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Kommentar: Plagiatsvorwürfe gegen Martina Gerckes »Holunderküsschen«

Martina Gercke liest aus »Holunderküsschen«Die deutsche Selfpublisher-Szene scheint ihren Skandal zu haben, der obendrein noch alle Vorurteile über Selbstverleger zu bestätigen scheint.

Martina Gercke soll sich für ihren Bestseller »Holunderküsschen« bei mehreren anderen Büchern bedient haben, so lautet der Vorwurf. Die Beweislage scheint erdrückend. Buchmarkt stellt Textstellen aus Gerckes Roman Ausschnitten aus Sophie Kinsellas »Sag’s nicht weiter, Liebling« (Goldmann Verlag) gegenüber.

»Was meinst du dazu?«, werde ich aktuell gefragt, nachdem ich im Sommer mit Martina Gercke über ihren Erfolg gesprochen habe. Aber was soll man sagen?

Lieferstopp und Löschung des Buches

Martina Gerckes zweiter Roman »Champagnerküsschen«, der an den Verkaufserfolg ihres ersten Werken anzuknüpfen schien, ist derzeit bei Amazon gelöscht. Es gibt ihn weder gedruckt noch als E-Book zu kaufen. Die »Holunderküsschen« sind nur gebraucht zu bekommen. Man erhält das Buch derzeit weder in Papierform beim mvg Verlag noch bei Amazon als E-Book. Laut Buchmarkt verhängte der mvg Verlag gleich nach Bekanntwerden der Vorwürfe einen Lieferstopp.

Lieferstopp für HolunderküsschenDer mvg Verlag hatte das Buch erst in gedruckter Form in sein Programm aufgenommen, nachdem es als E-Book ein großer Erfolg bei Amazon war, wo Martina Gercke es – nach mehreren Verlagsabsagen – selbst veröffentlicht hatte. In einer Pressemeldung zur Jahresmitte verkündete Amazon, dass es das erfolgreichste E-Book im ersten Halbjahr 2012 gewesen sei und lud Gercke sowohl zu einer Presseveranstaltung nach München als auch zur Buchmesse nach Frankfurt ein, wo die Selfmade-Autorin in öffentlichen Vorträgen über ihren Erfolg berichtete.

Bei der Veranstaltung in München habe ich mit Martina Gercke gesprochen und ein Interview geführt und sie gefragt, wie es zu diesem Erfolg kam und wie sie ihn sich selbst erklärt. Zum Inhalt des Buches vermag ich nichts zu sagen. Weder davor noch danach habe ich ihr Buch gelesen. Es sind nicht die Bücher, die ich freiwillig lese.

Dass Martina Gercke abgekupfert haben soll, scheint mir nach wie vor unvorstellbar. Ich habe eine nette, offene und kluge Gesprächspartnerin erlebt, die selbst nach wie vor vom eigenen Erfolg überrascht zu sein schien. Ganz offen hat sie gestanden, dass sie negative Kritik sehr heftig trifft.

Das wird nicht lustig

Es steht mir nicht zu, darüber zu urteilen oder Mutmaßungen anzustellen, ob die Vorwürfe nun berechtigt sind. Ich lese das Interview auf Buchmarkt mit dem Justitiar der »Gegenpartei«, mit Rainer Dresen von Random-Hause (also Bertelsmann, zu dem Goldmann gehört). Er spricht von Schadensersatz und verlangt von Martina Gercke und mvg die Offenlegung aller Erlöse.

Das wird nicht lustig, denn wenn sich die Sache nur im Ansatz bewahrheiten würde, dann wird sicherlich wiederum auch mvg Schadenersatz von Martina Gercke verlangen. Das wird gar nicht lustig.

Denn dann gibt es noch die vorverurteilende »Hexenjagd« im Netz, die nun begonnen und erschreckende Züge angenommen hat. Nachdem anfänglich nur auf die Ähnlichkeiten hingewiesen wurde und eine Leserin Belegstellen zitierte und Martina Gercke zunächst recht ungeschickt eine zugegebenermaßen unglaubwürdige Stellungsnahme abgegeben hat (»anscheinend hat sich in diesem Fall etwas unbewusst mit in meine Arbeit eingeschlichen«), wird nun – wie im Netz leider allzu oft üblich – überwiegend unter die Gürtellinie geschossen. Im Amazon-Forum beschimpfen die »Leser« nicht nur die Autorin, sondern sich mittlerweile auch gegenseitig. Die Selfpublisher-Szene ist nicht selten wie ein neiderfülltes Rudel Wölfe, und man kann sich vorstellen, dass manche Konkurrentin und mancher Konkurrent nun über die erfolgreiche Autorin herfällt.

Ich habe versucht, Martina Gercke zu kontaktieren, doch ihr E-Mail-Postfach ist voll. Was dort alles an Mails lagert, mag ich mir gar nicht vorstellen.

So dreist, naiv oder dumm kann doch niemand sein, dass man sich als Erfolgsautorin feiern lässt, wo doch heutzutage Plagiate leicht aufzudecken sind und nicht nur der Fall Guttenberg zeigt, wie rasch die Menschen via Internet die Mosaiksteine zusammensetzen?

Nein, ich kann es nachwievor nicht glauben und niemand hat solch ein digitales Strafgericht verdient – egal ob schuldig oder nicht. Denn Martina Gercke trat nicht unter Pseudonym auf und sie kann sich auch jetzt nicht verstecken. Sowas macht doch niemand freiwillig, denn es geht um die Ehre und ums Geld.

Kein Beleg für Vorurteile

Unabhängig davon, ob die Vorwürfe nun stimmen oder nicht, scheint die Diskussion leider die Vorurteile zu belegen, die viele gegen die hegen, » die da ihre Texte selbst bei Amazon hochladen«. Alles nur geklaut und zusammenkopiert, um das schnelle Geld zu verdienen?

