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Die Frankfurter Buchmesse 2020 findet nicht in Frankfurt statt – sondern digital

Viele Menschen in und vor den Hallen: Die Frankfurter Buchmesse vor Corona
Viele Menschen in und vor den Hallen: Die Frankfurter Buchmesse vor Corona

Man wollte es versuchen, doch nun ist klar: Es wird im Jahr 2020 auf dem Messegelände am Main keine Frankfurter Buchmesse gehen, das teilte die Messeleitung heute mit. Stattdessen verlegt man Rechtehandel und Veranstaltungen ins Digitale auf buchmesse.de. Nur ausgewählte Veranstaltungen werden im Stadtgebiet stattfinden. Aber war die Absage nicht schon im April absehbar? Warum hielt man bis jetzt an einer Präsenzmesse fest?

Die Frage nach der Absage hatte sich schon im April 2020 gestellt, nachdem aufgrund der Corona-Pandemie selbst das Münchner Oktoberfest längst abgesagt war. Es schien eher eine Haftungsfrage zu sein, dass die Messe von sich aus nicht absagen konnte. Nur eine behördliche Verfügung wie in Leipzig hätte die Lage geklärt und die Absage unvermeidbar und unumstößlich gemacht.

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vom 14. bis zum 18. Oktober 2020 gibt es im literaturcafe.de während der digitalen Frankfurter Buchmesse täglich spannende Vorträge. Klicken Sie hier, um alle fünf Themen anzusehen oder sehen Sie sich das Video an.

Frankfurt tat alles für die wichtigste verbliebene Messe

Doch dann im Mai 2020 die unglaubliche Nachricht: Die Frankfurter Buchmesse 2020 wird stattfinden. Zwar mit gesundheitsbedingten Maßnahmen, Auflagen und Einschränkungen, aber die Messehallen in Frankfurt sollten für Aussteller und Besucher geöffnet werden. Jedoch hätten nach der damaligen Lage nur 20.000 Besucher gleichzeitig auf dem Gelände sein dürfen. Sämtliche Veranstaltungen, von der Lesung bis zur Fachkonferenz, sollten parallel ausschließlich digital stattfinden.

Das Hygienekonzept, so betonte es die Messeleitung, sei mit der Stadt Frankfurt abgesprochen, und nachdem die Stadt mit der Internationalen Automobilausstellung (IAA) unlängst eine bedeutende Messe verloren hatte, entstand der Eindruck, dass die Stadt Frankfurt alles daran setze, mit der Internationalen Buchmesse zumindest noch eine Messe mit großer Medienpräsenz aufrecht zu erhalten, während andere Städte längst alles daran setzten, Großveranstaltungen aufgrund der gesundheitlichen Bedenken abzusagen. Doch Frankfurt stand hinter dem Konzept, und dann verkündete auch noch Monika Grütters, die Staatsministerin für Kultus und Medien, dass der Bund die besondere Buchmesse 2020 mit 4 Millionen Euro fördern würde.

Schon am Tag der Ankündigung, dass die Messe stattfinden wird, sagten alle großen Verlagskonzerne wie Penguin Random House, Bonnier und Holtzbrinck ihre Teilnahme ab. Große und wichtige Verlage wie S. Fischer, Kiepenheuer & Witsch, Penguin, Piper, Rowohlt oder Carlsen wären somit ohnehin nicht da gewesen. Klar war auch, dass im Herbst die internationalen Aussteller aus Amerika und Asien nicht nach Frankfurt würden reisen können. Das traf auch das Gastland Kanada, das kurz darauf seine physische Präsenz in Absprache mit den anderen kommenden Gastländern auf das Jahr 2021 verschob.

Margaret Atwood übernimmt: Kanada ist Buchmesse-Gastland 2020 1
Die kanadische Autorin Margaret Atwood am Buchmesse-Sonntag 2020 bei der Übergabe der GastRolle (Foto: Tischer)

Messedirektor Juergen Boos sprach von einer »Frankfurter Buchmesse spezial« und von einer »europäischen Messe« im Jahr 2020.

