StartseiteProsaSchreibzeug-Podcast: Die besten Texte mit gebrochenen Vorsätzen

Schreibzeug-Podcast: Die besten Texte mit gebrochenen Vorsätzen

Die folgende Geschichte zählt ebenfalls zu den vier Gewinnertexten 58. Folge des Schreibzeug-Podcasts. Die 58. Folge mit den zugehörigen Textanalysen kann hier angehört werden – und überall, wo es Podcasts gibt. Über die Zahlen unter den Geschichten kann zwischen den Geschichten geblättert werden.

Selbsthaftend

von Till Faber

Jetzt saßen sie hier. Sie starrte auf die Wand hinter ihm, aus ihm flossen Wörter. Hin und wieder trieb zwischen den Erzählungen eine Rechtfertigung: Es sei eine Ausnahme gewesen, ein letztes Mal. Dann wieder ein Strom ohne Belang. Martin dachte so nach, sprechend. Sprechdenker nannte sie ihn manchmal. Wie Tentakeln tasteten sich seine Sätze durch die Themen und zogen Brauchbares an sich. Irgendwann kam er wieder auf den Abend zurück. Es sei Derek gewesen, der ihn überredet hatte mitzukommen. Er selbst hätte den Abend mit ihr und dem Baby verbringen wollen. Aber …

Sie erinnerte sich an eines ihrer ersten Dates, Martin hatte sie ins Aquarium eingeladen. Damals hatte sie sich an der Vorstellung probiert, irgendwann mit ihm und einem, vielleicht zwei Kindern wieder zu kommen. Das Bild hatte ihr gefallen. Damals.

Jetzt saßen sie hier. Und er redete wieder davon, dass er sich ändern würde. Dass er sich schon geändert hätte. Eigentlich. Nächstes Mal würde alles anders laufen.

Sie dachte daran, dass sie ihr Kind an diesen Ort würde bringen müssen.

Er hatte aufgehört zu sprechen, vielleicht hatte er etwas in ihrem Gesicht bemerkt. Seine Rechte hielt den Hörer am Ohr. Seine linke Hand legte er noch einmal gegen die Glasscheibe und schaute sie bittend an. Wieder erinnerte sie die plattgedrückte Haut an einen Oktopus. Wieder ließ sie ihre Hand im Schoß liegen.

© by Till Faber. Unerlaubte Vervielfältigung oder Weitergabe – gleich welcher Art – nicht gestattet.

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1 Kommentar

  1. Liebe Diana, lieber Wolfgang,

    erstmal vielen Dank für die viele Arbeit, die ihr euch macht mit dem Podcast und den Schreibwettbewerben. Ich bin vielleicht etwas spät dran, wollte aber einen Punkt zum Wettbewerb „Gebrochene Vorsätze“ anbringen, der mir jetzt erst klarer wird. Hier höre ich Wolfgangs leicht genervte Stimme zwischen meinen Zeilen: eine neue Episode „Kritisier den Kritiker?“ Ja und nein. Ihr seid die Jury, d.h. ihr habt die Erfahrung und kennt vor allem alle Texte. Mir fehlt aber eine Dimension in euren Besprechungen. Gibt es nicht auch, und gerade auch in eher banalen Themen, eine Suche nach Bedeutung im Themenbegriff? Und damit meine ich nicht die Begriffserläuterungen in Wikipedia (es gibt, denke ich, auch eine Stereotypie der Originalität. Ihr sucht ein „Spektrum“? Echt jetzt?). Ich grabe hier: Was genau ist ein Vorsatz? Warum fasst ein Mensch einen Vorsatz? Und warum bricht er / sie ihn? Was ist der Wert eines Vorsatzes? Müssen Geschichten nicht eine Relevanz haben, einen Bezug zur gesellschaftlichen Situation? Das geht über reine Bildersprache und überraschende Wendungen / Pointen hinaus. Wieder höre ich da Wolfgangs Stimme: hatte deine Geschichte doch auch nicht! Ja und nein. Ich schreibe euch auch nicht, um eurer Entscheidung nachzukarten. Ich schreibe euch, weil ich mich gerade verstärkt an dem Begriff Relevanz reibe. Vielleicht ist das ja auch ein Thema für den Podcast?
    Erst mal ganz liebe Grüße, nichts für Ungut und gutes Gelingen in Leipzig.
    Michael Fiedler

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