Justiziar Dresen meint im Buchmarkt-Interview: »Vielleicht hat die Urheberrechtsdiskussion der letzten Monate da für Verwirrung gesorgt und das Gefühl aufkommen lassen, dass nun alles erlaubt sei.«

Ich hoffe, er meint es ironisch, denn ansonsten halte ich solche Aussagen für absoluten Quatsch. Und dennoch wird man sie nun wieder des Öfteren völlig Ernst gemeint hören.

Wenn dieser ganze »Skandal« zu einer Sache gut ist, dann hoffentlich zur Sensibilisierung einiger Autoren für das Thema und nicht um die unsägliche Urheberrechtsdebatte wieder aufflammen zu lassen.

Denn wenn es in der jüngsten Vergangenheit Fälle von »Abschreiben« gab, dann lief es eher anders herum, und Verlagsautoren bedienten sich bei Wikipedia oder gar bei urheberrechtlich geschützten Blogger-Texten, was man in den Feuilletons eher weniger schlimm findet.

Wolfgang Tischer

Nachtrag vom 4. Januar 2013:
Einigung mit Goldmann Verlag erzielt – Stillschweigen über Konditionen

Wer denkt, dass es in der Sache kaum noch schlimmer kommen konnte: es kam noch schlimmer. Aus unserem Jahresrückblick:

Während in der Selfpublishing Szene eine Welle der Bestürzung, Verwunderung, Empörung und des Hasses durch Facebook, die Blogs und Foren brandet, bleibt auch die Autorin verschwunden. Selbst der Bild-Zeitung verweigert Martina Gercke eine Stellungnahme. Nur die Juristen scheinen zu arbeiten.

Doch dann – just zwei Tage vor Weihnachten – ein Lebenszeichen. In einem Video auf ihrer Website verkündet die Autorin, dass sich die Juristen geeinigten hätten. Die kopierten Textstellen seien in einer schwierigen Phase des Schaffensprozesses lediglich Platzhalter gewesen, die sie zu entfernen vergessen habe. Bei Random-House weiß man nichts von juristischen Einigungen. Der vermeintliche Selfpublishing-Star 2012 hat sich endgültig lächerlich gemacht. Das Video wird nach Weihnachten gelöscht und auch nicht durch einen Platzhalter ersetzt.

Am 4. Januar 2013 dann die Meldung, dass nun endlich doch eine Einigung zwischen Martina Gercke und dem Goldmann Verlag erzielt wurde. Beide Parteien haben jedoch Stillschweigen über die Konditionen vereinbart. Der Buchmarkt mutmaßt in einer Meldung, »dass Frau Gercke einen großen Teil ihrer nicht unbeträchtlichen Einnahmen aus E-Book-Bestseller- und Printvertrieb an den Verlag weiterreichen muss, der sie dann wie Lizenzerlöse unter den Berechtigten aufteilt.«

Von weiteren möglichen Forderungen ihres Printverlages mvg ist zudem die Rede, der die gedruckten Bücher einstampfen muss.

Grundsätzlich hätte der Goldmann Verlag zivil- und strafrechtlich gegen die Autorin vorgehen können. So wäre Strafanzeige möglich gewesen, bei der bis zu 3 Jahre Haft drohen.

§ 106 UrhG: Unerlaubte Verwertung urheberrechtlich geschützter Werke
(1) Wer in anderen als den gesetzlich zugelassenen Fällen ohne Einwilligung des Berechtigten ein Werk oder eine Bearbeitung oder Umgestaltung eines Werkes vervielfältigt, verbreitet oder öffentlich wiedergibt, wird mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder mit Geldstrafe bestraft.

Zu den Gründen für den Verzicht zitiert der Buchmarkt Random-House-Justitiar Rainer Dresen:

»Nach reiflicher Überlegung haben wir uns dagegen entschieden. Durch die öffentliche Debatte des Falles und ihrer eher unglücklichen Platzhalter-Erklärung ist Frau Gercke meines Erachtens bereits gestraft genug. Vor allem aber ist die self-publisher-community, auch wenn ich nicht glaube, dass dies bei der großen Mehrheit überhaupt nötig war, noch stärker als zuvor sensibilisiert für die beim Schreiben zu beachtenden Rechte Dritter und Gefahren durch unbedachte Übernahmen. Damit sollte es nun sein Bewenden haben.«

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48 Kommentare

  1. Zu den Vorwürfen selbst kann ich wie der Autor auch nichts sagen, ich lese solche Bücher auch nicht. Da mir aber diese Literaturvariante sehr monothematisch vorkommt, bleibt das Plagiieren wohl nicht aus, sieht man ja schon bei den Titeln, Wanderhure => Hebamme => Chirurg etc.
    Was früher in der Groschenliteratur stand, wird nun eben selbstverlegt, und ich glaube in den Groschenheften sind auch viele viele Plagiate zu finden, so viele Förster und Assistenzärzte kann es ja gar nicht geben.

    Diese hässliche Ankeiferei findet sich leider in allen Bereichen, in denen plötzlich Laien zu Hauptakteuen werden, bei den Piraten wie nun auch bei Selbstverlegern und anderswo wo ungehemmt geblubbert werden kann (FB, Googke+ etc.)

    Für mich ein Zeichen für eine unerwachsene Gesellschaft, sehr unschön. Verurteilen ist anscheinend leichter als nachdenken oder überlegen.

  2. Lieber Wolfgang, danke für den sehr fairen und informativen Bericht. Du hast Recht: Ich möchte mir wirklich nicht vorstellen, was der Autorin jetzt an Schadensersatzforderungen blüht. Da kann man nur hoffen, dass sie eine gute Rechtsschutzversicherung hat. Mit ihrem Namen wird sie jedenfalls wohl kein Buch mehr irgendwo veröffentlichen können.

