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StartseiteProsaSchreibzeug: Die fünf schönsten Weihnachtsgeschichten zum Hören und Lesen

Schreibzeug: Die fünf schönsten Weihnachtsgeschichten zum Hören und Lesen

Stille Nacht

von Verena Aurelle

Marley war tot.

Damit wollen wir anfangen, Mam! Die Kleine kam aus der Küche gerannt und streckte ihrer Mutter eine der rot glänzenden Christbaumkugeln vors Gesicht.

Erschöpft befreite sich Marley aus den kleinen Armen, dem Übermut ihrer Tochter und sank auf die Küchenbank. Wie sollte sie es Tess sagen?

Vorsicht mein Schatz, sie ist aus Glas.

Tess schaute fragend in die müden Augen ihrer Mutter. Tess, es, es wird kein Weihnachtsfest geben, nicht hier in …

Sie streifte sich die Schuhe von den nassen Füssen.

Tess verharrte wie angewurzelt. Reglos versuchte sie Marleys Schweigen zu deuten. Zärtlich strich Mamas Hand über ihren krausen Zaus. Leise seufzte sie.

Es geschah, was geschehen musste. Ein helles Klirren, die Kugel zerbarst auf dem Steinboden.

Erschrocken und gebannt schauten beide auf die roten Splitter, die in silbrigem Schimmer zu leuchten begannen.

Langsam, dann immer schneller, wirbelten Staub, Reiskörner, Farbstifte, Schuhe, die Wasserpfütze darunter, Gardinen und Mamas Mantel um sich selbst und wurden von grellem Nichts angesogen. Von irgendwo ertönte Glockengeläut und Gesang. Rote Funken flogen immer schneller und bewegten sich in dieselbe Richtung. Tess klammerte sich zitternd an den Stuhl, welcher gemeinsam mit Tisch und Herd in den Sog geriet. Wehrlos unterwarfen sich Töpfe, Teller, Ameisen, der kleine Tannenbaum und das Grammophon der hungrigen Spirale.

Tess! Marley stürzte sich in die Flut ihrer Habseligkeiten. Sie erwischte die zappelnden kleinen Füsse und verlor den Boden unter ihren eigenen.

Alles drehte sich schwindelerregend. Tür und Fenster flogen auf, Wände stürzten ein, der Kamin krachte ins Zentrum des Strudels; unaufhaltsam, unheimlich.

Schneeflocken, Strassenlaternen, Trubel, Hektik, Freude und des Nachbars fauchende Katze wurden erfasst; hinein ins Licht.

Dann wurde es still.

© Verena Aurelle
Hinweis: Diese Geschichte können Sie auch gelesen in Folge 37 des Schreibzeug-Podcasts hören.

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7 Kommentare

  1. Toller Podcast, klasse Tipps und Infos. War bislang nicht so begeistert davon, eine Stunde lang einem Podcast zu lauschen, aber diese Weihnachtsgeschichten-Ausgabe hatte mich neugierig gemacht. Nun freue ich mich auf die nächsten, um hoffentlich noch viel zu lernen. Wie kann man nur glauben, es sei eine einzigartige Idee, Marley einen Hund sein zu lassen und das erst zum Schluss aufzuklären 🙂
    Frohe Weihnachten!

  2. Die Reihenfolge ist zufällig gewählt und stellt keine Platzierung da.
    Ich konnte mich kaum auf dem Stuhl halten, das Lachen hätte mich fast umgeworfen. Wenn Autoren eines Literaturcafes grottenschlecht in der Rechtschreibung sind, ist man zunächst versucht, den Newsletter abzubestellen.
    Aber ich sehe diese “Dastellung” nun mit Humor.

    • Sehr geehrter Herr Kayling,

      vielen Dank für diesen Hinweis. Wir sind hierfür immer sehr dankbar und haben das r gleich nachgetragen. Wir selbst ärgern uns über solche Fehler am meisten. Doch wir sind nur Menschen.

      Es macht uns jedoch etwas Angst um Sie und uns, dass Sie sich bereits aufgrund eines Fehlenden r “kaum auf dem Stuhl halten” können und das Lachen Sie fast umgeworfen hätte. Das halten wird für sehr bedenklich, denn ich möchte mir nicht vorstellen, was passiert, wenn uns ein weiterer Tipp- oder Rechtschreibfehler unterläuft – was ich nicht ausschließen, ja eigentlich bereits vorhersehen kann.

      Vielleicht ist es daher doch besser, Sie meiden Ihrer Gesundheit zuliebe das literaturcafe.de und bestellen den Newsletter ab. Sehr gerne würde ich Sie stattdessen an das rechtschreibcafe.de verweisen, aber diese Adresse gibt es leider (noch) nicht.

      Herzliche Grüße
      Wolfgang Tischer, literaturcafe.de

  3. Sorry, aber der Satz “Wo um alles in der Welt bekommen wir jetzt einen Esel her?” ist meiner Meinung nach am Ende der Geschichte perfekt platziert. Ein ganz wunderbarer letzter Satz!
    Ihn an den Anfang der Geschichte zu setzen, ist in meinen Augen eine völlig falsche Empfehlung.

    • Liebe Renate Blaes,
      ich habe auch gar nicht gesagt, dass der Satz falsch platziert gewesen ist, sondern, dass es (für mich) origineller gewesen wäre, eine Geschichte mit diesem Satz anzufangen. Dabei hätte es sich selbstverständlich um eine ganz neue Geschichte gehandelt. Da Sie – im Gegensatz zu mir – nicht den gesamten Text kennen, verstehen Sie meine Anmerkung vermutlich nicht. Aber der Autor der Geschichte hat sich bereits gemeldet und konnte damit durchaus etwas anfangen.
      Beste Grüße
      Diana Hillebrand

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