Anzeige
StartseitePreise und WettbewerbeBayerischer Buchpreis 2018»Töchter« von Lucy Fricke – Mit dem Vater zum Sterben

»Töchter« von Lucy Fricke – Mit dem Vater zum Sterben

»Töchter« von Lucy Fricke

Auch der Roman »Töchter« von Lucy Fricke zählt zu den drei nominierten Romanen für den Bayerischen Buchpreis 2018, dessen Sieger am 6. November zwischen den drei Jury-Mitgliedern live vor Publikum ausdiskutiert wird. Hat der Roman das Zeug zum Gewinner-Buch?

Martha und Betty sind um die 40 und seit Jahren beste Freundinnen. Sie kennen sich und vertrauen sich, auch wenn ihr Umgangston oftmals sehr sarkastisch ist. Mit 40 ist das schöne Leben vorbei. Betty versucht noch mit 39 und durch künstliche Befruchtung endlich Mutter zu werden. Beide Leben in Berlin, am Anfang des Romans ist die Ich-Erzählerin Betty in Rom unterwegs. Eigentlich will sie zum Grab eines Mannes, der so etwas wie ihr Vater war. Doch dann ruft Martha an. Marthas Vater hat mit einer Sterbehilfe-Organisation in der Schweiz den Tag für den eigenen Tod vereinbart. Martha soll ihn nach Zürich fahren. Doch Martha hält sich nicht für die beste Autofahrerin, schon gar nicht unter diesen Umständen. Seit einem Unfall hat sie sich nicht mehr hinters Steuer eines Autos gesetzt. Sie bittet Betty, mit dem alten Golf ihres Vaters in die Schweiz zu fahren.

Von Hannover aus, dem Wohnort des Vaters, machen sich die drei auf den Weg in die Schweiz.

Figuren, Stimmung und Szenario: Lucy Fricke entwickelt all dies gekonnt und zielgerichtet auf den ersten 25 Seiten des Romans. Die Dialoge sitzen. Sie informieren Leserin und Leser unaufdringlich über die Umstände, ergänzt durch Bettys Erläuterungen. Das ist flott und glaubhaft gearbeitet, die Autorin spart sich unnötige Dialogschleifen. Im dritten Kapitel sitzen wir mit den Dreien im Golf.

Dann wollen wir mal - auf geht's zum Sterben in die Schweiz
Dann wollen wir mal – auf geht’s im dritten Kapitel zum Sterben in die Schweiz

Es ist nicht ganz einfach, über diesen Roman zu schreiben, ohne weitere Details der Handlung zu verraten. Wahrscheinlich wird dies aber bei der Jury-Diskussion des Bayerischen Buchpreises am 6. November in der Allheiligen-Hofkirche nicht ausbleiben. Natürlich will man bei diesem Setting wissen, wie das mit dem Vater ausgeht und was auf den weiteren 210 Seiten des Romans passiert.

Aber das soll hier nicht verraten werden. Wer sich den meisten Lesegenuss erhalten will, der oder die liest am besten auch nicht den Klappentext, sondern gleich den Roman, der eine Road-Novel ist, so zeigt es schon die Cover-Grafik mit ihrer sinnbildlich welligen Straße.

Nichts verrät man – und dieses Motiv ist schließlich nicht ganz neu -, wenn man erzählt, dass der bevorstehende terminlich genau geplante Tod des Vaters natürlich den Blick der beiden Freundinnen und Töchter auf sich selbst, das eigene Leben, ihre Familien, das bisher Erreichte (oder nicht Erreichte) und die Zukunft richtet.

Wenn man nicht den Text auf dem Umschlag liest, dann liest man auch nicht das Zitat von Denis Scheck, der dem Roman (wirklich DEM Roman hier oder eher einem Vorgänger?) attestiert, er habe ihm die Lachtränen in die Augen getrieben. Spiegel Online findet ihn »zum Brüllen komisch«, und auch hier lässt sich vermuten, dass sich dieses Zitat auf einen Vorgänger und nicht auf »Töchter« bezieht. Denn »Töchter« ist nicht zum Brüllen komisch und Lachtränen verursacht das Werk sicherlich auch nicht. Zum Glück!

Der Roman hat Humor und Witz, es finden sich darin aber auch Bonmots hart am Kalenderkitsch. Überhaupt schreibt Lucy Fricke hart am Rand des »unterhaltsamen Frauenromans«. Sie webt bisweilen Haarsträubendes ein und verwendet gebrauchte und abgenutzte Kulissen aus Geschichten, die weitaus seichter sind. Doch Lucy Fricke segelt dennoch stets unter dem Genre-Radar und baut zumindest ironische Brechungen ein, wenn etwas dann vielleicht doch zu weit geht. Das gilt im Übrigen auch für Sprache und Dialoge der »Töchter«.

Unterhaltung und Anspruch fügen sich in Lucy Frickes Roman wie zwei alte Freundinnen und Töchter gut zusammen – vielleicht auch bald bayerisch buchpreisgekrönt?

Wolfgang Tischer

Lucy Fricke: Töchter. Gebundene Ausgabe. 2018. Rowohlt Buchverlag. ISBN/EAN: 9783498020071. 20,00 €  » Bestellen bei amazon.de Anzeige oder im Buchhandel
Lucy Fricke: Töchter. Taschenbuch. 2019. Rowohlt Taschenbuch. ISBN/EAN: 9783499290152. 12,00 €  » Bestellen bei amazon.de Anzeige oder im Buchhandel
Lucy Fricke: Töchter. Kindle Ausgabe. 2018. Rowohlt Taschenbuch. 9,99 €  » Herunterladen bei amazon.de Anzeige

Link ins Netz

Weitere Beiträge zum Thema

Schreiben Sie einen Kommentar

Bitte geben Sie Ihren Kommentar ein.
Bitte geben Sie Ihren Namen ein