  3. Das kann immer passieren, egal ob das Buch selbst verlegt wird oder über einen Verlag in den Handel kommt. Dabei spielt lediglich die Moral der Autoren eine Rolle. Es ist eigentlich naiv zu glauben, in der heutigen Welt würde ein Plagiat nicht auffallen. Insbesondere wenn die Texte in dem gleichen Marktsegment veröffentlicht werden und die gleichen Leser ansprechen. Trotzdem sollte man nicht leichtfertig urteilen. In der heutigen Zeit wird auch viel unterstellt!

  4. Liebes Literaturcafe,
    Hexenjagt? Erschreckende züge?
    -> Bislang sind doch alle eher entrüstet darüber, dass sie soetwas getan hat, sich feiern ließ, immer freundlich war, strahlte. Von so einer sympatischen Frau erwartet man es nunmal nicht, dass sie scheinbar so kalt und berechnend ist und sich diverser (!) (es gibt ja noch Massig mehr Textstellen und Handlungsstränge die sich deutlich Ähneln, sowie Prominente, die stark in den Büchern verunglimpft werden) anderer Bücher bedient. Bislang wurde nur die Sache an sich angegriffen, aber mir ist niemand aufgefallen, der die Autorin persönlich angreift, weder mit Beleidigungen, oder über ihr Äußeres. Es wurde immer nur über die Sache an sich gesprochen.
    Ich kenne auch keinen “Indi Autor” der sie nicht mochte, jeder gönnte ihr den Erfolg. Aktuell regen sich nur (zurecht) die Autoren auf, die auf Amazon veröffentlichen, da ihr Ruf mit in Mitleidenschaft gezogen wird (aktuell scheint es noch einen anderen Fall zu gebeben, bei einem Thriller, wo ebenfalls deutliche Textstellen gefunden wurden).

    Es mag sicher ein paar Wölfe geben, die froh sind, wenn die Top100 weg sind, um selbst weiter nach vorne zu breschen, aber die Restlichen 99% helfen sich gegenseitig, unterstützen sich und freuen sich für jeden, der kleine und große Erfolge erzielen kann.

  5. Lieber Herr Tischer, gerne schicke ich Ihnen die Liste der Übereinstimmungen. Interessiert? Dann dürften auch Sie Schwierigkeiten haben, es weiterhin für “unvorstellbar” zu halten, dass hier abgekupfert wurde. Denn eine andere Erklärung dafür ist bisher niemandem eingefallen, der das Ausmaß der Übereinstimmungen alleine auf den ersten hundert Seiten der beiden Bücher gesehen hat.
    Aber das konnten Sie ja nicht wissen, als Sie Ihr schönes Interview mit der Autorin führten, da Sie nach eigenen Worten zu dessen Vorbereitung das Buch gar nicht erst gelesen haben und “solche” Bücher generell nicht lesen, sondern offenbar nur im Erfolgsfalle darüber berichten. Hinweis: Das meine ich ebenso ironisch wie meine Bemerkung im BuchMarkt-Interview, dass es mich nicht wundern würde, wenn die Urheberrechtsdebatte der letzten Monate nicht nur bei namhaften Journalisten, sondern eben auch bei Lesern und potentiellen Autoren das Gefühl dafür, was man rechtlich darf und was nicht, beeinträchtigt hat. Das dürfen Sie gerne weiterhin “Quatsch” nennen, aber dann sollten Sie vielleicht zuvor in einem weiteren Interview mit Frau Gercke herausfinden, was sonst außer einem diffusen Gefühl “das wird man doch dürfen” sie veranlasst hat, sich mit fremden Federn zu schmücken.
    Wie gesagt, ich schicke Ihnen auf Wunsch die Liste der Übereinstimmungen zu, die können Sie gerne veröffentlichen.
    Ich bin jetzt schon gespannt auf Ihre Deutung und auf Ihren Kommentar! Mit den besten Grüßen, Rainer Dresen

  6. Ich habe beides gelesen … die Textstellen von Herrn Dresen und den Kommentar von Wolfgang Tischer. Wenn jemand so offenkundig selbst Satzformulierungen übernimmt, dann kann das kein Zufall sein. Andererseits ist hier jemand auf einem unkonventionellen Weg zum Erfolg gekommen, das ruft natürlich auch Neider auf den Plan. Nein, ich lese “solche” Bücher grundsätzlich auch nicht (manchmal mache ich aus Neugier eine Ausnahme :)), aber es gibt viele Menschen, die solche Geschichten mögen, und sie haben alles Recht dazu.

    Was nur zu gern unterschlagen wird: Nicht nur Selfpublisher veröffentlichen so was, sondern auch jede Menge Verlage, und über die inhaltliche wie sprachliche Qualität lässt sich hier wie dort trefflich streiten!
    Jetzt aber so zu tun, als würde die Veröffentlichung über einen Verlag per se für sprachliche Qualität und “Originalität” bürgen, finde ich einfach nur daneben. Das Beispiel Hegemann wurde ja bereits andernorts genannt, und es war mitnichten so, dass dieses Buch dann – wie es jetzt bei amazon und mvg mit den Werken von Frau Gercke geschah – sofort vom Markt genommen wurde.
    Nein, zur Moraldebatte taugt das Beispiel Gercke nicht! Und auch nicht, um Ressentiments gegen eine Entwicklung zu schüren, die viele in der Branche (aus welchen Gründen auch immer) nicht mögen.

    Und was Interviews mit Autoren angeht, deren Bücher man überhaupt nicht gelesen hat – aber Hallo! Über einen meiner Romane hat man sogar einen Kurzfilm gedreht, ohne dass der Verantwortliche das Buch vorher auch nur ansatzweise gelesen hätte. Gefallen hat mir das nicht, denn irgendwo ist man ja auch Leser, der vernünftig informiert werden will. Über die Werbung war ich trotzdem froh, und die Pressestelle im Verlag natürlich auch.

    Allerdings ging es in Wolfgang Tischers Interview (anders als damals bei mir) nicht um den Inhalt des Buches und damit eine Leseempfehlung, sondern um den ungewöhnlichen Werdegang und Erfolg einer Autorin. Ich habe das Interview mit Frau Gercke im Sommer hier im Literaturcafé mit großem Interesse gelesen und trotzdem nicht den Gedanken gehabt, dass ich dieses Buch jetzt unbedingt lesen müsste.