Es drohte eine Geistermesse

Hörte man sich in der Branche um, so war jeder zögerlich, was den Messebesuch betraf. Warum und für wen sollte man ausstellen? Wen sollte man vor Ort treffen, wenn die meisten keinen Besuch planten? Eine seltsame Geistermesse schien sich abzuzeichnen. Man konnte sich die Medienberichte bereits vorstellen mit Kameraschwenks über leere breite Gänge und Interviews mit unbekannten Kleinverlegern, die begründen, warum sie dennoch nach Frankfurt gekommen sind. Immerhin 750 Aussteller hatten sich angemeldet, viele jedoch unter dem Dach von Gemeinschaftsständen.

Doch diese Berichte und Kameraschwenks wird es nicht geben, denn am 8. September 2020 wurde die Messe vor Ort endgültig abgesagt. Leicht euphemistisch verpackte man dies in die Überschrift: »Frankfurter Buchmesse 2020 – Special Edition: im Netz und in der Stadt, aber ohne klassische Hallenausstellung«, um zu betonen, dass die Messe digital sehr wohl stattfinde.

Und nicht nur digital: 80 ausgewählte Literaturveranstaltungen, das sogenannte Bookfest, werden nach wie vor über das Stadtgebiet verteilt stattfinden, allerdings an kleineren Veranstaltungsorten mit wenig Publikum, sodass die Abstandsregeln eingehalten werden können. Auch eine große Buchgala in der Frankfurter Festhalle wird es am 16. Oktober 2020 geben, zu der Ahmad Mansour, Max Czollek, Bas Kast, Stefanie Sargnagel, Klaus Brinkbäumer, Susanne Fröhlich, Elke Heidenreich, Alexa Hennig von Lange, Richard David Precht und Jan Weiler erwartet werden. Digital zugeschaltet werden Jan Böhmermann und David Grossman. Statt rund 4.800 Menschen werden nur 450 in der Halle sitzen dürfen.

Buchmesseimpressionen 2019 von Barbara Fellgiebel: 22
Undenkbar im Jahr 2020: Die fast schon beängstigenden Menschenmassen vor der ARD-Bühne der Buchmesse 2019

In der Festhalle wird auch die ARD ihre Buchmessenbühne aufbauen und vom 14. bis 18. Oktober tagsüber Interviews mit Autorinnen und Autoren führen und per Stream senden. Das Gastland Kanada wird in diesem Jahr ebenfalls nur digital vertreten sein.

Es wird gestreamt und digital übertragen

Überhaupt wird viel gestreamt und digital übertragen werden, wobei man sich natürlich fragen muss, ob es mittlerweile nicht schon eine digitale Streammüdigkeit gibt, da fast alle genannten Autorinnen und Autoren schon bei einem Literaturfestival waren, die auch alle nur digital und per Stream stattfanden.

Der wichtigste wirtschaftliche Faktor der Frankfurter Buchmesse, der internationale Rechtehandel, wurde ohnehin bereits komplett auf eine digitale Plattform verlegt. Die Mittel des Bundes hätten für eine schnellere Umsetzung gesorgt, ja sorgen müssen, da internationale Teilnehmer nicht nach Frankfurt kommen können.

»Es wird keiner dem Buch entgehen können«

»Es wird keiner dem Buch entgehen können«, sagt Messedirektor Juergen Boos mit einem Schmunzeln über den Messezeitraum vom 14. bis zum 18. Oktober 2020, der für die Buchbranche medial eine wichtige Zeit ist, denn die Messe bringt das Medium Buch verstärkt ins Fernsehen, Radio und Internet. Der Werbe- und Marketingfaktor für das Medium Buch ist enorm.

Auch das ist 2020 undenkbar: Die Literaturgala zur Frankfurter Buchmesse 2019 im Kongresscenter
Auch das ist 2020 undenkbar: Die Literaturgala zur Frankfurter Buchmesse 2019 im Kongresscenter

Natürlich geht Messedirektor Boos davon aus, dass sich die Corona-Lage im kommenden Jahr entspannt und die Messe 2021 wieder in Frankfurt stattfinden kann. Das digitale Begleitprogramm wird jedoch weiterhin ein wichtiger Bestandteil bleiben. Die Publikumstage am Wochenende werden künftig noch mehr einen Festivalcharakter haben.

