Im sechsten Jahr vergibt Amazon den Storyteller Award. Ein Preis für Selfpublisher, die zunächst über die hauseigene Plattform KDP publizieren müssen. Während man sich im ersten Jahr der Preisvergabe noch um Außergewöhnliches oder Qualität bemühte, ist nun das nominiert, was die digitale Bestsellerliste des Konzerns dominiert: schlechte Fantasy, austauschbare Konfektionsthriller und Liebeskitsch. Malte Bremer hat sich die Shortlist dennoch angesehen und sogar einen Lichtblick entdeckt.
Wie in den Vorjahren sind wieder zwei mal drei Titel nominiert: die »normale« Romankategorie Kindle Storyteller und die Abteilung Storyteller X. Ursprünglich wollte man seit dem Jahre 2017 mit X besondere Titel auszeichnen, in diesem Jahr beruht der X-Faktor lediglich auf kürzeren Geschichten zwischen 4.000 und 14.000 Wörtern. Vielleicht hätte man die Rubrik also besser XS nennen sollen.
Die nominierten Texte hat wie immer Amazons Black Box, die allmächtige KI ausgeworfen. Kriterien: unklar. Welche beiden Texte schließlich gewinnen, muss nun eine Jury entscheiden. Lohnt es sich überhaupt, in diese Texte reinzuschauen? Noch während wir dies in der Redaktion diskutierten, war Textkritiker Malte Bremer schon über die Texte hergefallen und hat reingelesen. Erstaunlicherweise entdeckte er sogar einen preiswürdigen Titel. Immerhin. Lesen Sie hier Malte Bremers Eindrücke:
Die 3 nominierten Titel für den Storyteller Award
Greg Walters: Der Lehrling des Feldschers
Der breitschultrige Tagelöhner Michel findet es positiv, dass der Regen aufhört, während sie unter einem dunkler werdenden Spätherbsthimmel irgendwo durch die aufziehende Nacht wandern, während Wolff erst zufrieden ist, wenn sie ein sicheres Obdach gefunden haben. Und er blickt sich um, als ob er etwas sehen könnte und obwohl er weiß, dass sie den ganzen Tag nix als Stoppelfelder gesehen haben. Dann erinnern sie einander, und erzählen, was sie erlebt haben. Wozu das gut sein soll? Nun, ganz einfach: Wenn sie das erzählen, wird der Leser das lesen und das erfahren, was die beiden eh schon wissen. Das nennt man Zeilen schinden!
Dann passiert doch was: Ein langer roter Feuerschweif durchschneidet den Nachthimmel. Donnerwetter: ein roter Feuerschweif? Kein gelbgrün-gestreifter? Man fasst es nicht! Und angeblich sagen die alten Philosophen – also alle?, – dass noch niemand ungestraft einen Kometen erblickt habe. Ja: das gibt den beiden Tagelöhnern gehörig zu denken: Wer oder was straft sie denn jetzt?
Keine Bange: Der Erzähler greift noch mehr in das Geschehen ein und lässt aus dem Kometen (oder was immer das war) ein gar schröcklich Wesen erscheinen mit langen Armen, deren Hände auf dem Boden schleifen. Je nun: Von solchem Unfug lebt schließlich ausgemacht schlechte Fantasy!
Greg Walters: Der Lehrling des Feldschers (Die Feldscher Chroniken 1/3). Kindle Ausgabe. 2020. . 4,99 € » Herunterladen bei amazon.de Anzeige
Svenja Lasser: Seeluft macht Liebe
Dieser vorgebliche Liebesroman beginnt als Softporno: Ein leises Stöhnen entwich meinen Lippen, und ich ließ mich zurück ins Kissen senken, während Philipp sich die die Innenseite meines Oberschenkels hinauf küsste. Welcher war es denn? Der linke oder der rechte? Oder hatte sie nur einen? Ich bitte um mehr Genauigkeit! Sonst hat man/frau ja garnix davon!
Die Sie murmelt dann, dass sie zur Arbeit müsse, und bemüht sich, beim Murmeln nicht wohlig aufzuseufzen, sondern Philipp zuzuflüstern, dass 20 Minuten noch drin seien, und dabei spürt sie auf der Innenseite eines ihrer Beine, wie Philipps Lippen sich zu einem Lächeln verziehen.
Dann streiten die beiden noch eine Weile miteinander, weil ein Anruf stört: Ihr Vorgesetzter Herr Hoffmann braucht sie sofort.
Und nachdem uns noch mitgeteilt wurde, dass Philipp einen echt heißen Arsch hat, zu welchem Zweck er ein Fitness-Studio aufsucht, und wir uns die Frage stellen, was das denn jetzt bitte soll? Trägt sie Bilder von seinem heißen Arsch mit sich rum, um damit anzugeben? Nun: Es gibt bestimmt Menschen, die sowas mögen: Sonst würde sowas ja auch nicht geschrieben. Für mich ist das billiger Ramsch!