    Fazit: Wie immer und überall kommt es auf die Intention an. Und die sollte man – gerade bei den ganz besonders Empörten – doch ab und an mal kritisch hinterfragen.

    Nikola Hahn

  7. @Herr Dresen,
    dass man keine Textpassagen aus anderen Büchern kopieren und als eigene schöpferische Leistung ausgeben darf, weiß man auch unter Indi-Autoren. Da kann die Urheberrechtsdiskussion den Horizont hoch und runter besprochen werden, so etwas weiß man. Ihr Kommentar diesbezüglich kann ironisch gemeint sein, bei mir (als Indi-Autorin) kommt an: ihr Indies nehmt es wohl nicht so ernst, mit dem Urheberrecht. Doch. Das tun die Meisten, die sich ernsthaft mit ihrer Geschichte auseinandergesetzt haben. Den Artikel von Hr. Tischer habe ich eher so verstanden, dass er ebenso überrascht und betroffen ist, wie viele, die den Aufstieg und den Fall von Frau Gercke beobachten.
    Freundliche Adventsgrüße, Sia Wolf

  8. Das Thema Plagiat ist eines, was mich sehr interessiert und ich auch schon einige Beispiele mitverfolgen konnte. So war ich einmal in einer Schreibwerkstatt und lernte dort ein Ehepaar kennen, das sehr gut geschrieben hat und die Gruppe sehr beeindruckte, daß sie Texte in der in Wien sehr bekannten Obdachlosenzeitung “Augustin” hatten. Normalerweise lese ich die Schreibwerkstattbeiträge dort nicht, weil mich die Texte der älteren Dame aber interessierten, habe ich es gemacht, bald gedacht, das kenne ich doch schon, das hat sich dann noch zwei bis dreimal wiederholt, bis ich aufs Ende hingeschaut habe und wußte, das ist ein Text, der einmal den Max Grün Preis der Arbeiterkammer gewonnen hat und in der Literaturzeitschrift “Wesepennest” abgedruckt ist. Ich habe mir das Heft geholt und gesehen, es war Wort für Wort abgeschreiben, nur einmal war das Wort Schnitzel durch Fleischleibchen ersetzt und interessant im Originaltext waren die Protagonisten ein Wiener Arbeiter der entsprechenden Slang redete und eine serbische Gastarbeiterin, die das Tschuschn Deutsch hatte, die Nachahmung hatte zwei Türken zu den Helden gemacht und sie redeten auch Prolo und Tschuschn Deutsch. Ich habe die entsprechende Dame darauf angesprochen und ihr die Literaturzeitschrift gezeigt, sie hat gemeint, sie würde mich nicht verstehen und ihr Mann hat mich das nächste Mal sehr beschimpft, weil ich meine Entdeckung auch dem Augustin meldete. Da habe ich nicht verstanden, wie man einen Text Wort für Wort abschreiben kann, denn das ist dann ja sofort zu beweisen, wenn man nur die Idee nimmt und die dann abwandelt ist das viel schwerer und das tun wir alle irgendwie, weil ja alles auch schon geschrieben wurde. Mich hat das Erstaunen der Schreiberin gewundert, die so reagierte, als würde sie überhaupt nicht verstehen, was ich habe und warum ich sie darauf anspreche?
    Und was den aktuellen Fall betriff, denke ich die Kirche im Dorf lassen, warum das bei Frau Gehrke passiert ist, wisssen wir, weiß ich nicht, aber ich denke, der Erfolgsdruck stellt oft hohe Anforderungen. Zeitgleich mit der Hegemann Geschichte, die ja. glaube ich. kein eindeutiges Plagiat war, gabs einen Krimi von Jens Lindner, der sich sehr an einen von Janet Evanovich orientierte, so daß ihn der Verlag vom Markt genommen hat, da argumentierte der Autor mit Zeitdruck und Überlastung und das habe ich auch bei einem niederösterreichischen Autor vor zwanzig Jahren, der inzwischen sehr erfolgreich Romane und historische Enthüllungen schreibt, erlebt. Die Kirche im Dorf lassen, denke ich, daß es sehr schwer ist mit Selbstgemachten an die Öffentlichkeit zu treten, erlebe ich seit etwa fünf zehnn Jahren und man kann ja auch jetzt sehr schön sehen, wie sich alle auf die sogenannten Selbpuplisher stürzen, also Achtung, nicht alle von ihnen schreiben ab, nicht alle von ihnen können nichts und was mich an der Geschichte schon im Sommer gewundert hat, ist die Frage, warum ist ein Buch dann erst gut, wenn es auf Platz eins der Amazon Bestsellerliste steht? Schade, daß es das Buch nicht mehr gibt, denn jetzt würde ich es sehr gerne lesen, man kann es ja auch mit den Originalen vergleichen, vielleicht kommt es einmal gebraucht zu mir und ansonsten würde ich wieder zu mehr Toleranz und Interesse auch über den Tellerrand hinauszuschauen und sich auch für das jenseits des sogenannten Mainstreams zu interessieren, aufrufen!

  9. interessant. ich finde, wenn man ein Interview macht, sollte man sich nicht nur mit der Biografie der/des Autoren beschäftigen, sondern das Buch auch gelesen haben. Effekthascherei. Genauso, wie dieser vorgekaute Beitrag, damit wieder auf den anderen verlinkt werden kann.

  10. Wenn sich die Vorwürfe bestätigen, dann ist das etwas, worauf die traditionelle Verlagsindustrie nur gewartet hat. Man kann es ihnen nicht verübeln.
    Wenn Sie es wirklich absichtlich gemacht hat, ist das einfach nur unglaublich. Bei einem Bestseller abschreiben und die Leser freuen sich, dass sie die gleiche Geschichte noch mal erzählt bekommen … nur eben mit deutschem Hintergrund.

