eine nervige Allegorie oder genial konstruierte Metapher sei. Ich fand das weder dümmlich noch unintellektuell. Die Sendung hat mich dazu angeregt, bis auf Pohl alle besprochenen Romane zu lesen.
Ich stimme mit Tischer überein, dass Matthes und Menasse sich sehr qualifiziert über Literatur äußern (können). Mit Grausen denke ich an die selbstgefälligen Weidermann und Biller zurück, die nur von Frau Weidermann unterboten wurden. Frau Dorn hat mir als Gast besser gefallen als als Gastgeberin. Die Augustsendung des L4 war für mich dennoch ein Gewinn.