Svenja Lassen: Seeluft macht Liebe (Seeluft-Reihe). Kindle Ausgabe. 2020. . 2,99 € » Herunterladen bei amazon.de Anzeige
Daniela Arnold: Die Nacht gehört den Schatten
Zu Beginn der Deppen-Prolog: Da dreht sich eine Fenna vorsichtig auf die andere Seite, um einen Vilhelm nicht aufzuwecken. Dennoch stöhnt sie, als ihr ein reißender Schmerz vom Hinterkopf über den Rücken hinab bis zu ihren Fußsohlen schoss: Auf das Wort hinab kann getrost verzichtet werden ist doch allen Leser:innen bereits klar! Dann erinnert sie sich, wie der angetraute Vilhelm drohend über ihr stand, seine rechte Hand zur Faust geballt, und sie aus hasserfüllten Augen anstarrte. Und außerdem hatte der ihr vor zwei Tagen mit einem Faustschlag das Nasenbein gebrochen. Auch ihre gemeinsamen Kinder Ante und Anouk hatte er bereits fester als nötig geschlagen. Aha: Fenna hält also Schläge bei Kindern für nötig? Und dann folgen eine oder mehrere Rückblenden usw. Der ist so entsetzlich langweilig, dieser Deppen-Prolog!
Wie sieht es denn beim eigentlichen Anfang aus?
Ei Weia: Der Anfang gehört zu den fünf möglichst unbedingt zu vermeidenden: Das Aufwachen! Eine Runa wird von einem Morten auf die Stirn geküsst, weswegen sie erschreckt zusammenzuckt und aufwacht. Dann blinzelt sie verschlafen (ein ganz normales Blinzeln kommt hier nicht vor) und stellt fest, dass eine Caja noch mindestens eine Stunde friedlich schlummern würde. Und dann erinnert sie sich, dass sie lange endlos wach gelegen habe und gegrübelt habe und und und: Warum sollte ich das lesen?
Daniela Arnold: Die Nacht gehört den Schatten: Norwegen-Thriller. Kindle Ausgabe. 2020. . 3,99 € » Herunterladen bei amazon.de Anzeige
Die 3 nominierten Titel für den Storyteller X Award
Hier wird eine der folgenden drei kurzen Geschichten mit einer Länge von 4.000 bis maximal 14.000 Wörtern ausgezeichnet:
Yasmin Alinaghi: Unwert
Ein Amtsarzt hat das erste Wort: Er erklärt einem 13-jährigen Mädchen, dass Unfruchtbarmachung oft mit Kastration verwechselt würde! Von dem Mädchen wissen wir, dass sie dichtes blondes Haar hat, das sie zu zwei Zöpfen geflochten hat, und dass Käthe (so ihr Name) keine Bewegung auf dem Stuhl wagt, außer einem Blinzeln, und dass ihre Lippen bläulich wirkten, fast blutleer. Während der Amtsarzt weiter doziert, stellt sich heraus, dass Käthe all das bereits weiß und kennt, da sie mitbekommen hat, dass und warum ihr Onkel den jungen Ebern die Eier abknipst. Und dann erfahren wir vom »unwerten Leben« in der Nazi-Zeit und dass es wohl darum geht, Käthe unfruchtbar zu machen. Der Monolog des Amtsarztes ermüdet, und ich frage mich, wann es endlich losgeht mit der Geschichte. Ach ja: Der Vater hatte Käthe nach der zweiten Klasse nicht mehr zur Schule geschickt, denn sie sollte lieber heiraten, da brauche es keine Bildung.
Dann gibt sich die Verfasserin schrecklich viel Mühe, ihren Text durch den ausführlichen schriftlichen Bericht des Amtsarztes völlig unleserlich zu machen: Es reicht! Das hat nichts Preiswürdiges!
Yasmin Alinaghi: Unwert. Kindle Ausgabe. 2020. . 2,89 € » Herunterladen bei amazon.de Anzeige
Jost Van Heeren: Das Schweigen der Grillen
Im ersten Satzgefüge fehlen bereits zwei Kommas, und meine Stirn legt sich in Falten: Ob das wohl so weiter geht? Zunächst nicht, denn jetzt folgen vier Hauptwörter: Auf der Terrasse und den Stufen der Treppe zum Garten … Warum nicht einfach Treppenstufen? Dann erscheint ein Kind und trägt die verendenden Grillen eine nach der anderen mit dem Kehrblech hinunter in den Garten. Waren diese Grillen etwa so groß und schwer, dass das Kind sie nur einzeln auf dem Kehrblech in den Garten tragen konnte? Seine Aktion begründet das Kind, dass die Grillen das Gras brauchen zum Hüpfen und um sich auf die Schwingel zu setzen und setzen und Musik zu machen.