    Filmreif!

  11. Liebe(r) XM:
    Die “traditionelle Verlagsindustrie” hat doch nichts gegen die Self-Publisher. Im Gegenteil: Random House verdankt ihnen seinen weltweiten Jahresbestseller “Shades of Grey”. Auch der mvgverlag war meines Erachtens ziemlich clever, den Erfolg von Martina Gercke genau beobachtet und schnell reagiert zu haben, indem man dort beschloss, ihren Text als Taschenbuch zu veröffentlichen.
    Wenn sich dabei alle an die Regeln halten, ist Self-Publishung also eine prima Ergänzung zum klassischen Verlagsgeschäft. 99,9 % der Self Publisher kennen die Regeln vermutlich sehr genau. Wenn der Fall Gercke aber die restlichen 0,1 Prozent zum Umdenken bringt, haben alle was von diesem Fall, Frau Gercke selbst vielleicht einmal ausgenommen.
    Mit den besten Grüßen, Rainer Dresen

  12. Habe soeben das Dokument erhalten.
    Ich bin wirklich sprachlos. 3 Seiten und das nur von den ersten 100 Buchseiten. Teilweise Wort für Wort, nur die Namen ausgetauscht. Also wer nach dem durchlesen dieser eindeutigen Seiten noch immer der Meinung ist, sie habe nicht abgeschrieben, dem ist nicht mehr zu helfen.

    Vielen Dank Herr Dresen!
    Ich bin gespannt, ob sich das Literaturcafe traut, diese Zeilen zu veröffentlichen, danach dürfte jeder Zweifler überzeugt sein.

  13. Interessant wäre für mich, warum denn eine unabhängige Autorin, die sich selbst vermarktet, einen solchen Erfolg hat, während die andere Autorin, die einen Verlag im Rücken hat, trotz der vielen Übereinstimmungen nicht den gleichen Erfolg erzielt. Ist Frau Gercke vielleicht deshalb erfolgreich, weil ihr Roman etwas hat, was der plagierte Roman von Frau Kinsella nicht hat? Und ist es nicht billig, wenn Goldmann jetzt über eine Klage am Erfolg der Anderen mitverdienen will? Es kann ja durchaus sein, daß der “montierte” Roman dem Leser mehr bietet als die Romane, die Bausteine geliefert haben, daß es auf die plagierten Stellen im Einzelnen also gar nicht ankommt, sondern auf das, was daraus gemacht wurde.
    Ich hätte es allerding fair gefunden, wenn in einem Anhang auf die zitierten Quellen hingewiesen worden wäre. Und noch besser, wenn die anderen Autoren vorher um Erlaubnis gebeten worden wären.

    George

  14. @ George McGregor:
    Sophie Kinsella ist eine der erfolgreichsten britischen Chick-Lit-Autorinnen der letzten Jahre weltweit. “Sag’s nicht weiter, Liebling” ist auf Deutsch 2004 erschienen, wurde mehrfach nachgedruckt. Der Goldmann Verlag hat es finanziell gesehen nicht nötig an Frau Gerckes Werk mitzuverdienen, denn Sophie Kinsella ist eine umsatzbringende Autorin.

    Frau Gercke hat übrigens nicht nur ähnliche Textpassagen verwendet, sondern auch die Grundhandlungsstränge von Sophie Kinsellas Buch übernommen.

    Da für das zweite Buch ein anderer Chick-Lit-Roman “Vorlage” wurde, kommt mir der Verdacht auf, dass Frau Gercke nicht schreiben kann. Sie braucht stets einen anderen Roman, um sich daran halten zu können und ihr eigenes Manuskript zu füllen.

  15. Ob mal irgendjemand meine Ebooks kaufen würde, wenn ich mich als jemand anderes ausgeben würde, und behauptete, ich hätte von mir abgeschrieben? Oder wenn mich Tony Clifton niedermachen würde?

    Zitat: \”Ich hätte es allerding fair gefunden, wenn in einem Anhang auf die zitierten Quellen hingewiesen worden wäre. Und noch besser, wenn die anderen Autoren vorher um Erlaubnis gebeten worden wären.\”

    Tja, ich glaube nicht, dass sowas im Vorfeld jemals passiert, wenn man wirklich die Absicht hat, zu betrügen.

  16. Nachdem ich ganz kurz bei Amazon den Textstellenvergleich gelesen habe (das mit den Boxershorts), so finde ich, dass die Frau zumindest ein wenig Talent hat. Mag es fürs Redigieren/Überarbeiten/Lektorieren sein, keine Ahnung, aber der plagiierte Text liest sich für mich flüssig, der originale holprig.

  17. @ 20: Katarina:

    “Frau Gercke hat übrigens nicht nur ähnliche Textpassagen verwendet, sondern auch die Grundhandlungsstränge von Sophie Kinsellas Buch übernommen. ”

    Hier werden die Vorwürfe allerdings tatsächlich absurd… Man kann das Rad nicht neu erfinden. Der Vorwurf, eine Handlung sei bewusst geklaut, ist im Grunde genommen niemals haltbar. Ich bezweifle, dass Bücher dieses Genres derart individuell sein können, ohne die Genreregeln zu verletzen (und sich dadurch bei Leser_innen unbeliebt zu machen); insofern sollte man bei allen begründeten (wenn begründbaren) Anschuldigungen doch auch bei genau jenen bleiben und nicht noch immer weiter ausholen wollen.