Warten wir also ab, wie sich die Frankfurter Buchmesse spezial 2020 von all den anderen digitalen Events abheben wird. Die Messe-Veranstaltungen sind sowohl für die (digitalen) Aussteller als auch für die (digitalen) Besucher kostenlos.

Was meinen Sie? Werden Sie die digitale Messe besuchen?

Wolfgang Tischer

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4 Kommentare

  1. Wir wollen es immer noch nicht wahrhaben: wir sind die Untertanen von CORONA.
    Alles, alles dem Virus . . . ! Wir haben „geurast“, hat man bei uns zu Hause gesagt im Sinne von alles etwas übertrieben. Und jetzt? …haben wir den Salat. Ich freu mich, daß ich geschützt und gemütlich digital von zu Hause aus die Buchmesse goutieren darf, ähnlich wie den Ingeborg-Bachmann-Preis in Klagenfurt. Das war eine tolle Sache.
    Danke im Voraus an alle Mitwirkenden
    MfG
    LL

  2. Irgendwie scheint es, als wäre es nur noch eine Frage der Zeit, bis solche „Alternativveranstaltungen“ zur Normalität werden. Immerhin werden ja schon vereinzelt Stimmen laut, auch nach Corona im öffentlichen Nahverkehr Masken zu tragen, um sich vor allen möglichen Viren und Bakterien zu schützen. Okay, dann liegt es doch nahe, alle Großveranstaltungen wie die Buchmesse oder Konzerte, also alles, wo sich Menschen bisher gefahrlos nahegekommen sind, sich unterhalten haben, zusammen gelacht und gefeiert, sich in den Armen gelegen haben, Bücher ausgetauscht haben, aus derselben Wasserflasche getrunken haben usw der Vergangenheit anheimzustellen und alles nur noch vorm Rechner zu erleben. Halt, nein, zu „goutieren“! Toll. Wow. Geschützt und gemütlich. Vor allem geschützt. Schützen ist das A und O. Menschliche Nähe? Zusammenkommen um zusammen zu erleben? Diskutieren, sich austauschen, von Angesicht zu Angesicht? Ein Buch anfassen, das eben noch jemand anderes in der Hand hatte, ohne sie anschließend in Sagrotan zu ertränken? (Also die Hand, nicht das Buch) Oh Gott, wo bleibt da der „Schutz“? Das ist eure neue Welt? Kinder, denen Bußgelder auferlegt werden, weil sie ohne Maske auf dem Schulhof rumlaufen, das ist eure erstrebenswerte neue Welt? Wisst ihr was? Behaltet und „goutiert“ eure langweiligen Rechner-Messen und Online-Konzerte und die ganze sonstige zerebrale Diarrhoe unter dem Deckmäntelchen von „Schutz“ und „Sicherheit“. Irgendwann geht ihr dann wieder raus vor die Tür in die gefährliche, virenverseuchte Welt und wundert euch, wenn ihr es verlernt habt, wie Menschen miteinander umzugehen. Und erschreckt nicht, wenn euch dann jemand anlächelt! Früher, vor langer Zeit, war das mal so üblich!

  3. Ja Uli spricht mir aus dem Herzen. Ich hatte die feste Absicht, auch und gerade in diesem Jahr meine BIBs (Barbaras Impressionen der Buchmesse) an dieser Stelle zu veröffentlichen….
    Jetzt gerate ich ins Wanken:
    Werde ich überhaupt reingelassen?
    Darf ich eine der 450 sein?
    Oder werde ich unerbittlich ins digitale Aus befördert?

  4. Nicht mitmachen lieber Uli und wenn ich mir das Leben so rundherum ansehe, dann benehmen sich die meisten menschen auch normal. Die Cafes sind voll, gerade jetzt findet eine Demo für die Aufnahme der Kinder aus dem Flüchtlingslager statt und die Buch-Wien hat, glaube ich, auch schon ihr Programm.
    Da gehe ich nicht hin weil ich keine maske tragen will, auf die Demo aber schon und wir werden oder sollten lernen mit diesen Virus zu leben und irgendwann werden das auch die Politiker da tun, da gibt es ja schon einen Virologen der gestern gerade das sagte!

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