Dann folgt ein Bruch: Eine gewisse Luisa schreibt Bücher und liebt die Stille und ist selbst wie eine Grille, weil sie gelegentlich zirpt, und zusätzlich erfahre ich, dass der Ich-Erzähler seit acht Jahren verheiratet ist mit der Grille Luisa, und dann habe ich meinen Kindle wieder ausgeschaltet: So was Strunzlangweiliges!
Jost Van Heeren: Das Schweigen der Grillen. Kindle Ausgabe. 2020. . 0,98 € » Herunterladen bei amazon.de Anzeige
Benjamin Hanussek: Vom Werden durch Streiten: Eine tragische Komödie in 5 ½ Akten
Welch Überraschung: Hier gibt es keinen dieser bescheuerten Pseudo-Prologe (bescheuert deswegen, weil es eben gerade keine Vorworte sind, die sich an die Leser:innen wenden – was einen Prolog eigentlich muss –, sondern irgendwelche besonders gelungen sein sollende Textausschnitte als Appetithappen!) Benjamin Hanussek hingegen wendet sich in einem echten Prolog tatsächlich an die Leser:innen und macht sie darauf aufmerksam, was sie erwartet bzw. erwarten können und was dabei ihre Eigenleistung ist. Das geschieht wortreich, entschieden und eloquent. Nur dieses Werk hat den diesjährigen Kindle Storyteller X verdient, und ich werde mir dieses Buch jetzt sofort kaufen!
Benjamin Hanussek: Vom Werden durch Streiten: Eine tragische Komödie in 5½ Akten. Kindle Ausgabe. 2020. . 0,89 € » Herunterladen bei amazon.de Anzeige
Malte Bremer
Bislang hatte Amazon die Gewinner auf der Frankfurter Buchmesse bekannt gegeben. Doch da diese in diesem Jahr nicht wie gewohnt stattfindet, wird Amazon die Gewinner im Oktober online bekannt geben. Der Storyteller Award ist mit 10.000 Euro dotiert, der oder die Gewinner:in des Storyteller X erhält 5.000 Euro. Hinzu kommen »Marketing-Pakete« und Vertonungsangebote von Amazons Hörbuchunternehmen Audible.
Link ins Web:
Und eine Reaktion auf Twitter 🙂
Herrlich. Eins möchte glatt einen schlechten Roman verfassen , nur, um einmal so gekonnt verrissen zu werden. 🙂 https://t.co/gYDiDEy3RB
— KoWananga (Kián) (@MoorFrau) September 11, 2020
Mal eine Kritik in Ihrem Stil:
Wieder einmal poltert Herr Bremer ohne Gefühl für Sprache durch seine pseudolustigen Rezensionen. Weder bieten diese irgendeinen Einblick in die genannten Bücher, noch sind sie interessatn zu lesen.
In typischer Deppensprache klärt er den Leser darüber auf, was er zu mögen hat und was nicht. Als Schreihals auf dem Markt würde er sich sicherlich besser machen als als Rezensent.
Herr Bremer hat selbst nur ein Buch herausgebracht. Immerhin ein Durchschnitt von 3 Sternen und wirklich erfolgreich war es wohl auch nicht. Glückwunsch.
Wenn man Bücher nicht zumindest bis zur Mitte liest, sollte man nichts darüber sagen. Jede Amazon Rezension ist besser als das sebstgefällige Geschwafel dieses Herren. Es tut mir ja leid für Sie, wenn Sie selber so wenig auf die Reihe bekommen, dass sie sich so über mittelmäßige Werke aufregen müssen. Da wundert es nicht mehr, dass Literaturkritiker eben nicht ernstgenommen werden.
Ich habe ihre Rezension auch nicht zu Ende gelesen. So was strunzlangweiliges (was für eine schlechte Ausdrucksweise im Übrigen). Muss ich ja auch nicht, man kann ja auch so seinen Senf dazu geben.
Lieber Richard,
das haben Sie prima zusammengefasst! So geht es mir auch jedesmal mit diesem selbsternannten „Literaturkritiker“. Nicht ernst nehmen, seine „Artikel“ ignorieren ist das Beste, was man machen kann. Ich frage mich halt nach wie vor, was die Redaktion vom LC veranlasst, diesem Mann ein Podium zu geben.
Gruß
Uli
Textkritiker möchte ich sein: Da nehme ich die erste nicht über jeden Zweifel erhabene Formulierung als Ausrede, mich nicht weiter mit dem Werk beschäftigen zu müssen. Und falls ich nach einem Absatz noch keine gefunden habe, ziehe ich mich eben auf meine eigene, vom Rest der Menschheit keinesfalls geteilte Definition zurück, was ein Prolog zu sein hat, und verweigere deshalb die Arbeit. Bezahlt werde ich ja anscheinend trotzdem.
[…] erhaben sind, oder? Weit gefehlt! Malte Bremer vom Literaturcafé kommt in seiner Betrachtung der Preisträger des Kindle Storyteller Award 2020 zu einem wenig schmeichelhaften […]