    Grundhandlungsstränge werden sich im Mainstream immer gleichen – egal ob Liebesroman, Thriller oder Krimi. Gerade *deshalb* werden diese Bücher gelesen! 🙂

  18. @Katarina:

    Natürlich sind Handlungsstränge gekoppelt an das Genre. Genauso wie es im Krimi eine kriminelle Handlung gibt, gibt es im Liebesroman eine Konstellation, die eine Paarbildung erwartet.
    Aber nicht jeder Roman eines Genres spielt in der gleichen oder ähnlichen Umgebungssituation. Und in diesem Fall hier muss man einfach zur Kenntnis nehmen, dass der eine Roman im (Nacht) Zug spielt, während der andere im Flugzeug spielt. Das macht für die grundsätzliche Szenenkomposition nicht sehr viel Unterschied. Man handelt (beide betrunken) auf engstem Raum! Mir ist das, in Kombination mit den gleichen Formulierungen, etwas zu sehr ähnlich, um nur auf Zufälligkeiten oder Genre-üblichen Handlungen zu verweisen, auch wenn ich mir nach wie vor mit diesem Fall hier schwer tue.
    Herzliche Grüße, Sia

  19. Richtig Sia. Es ist einfach ZU ähnlich. Wenn es NUR ein ähnlicher Handlungsstrang gewesen wäre, hätte sicher niemand Verdacht geschöpft, auch wenn die Ähnlichkeiten kaum zu übersehen sind.
    Frau betrinkt sich vor der Reise, steigt betrunken ein, blamiert sich, erzählt Mann all ihre Peinlichkeiten, dann ist der Mann verschwunden und ist zufällig ihr neuer Cheff + Katz und Mausspiel beginnt.
    Na, von welchem Buch habe ich gesprochen? Darf ja jeder mal gerne raten.
    Das gepaart mit den gleichen Sätzen, die sogar auf ähnlichen Seitenzahlen zu finden sind bedeutet doch gleich Doppelt, dass man hier versucht hat, das Buch umzuschreiben. Ich kann mich nur wundern, dass es scheinbar immer noch Menschen gibt, die sich auf die Seite der Plagiatorin schlagen.

  20. Ich denke trotzdem, daß es eher ein psychologisches Problem ist und kann mir den Hergang auch gut vorstellen. Man versucht zu schreiben und orientiert sich an den Vorbildern, was wahrscheinlich einfallen kann, wenn man nicht sehr viele Schreibkurse besucht und Schreibratgeber liest, dann hat man auf einmal Erfolg und der Druck verstärkt sich noch. Da gut auszusteigen, ist wahrscheinlich sehr schwer. Die Idee, daß die Amazon Leser auf die Ähnlichkeiten aufmerksam machen und die Autorin ändert das dann Stück für Stück, bei den E-Books kann man das ja, ist eine, die mir gut gefällt. Man kann das Buch ja durch einen Plagiatsfinder, wenn es so was gibt, schicken und dann Stück für Stück darauf hinweisen. Wär interessant, was dann entsteht? Die Idee mit den Rechtsanwälten, die jetzt ihr Geschäft machen, gefällt mir dagegen weniger. Und die Frau Kinsella ist ja eine, die auf jeden Fall gewinnt, ihr Buch wird dadurch ja noch bekannter und vor Beschimpfungen würde ich mich hüten, der Literaturbetrieb ist ein harter Job und der Leser hat es ja in der Hand, ob er das Buch liest oder nicht, das jetzt ja ohnehin nicht mehr zu bekommen ist.

  21. Hallo Sia,

    die “Isolation” von Charakteren gehört zu den Basics eines Handlungsrepertoires. 🙂 Deshalb finde ich diese Argumentation leider nicht überzeugend. Wie gesagt: unabhängig von möglichen tatsächlichen Plagiaten in diesem Text. Um diese geht es bei “meinem” Punkt nicht.

    Wenn man grundsätzlich darauf beharrt, dass es bereits “verwerflich” sei, eine ähnliche Handlung zu verwenden, muss ich leider sagen: Dann hat die Autorin, von der in diesem Fall anscheinend/scheinbar abgekupftert wurde, genauso “falsch” gehandelt. Denn sie ist nicht die erste, die solch eine Handlung aufgebaut hat. Ich denke, dies illustriert sehr deutlich, dass der (zusätzliche) Vorwurf einer “stark angelehnten” Handlung nicht sehr sinnvoll ist, zumal nur ein grober Handlungsverlauf kaum Schöpfungshöhe besitzen dürfte. (Andernfalls müssten sämtliche Hight-Fantasy-Bücher als “Herr der Ringe”-Plagiate eingestampft werden.) 🙂

  22. Hej Alice,

    das Prinzip der Isolation ist mir schon klar. Allerdings gibt es da tausend und eine Möglichkeit. Und selbst den Alkoholgenuss ( =Enthemmung) hätte man z.B. wunderbar durch einen aufgrund einer schweren Erkältung genommenen Medikamentencocktail ersetzen können. Man braucht halt Phantasie :-))

    Herzlichst, Sia

  23. Das Buch nicht gelesen, aber ein (sehr affirmatives) Interview mit der Autorin geführt? – das ist unter journalistischen Gesichtspunkten – mit Verlaub! – ein Armutszeugnis, lieber Herr Tischer.

  24. Lieber Tilman Basura,

    Nun muss ich mich – entgegen meiner sonstigen Gewohnheit – einmal zu Wort melden, da mich in diesem konkreten Fall die Feststellung, dass ich das Buch nicht gelesen habe und dieses auch transparent mache, sehr erstaunt. Hätte ich es nicht erwähnt, hätten Sie es gar nicht gemerkt.

    Ich betrachte es jedoch umgekehrt als ehrlich und seriös zu sagen, wenn ich ein Buch nicht gelesen habe. Sowohl dem Autor als auch den Lesern gegenüber. Aus meinen Gesprächen mit Autoren weiß ich, dass es leider gang und gäbe ist, dass sich Journalisten mit dem Autor über den Inhalt seines Buches unterhalten, ohne es gelesen zu haben. Daraus kann man den Journalisten nicht immer einen Vorwurf machen. Oftmals erfahren sie sehr kurzfristig von einem Termin. Oft kennen sie davor nicht mal den Autor, mit dem sie zu reden haben.

