Lesen Sie ein Buch, weil Sie entspannen wollen, Orientierung oder den Nervenkitzel suchen? Lesemotive sind eine neue Klassifikation für Bücher, die der Börsenverein des Deutschen Buchhandels Ende 2023 eingeführt hat. Ein Buch wird dabei einem von zehn spezifischen Lesemotiven zugeordnet. Das ist für Leser, Buchhändler und Autoren gleichermaßen hilfreich.
Die spezifischen Lesemotive
Zehn spezifische Lesemotive für ein Buch wurden definiert:
- Leichtlesen
Das Bedürfnis nach unbeschwerter Lektüre mit einfacher Sprache und niedriger Komplexität - Entspannen
Das Bedürfnis nach Rückzug, der ausgleichend wirkt - Eintauchen
Das Bedürfnis nach anderen, auch fiktiven Welten, die aus dem Alltag entführen - Lachen
Das Bedürfnis nach Heiterkeit, vom Schmunzeln bis hin zum Spaß pur - Entdecken
Das Bedürfnis nach Unbekanntem, das Lust auf Neues macht und inspiriert - Verstehen
Das Bedürfnis nach Erklärungen von Zusammenhängen oder Pflichtlektüre, zum Beispiel in der Schule oder im Studium - Optimieren
Das Bedürfnis nach Leistungsverbesserung, die zu persönlichem Erfolg führt - Nervenkitzeln
Das Bedürfnis nach Spannung, die einen mitfiebern lässt - Auseinandersetzen
Das Bedürfnis nach gesellschaftskritischen und/oder provokativen Inhalten – auch, um damit ein Statement zu setzen. - Orientieren
Das Bedürfnis nach Sicherheit, die sich auf Wissen stützt
Quelle: Lesemotive für Dummies, Weinheim 2024
Die generischen Lesemotive
Diesen übergeordnet sind drei sogenannte generische Lesemotive
- Freude am Lesen
Das Lesen von Büchern bereitet Lesenden Spaß und Freude. - Entscheidungsfreiheit
aus einer großen Vielfalt an Titeln und Themen kann gewählt werden, was man lesen möchte. Das gibt Autonomie und die Chance auf eine freie Meinungsbildung. - Mitreden können
Mit Büchern werden Erinnerungen geweckt und sie tragen zum Austausch bei. So kann man sich über aktuelle Themen informieren.
Quelle: Lesemotive für Dummies, Weinheim 2024
Nur ein Lesemotiv pro Buch
In der Praxis wird ein Buch genau einem der zehn spezifischen Lesemotive zugeordnet. Es geht um die Frage, welches Bedürfnis ein Buch in erster Linie erfüllt und warum man es liest oder lesen möchte. Das kann der Buchhändlerin beim Beratungsgespräch helfen, aber auch Autorinnen und Autoren können sich damit bewusst machen, für welche Art von Leserinnen oder Leser sie schreiben. Das Lesemotiv ist Teil der Antwort auf die Frage, an welche Bedürfnisse der Zielgruppe sich ein Buch richtet.
Selbst Buch-Cover können danach beurteilt werden, ob sie das primäre Lesemotiv widerspiegeln und optisch die richtigen Käufer ansprechen.
Speziell bei Autorinnen und Autoren mag die Meinung aufkommen, dass das eigene Buch mehr kann, als nur einem einziges Lesemotiv zu entsprechen (»Mein Buch kann man lesen, um sich zu entspannen, es soll aber auch Orientierung bieten«). Aber genau das ist nicht vorgesehen, die Festlegung muss eindeutig sein, gemäß der Marketingregel: »Sei spezifisch! Was für alle ist, ist für niemanden.«
Die neue Zuordnung zu Lesemotiven ist sowohl im Verzeichnis der lieferbaren Bücher zu finden, als auch bei den Bestsellerlisten auf boersenblatt.net. Hier kann man sehen, wie aktuelle Bestseller von den Verlagen eingestuft sind. Schnell wird man feststellen, dass die Mehrzahl der Belletristik-Top-10 meist dem Motiv »Entspannen« zugeordnet sind, beispielsweise Bücher von Kehlmann oder Murakami. Ein Buch von Fitzek oder Poznanski dient dem Nervenkitzel. Epische Titel aus dem Fantasy-Bereich, wie beispielsweise die von Rebecca Yarros, haben das spezifische Motiv »Eintauchen«.
Im Ratgeber-Bereich überwiegt das Motiv »Optimieren«, es finden sich aber auch Titel mit dem Motiv »Verstehen« oder »Orientieren«.
Lesemotive für Dummies
In der Art und Aufbereitung der bekannten »Für Dummies«-Reihe, gibt es ein kleines Heft, dass die Lesemotive, ihre Vorteile und ihren Einsatz in der buchhändlerischen Praxis erläutert. Man kann das Heft beim Marketing- und Verlagsservice des Buchhandels (MVB) bestellen.
Hat man die Zuordnung der Lesemotive verstanden, so leiten sich mehrere Dinge daraus ab. Die Frage »Welches Lesemotiv erfüllt das Buch primär?« kann vom Klappentext bis hin zu Werbeaktionen helfen, die Zielgruppe und ihre Bedürfnisse besser zu bestimmen und diese Menschen adäquat anzusprechen.
Selbst bei der Frage, wie man Menschen für Bücher begeistert, um sie (wieder) zu Lesenden zu machen, gilt es, auf das motivierendste Motiv zu setzen.
Link ins Web
- Info-Seite des MVB über die Klassifikation nach Lesemotiven
- »Jedes zweite Buch ist eine Mogelpackung. Abhilfe versprechen die Lesemotive«
Interview mit Stephanie Lange über die Klassifikation der Lesemotive
Ist das Satire?
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