StartseiteProsaSchreibzeug: Die fünf schönsten Weihnachtsgeschichten zum Hören und Lesen

Schreibzeug: Die fünf schönsten Weihnachtsgeschichten zum Hören und Lesen

Neuschnee

von F. de Mar

Marley war tot; damit wollen wir anfangen. Allein schon deshalb, weil es die erste Frage war, auf die das krude Bild Antwort gab, das jener Heiligabendmorgen bot. Und die einzige. Die Striemen, der Gesichtsausdruck und all die anderen, nennen wir sie Ungereimtheiten, sollten sich erst später klären.

Ich habe viele Tatorte gesehen, keiner war so schön. Die Berge, die Ruhe. Der Skilift stand. Sowohl der Sessel, der von der Mittelstation hoch zum St. Ann führte, als auch die Gondel hinab nach Wailers. Dabei sprachen die äußeren Umstände durchaus für den Betrieb. Die Sonne des eisigen Morgens war an einen wolkenlosen Himmel geheftet, die Pisten makellos und zwischen sie hatte die Nacht so viel Neuschnee gelegt, dass ich wünschte, seinetwegen hier zu sein.

Auf den Lehnen der Sessel waren zarte Schneewälle gewachsen, die Sitzflächen hatte man abends noch hochgeklappt, nur Sessel 37 vergessen. Seine Sitze zierte eine weiße Decke. Er war halb aus der Station geschwebt, an die Stelle, wo der Bügel spätestens zu sein musste, wollte man nicht den Liftwart erzürnen.

Der Fahrgast von Sessel 37 hatte den Bügel korrekt geschlossen, er wäre wohl dennoch gerügt worden. Kopfüber hing er darüber. Nackt. Mit Mütze. Wie ein halboffenes Taschenmesser, den malträtierten Hintern zum Berg. Nur der rote Mützenzipfel lag auf dem sonst unberührten Sesselschnee.

Die erste Weihnachtsabfahrt gehöre stets Stadtrat Marley als Santa nebst Knecht – die Touristen lieben Tradition. Was Marley nachts schon auf der Piste gesucht hatte, konnte uns Ruprecht aber nicht sagen.

Erst die Schmelze um Ostern strafte ihn Lügen. Sein seit jener Nacht vermisstes Handy verriet, dass die beiden die Kostüme nebst Rute nicht allein für Regionalwerbung genutzt hatten. Die SMS waren deutlich, die Fotos nicht schön. Der Fall ein Unfall. Die Presse frohlockte, titelte von einem Eiszapfen und dergleichen.

Wir wollen eine weiße Decke darüberbreiten. Es war ihr Fest der Liebe, vielleicht zu fest, vielleicht zu kalt. Am Ende war Marley tot, damit wollen wir schließen.

© F. de Mar
Hinweis: Diese Geschichte können Sie auch gelesen in Folge 37 des Schreibzeug-Podcasts hören.

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7 Kommentare

  1. Toller Podcast, klasse Tipps und Infos. War bislang nicht so begeistert davon, eine Stunde lang einem Podcast zu lauschen, aber diese Weihnachtsgeschichten-Ausgabe hatte mich neugierig gemacht. Nun freue ich mich auf die nächsten, um hoffentlich noch viel zu lernen. Wie kann man nur glauben, es sei eine einzigartige Idee, Marley einen Hund sein zu lassen und das erst zum Schluss aufzuklären 🙂
    Frohe Weihnachten!

  2. Die Reihenfolge ist zufällig gewählt und stellt keine Platzierung da.
    Ich konnte mich kaum auf dem Stuhl halten, das Lachen hätte mich fast umgeworfen. Wenn Autoren eines Literaturcafes grottenschlecht in der Rechtschreibung sind, ist man zunächst versucht, den Newsletter abzubestellen.
    Aber ich sehe diese “Dastellung” nun mit Humor.

    • Sehr geehrter Herr Kayling,

      vielen Dank für diesen Hinweis. Wir sind hierfür immer sehr dankbar und haben das r gleich nachgetragen. Wir selbst ärgern uns über solche Fehler am meisten. Doch wir sind nur Menschen.

      Es macht uns jedoch etwas Angst um Sie und uns, dass Sie sich bereits aufgrund eines Fehlenden r “kaum auf dem Stuhl halten” können und das Lachen Sie fast umgeworfen hätte. Das halten wird für sehr bedenklich, denn ich möchte mir nicht vorstellen, was passiert, wenn uns ein weiterer Tipp- oder Rechtschreibfehler unterläuft – was ich nicht ausschließen, ja eigentlich bereits vorhersehen kann.

      Vielleicht ist es daher doch besser, Sie meiden Ihrer Gesundheit zuliebe das literaturcafe.de und bestellen den Newsletter ab. Sehr gerne würde ich Sie stattdessen an das rechtschreibcafe.de verweisen, aber diese Adresse gibt es leider (noch) nicht.

      Herzliche Grüße
      Wolfgang Tischer, literaturcafe.de

  3. Sorry, aber der Satz “Wo um alles in der Welt bekommen wir jetzt einen Esel her?” ist meiner Meinung nach am Ende der Geschichte perfekt platziert. Ein ganz wunderbarer letzter Satz!
    Ihn an den Anfang der Geschichte zu setzen, ist in meinen Augen eine völlig falsche Empfehlung.

    • Liebe Renate Blaes,
      ich habe auch gar nicht gesagt, dass der Satz falsch platziert gewesen ist, sondern, dass es (für mich) origineller gewesen wäre, eine Geschichte mit diesem Satz anzufangen. Dabei hätte es sich selbstverständlich um eine ganz neue Geschichte gehandelt. Da Sie – im Gegensatz zu mir – nicht den gesamten Text kennen, verstehen Sie meine Anmerkung vermutlich nicht. Aber der Autor der Geschichte hat sich bereits gemeldet und konnte damit durchaus etwas anfangen.
      Beste Grüße
      Diana Hillebrand

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