    Ich habe mich einmal mit dem Autor Arno Geiger über solche Interviews unterhalten und wie er merkt, ob der Interviewpartner das Buch wirklich gelesen hat.

    Ich habe als Podcast über 200 Autor(innen)-Interviews geführt, von Elke Heidenreich über Harry Rowohlt bis hin zu Sascha Lobo und vielen bekannten und unbekannten Autoren. Ich betrachte es als wichtigste Voraussetzung, das Buch gelesen zu haben, denn ansonsten können Sie nicht offen und frei mit einem Autor über den Inhalt seines Buch sprechen.

    Die meisten dieser Interviews waren in gewisser Weise affirmativ, denn die Gespräche waren nicht kontrovers oder kritisch angelegt, sondern dienten immer dazu, dem Leser die Autorin oder den Autoren und das Buch vorzustellen. Das ist eine andere Art von Gespräch, als wenn Sie ein Interview kontrovers anlegen wollen.

    Wenn ich nicht dazu in der Lage war – aus welchen Gründen auch immer – das Buch zu lesen, so muss dies mitgeteilt werden. Ich empfinde das als unfair gegenüber dem Autor und würde mich nicht wohl bei dem Gespräch fühlen, wenn ich so tun würde, als hätte ich das Buch gelesen. Findet das Gespräch dennoch statt, so muss man meiner Meinung nach das Nichtlesen erwähnen. So habe ich es beispielsweise seinerzeit bei Hans-Ulrich Treichel gemacht, als ich kurzfristig für eine Kollegin eingesprungen bin oder bei Lin Jun. Daher habe ich es auch im Interview mit Frau Gercke klargestellt.

    Natürlich kann man ein Buch »querlesen«. So habe ich es vor dem Interview auch mit den Holunderküsschen gemacht. Die ersten 10 Seiten gelesen und dann etwas quer geblättert.

    Selbst wenn ich das Buch tatsächlich ganz und ausführlich gelesen hätte, hätte ich mich nie mit der Autorin über den Inhalt ihres Buches unterhalten können.

    Denn weder bin ich die Zielgruppe für diese Bücher noch ist die Leserschaft des literaturcafe.de die Zielgruppe für diese Bücher.

    Natürlich könnte man – was wir ja in ähnlicher Weise auch schon gemacht haben – das Buch nach literaturkritischen Gesichtspunkten besprechen. Das hat einen Unterhaltungswert, aber im Kern ist das eine Blödelei, denn diese Bücher sind für eine andere Zielgruppe und einen anderen Zweck geschrieben.
    Man mag über sie lästern, aber dennoch sind es mit Blick auf Zielgruppe und Zweck auch gute Bücher. Denn die Hauptsache, die für uns Büchermenschen doch wichtig ist, ist die, dass die Menschen überhaupt lesen.

    Für das Gespräch mit Frau Gercke, war das kein Thema. Ich verrate sogar noch mehr und sage, dass ich zwei Stunden vor dem Gespräch weder die Autorin noch das Buch kannte. Ich hatte die Pressemeldung von Amazon, ich habe dann im Web über die Autorin und ihr Buch recherchiert, ich habe sie auf der Bühne bei einer Lesung erlebt und habe mit ihr ein kurzes Vorgespräch geführt. Ich war – genauso wie die Zuseher – neugierig darauf zu erfahren, wie dieser Erfolg zustande kam. Darum ging es und nicht um den Inhalt des Buches. Und unabhängig davon, ob nun vieles geklaut ist oder nicht, ist der Weg zum E-Book-Bestseller ein interessantes Thema für das literaturcafe.de und seine Besucher, selbst dann noch – oder vielleicht sogar dann – wenn wir von den Vorwürfen wissen.

    Ich bin selbst froh um dieses Videodokument, denn nun gibt es die Plagiatsvorwürfe und beim Ansehen schwingt diese Ebene jetzt mit. Und daher habe ich selbst das Interview nochmals mit großem Interesse angeschaut.

    Zwischenzeitlich habe ich mir sogar eines der Bücher gekauft, aus dem viele Sätze entnommen wurden. Aber auch das nur prophylaktisch, denn auch dieses Buch habe ich noch nicht gelesen (wie gesagt: 10 Seiten reinlesen und dann durchblättern betrachte ich nicht als »lesen«). Aber vielleicht benötigt man beide Bücher nochmals für einen künftigen Artikel und muss sie lesen.

    Denn den »Fall Gercke« werden wir im literaturcafe.de weiter im Auge behalten, um zu zeigen, was da weiter passiert und was vor allen Dingen dann passieren kann, wenn es zu juristischen Prozessen, Vergleichen oder Urteilen kam.

    Herzliche Grüße
    Wolfgang Tischer

  25. Dazu muß ich nun auch meinen Senf gaben und denke, daß man natürlich nicht alles lesen muß oder kann und es, wie man sieht, viele Entschuldigungsgründe gibt, wenn man es es nicht tut. Daß es aber einen schlechten Eindruck macht, wenn man , wie im vorliegenden Fall sagt “Na, ich habe das natürlich nicht gelesen!”, konnte man in der Diskussion sehr schön sehen und ich habe mir, ganz ehrlich, auch gedacht, daß man das Buch schon gelesen haben sollte, wenn man die Autorin interviewt und, daß ich das tun würde. Es kommt aber natürlich als Entschuldigungsgrund hinzu, daß Männer üblicherweise keine Chicklits lesen und man zu dem Zeitpunkt des Interviews nicht wissen konnte, daß man durch das Nichtlesen etwas versäumen wird. Nachher ist man immer klüger. Das ehrliche Bekenntnis ist aber zu loben, vorher wären wir ja gar nicht auf die Idee gekommen und jetzt gebe ich natürlich wieder den Rat, über den Tellerrand hinauszulesen, weil man ja nie wissen kann, ob man es nicht vielleicht doch braucht!

  26. @Eva

    du hast recht. Wenn Männder keine Chicklit lesen, dann sollten sie es auch lassen, klickheischend hier die Sache zu propagieren. Ob nun Buchrezension, Interview für Podcast, Video etc. – das Buch sollte man tritzdem gelesen haben – schön, wenn es transparent gemacht wird “Ich habes nicht gelesen, frag dich aber trotzdem” – das wäre eher eine eigene Rubrik wert – “Interviews von Leuten, deren Bücher ich nicht gelesen habe”. Aber das sieht Herr Tischer anders. Und da hat jeder seine Meinung zu. Und erreicht hat er, was er wollte – viele Kommentare.

  27. Mein lieber Herr Tischer, man könnte meinen, Sie seien irgendein “kleiner” Feuilettonredakteur, dem der Ressortleiter mal eben aufs Auge drücken kann, mal schnell dieses Buch zu besprechen oder jenes Interview zu führen. In dem Falle hätte ich sogar Verständnis dafür, ein Buch aus Zeitdruck querzulesen, dessen Autorin es zu interviewen gilt.
    Doch Sie sind doch, wenn ich es richtig sehe, der Gründer und Chef des Literaturcafes. Was kann bei einem Onlinemagazin so pressant sein, dass man grundlegende journalistische Tugenden über Bord schmeißt? Drucktermine fallen wohl weg. Abgabetermine bestimmen Sie als Leiter des Literaturcafes doch letztlich selbst.
    Ihre nachträgliche Ehrlichkeit in Ehren; aber redliche wäre es nun, einfach einzuräumen, dass Sie im “Fall Gercke” schlicht Mist gebaut haben.

    Aussagen wie “Selbst wenn ich das Buch tatsächlich ganz und ausführlich gelesen hätte, hätte ich mich nie mit der Autorin über den Inhalt ihres Buches unterhalten können” muten da schon beinahe albern an. Sie müssen Chicklit oder welches Genre auch immer doch nicht goutieren, um über den Inhalt zu plaudern. Nur sollte man es eben schon, ja: gelesen haben.

  28. Wer nicht liest, der kann kein Plagiat entdecken, die vielen Chick Lit Leserinnen aber schon, könnte man sagen und die Diskussion damit beenden. Ich beknne übrigens, daß ich auch ganz gerne mal einen Krimi und ein Chick Lit lese und trotzdem eine eifrige Literaturcafekonsumentin bin

  29. Lieber Herr Basura,

    lesen Sie bitte wegen des Ablaufs meine Antwort nochmals in Ruhe durch.

    Doch so langsam glaube ich, Ihre Motivation und den Hintergrund Ihrer Kritik zu verstehen, denn ich hege den Verdacht, dass Ihr Tadel über das Nicht-Lesen ein verstecktes Lob ist und Sie mir zutrauen, dass ich das Plagiat erkannt hätte, wenn ich das Buch zuvor ganz gelesen hätte und im Gespräch mit der Autorin bereits kritisch auf diese Ähnlichkeiten hätte hinweisen können, statt sie scheinbar naiv über ihren Erfolg zu befragen.

    Das wäre natürlich ein Coup gewesen! »literaturcafe.de enthüllt mögliches Chick-Lit-Plagiat«. In diesem Fall würde ich mir natürlich in den Hintern beißen. Da hätte ich mich sowas von geärgert, dass ich das Buch nicht gelesen hätte, um die Autorin mit den Passagen zu konfrontieren.

    Aber auch da muss ich leider sagen: Sie könnten mir einen Kürthy-Roman im Holunderküsschen-Einband und mit geändertem Titel hinlegen und ich würde es nicht merken. Das ist ja der Grund, weshalb mich im Gespräch mit der Autorin nur ihr Erfolg interessiert hat. So gesehen stimmt die eher ironisch gemeinte Anmerkung eines anderen Kommentatoren: einzig der Erfolg war der Grund für das Interview, um zu erfahren, ob sich andere Autoren da was abgucken könnten. So zu tun, als sei ich Chick-Lit-Fachmann, wäre ja albern oder anmaßend. Daher habe ich bereits im Interview klar gemacht, dass ich das Buch nicht gelesen habe und wir über den Inhalt auch gar nicht reden können. Damals gab es zudem auch nach einer Recherche im Netz keinerlei ernst zu nehmende Anhaltspunkte, dass scheinbar abgeschrieben wurde. Auch das wäre natürlich peinlich gewesen, wenn das Netz damals schon voll mit Listen und Hinweisen auf ein Plagiat gewesen wäre und ich mit der Autorin gesprochen hätte, ohne die Hinweise zu erwähnen. Allerdings hätte ich bei solch einer unklaren Lage mangels Chick-Lit-Fachwissen auf das Interview verzichtet. Aber im Gegenteil: Inhaltlich schien das Buch ja der Zielgruppe zu gefallen. Selbst auf Chick-Lit-Websites gab es begeisterte Besprechungen. Das kann man den Leserinnen doch auch gar nicht vorwerfen. Auch eine Chick-Lit-Leserin kann nicht alle Romane kennen. Auch dem mvg Verlag ist die Ähnlichkeit nicht aufgefallen.

    Sie überschätzen mich daher maßlos, wenn Sie mir zutrauen, durch die Lektüre das Plagiat erkannt zu haben. Aber es ehrt mich sehr, dass Sie mir das zutrauen und ich könnte mit dieser Prämisse die Motivation Ihrer Kritik nachvollziehen.

    Herzliche Grüße
    Wolfgang Tischer

  30. Auf ihrer Website gibt es jetzt eine Stellungnahme. http://martinagercke.de/archives/709
    Um ehrlich zu sein, bin ich gerade etwas sprachlos! Sie redet von Platzhaltern die sie benutzt haben soll und dann hinterher durch mangelhafte Überprüfung ihrerseits nicht vollständig entfernt wurden. Für mich hört sich das nach einer billigen Ausrede an, die man benutzt, um sich irgendwie aus dieser Plagiatsaffäre herauszuwinden.

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