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E-Books: Gesetzesänderung erlaubt Umgehung der Preisbindung und bringt Amazon weitere Vorteile

Fotomontage: Umgehung der Preisbindung durch eine Jahreslizenz?
Fotomontage: Umgehung der Preisbindung durch eine Jahreslizenz?

Sind E-Books gesetzlich preisgebunden, müssen sie also überall von jedem Händler zum gleichen Preis verkauft werden?

Der schwammige Text des Buchpreisbindungsgesetzes ließ bislang einen großen Interpretationsspielraum. Obwohl der Börsenverein des Deutschen Buchhandels immer schon der Ansicht war, dass sich der gebundene Ladenpreis auch aufs elektronische Buch erstreckt, wurde dies von anderen durchaus infrage gestellt. Ein neuer, aktuell vom Bundestag beschlossener Gesetzestext soll ab Herbst 2016 Klarheit schaffen. Tatsächlich jedoch bringt er vor allem Wettbewerbsvorteile für Amazon.

Eine Schlüsselrolle kommt dabei den Self-Publishern zu.

So heißt es im Preisbindungsgesetz bislang im Paragraf 2, Absatz 1, Punkt 3:

Bücher im Sinne dieses Gesetzes sind auch Produkte, die Bücher, Musiknoten oder kartographische Produkte reproduzieren oder substituieren und bei Würdigung der Gesamtumstände als überwiegend verlags- oder buchhandelstypisch anzusehen sind

Da die üblichen E-Books für E-Reader in der Regel 1:1 den Text der gedruckten Fassung enthalten, fielen für viele Juristen E-Books bereits jetzt unter jene »Produkte«, die ebenfalls preisgebunden sind.

E-Books von Self-Publishern bringen Wettbewerbsvorteile für Amazon

Spannend ist der Nachsatz über Produkte, die »als überwiegend verlags- oder buchhandelstypisch anzusehen« sind. Demnach sind E-Books von Self-Publishern nicht preisgebunden, da sie nicht bei einem Verlag erscheinen und auch nicht in Buchhandlungen erhältlich sind. Diese Auffassung vertritt auch der Justiziar des Börsenvereins. In der Praxis bedeutet dies, dass Self-Publisher die beliebten Rabatt-Aktionen bei E-Books auch shopbezogen durchführen können: »Exklusiv bei Amazon: Das neue Buch von Lieschen Müller zum Einführungspreis von 99 Cent, statt 3,49 Euro!«. Verlagen wäre eine solche Aktion nicht möglich, Self-Publishern jedoch schon.

Bedenkt man, dass in der Regel die meistverkauften E-Books in den Amazon Top-10 – ja selbst der Top-100 – von Self-Publishern stammen, verdient Amazon an den E-Books der Self-Publisher wahrscheinlich mehr als an denen der Verlage. Es wäre also vom Gesetzgeber nur konsequent gewesen, künftig auch die selbstverlegen E-Books unter die Preisbindung zu stellen, um Amazon-spezifische Rabatt-Aktionen zu unterbinden und diesen Wettbewerbsvorteil abzuschaffen.

Amazons hauseigene Preisbindung

Denn das ist das Perfide: Eine exklusive Rabatt-Aktion bei den Online-Shops anderer Anbieter oder gar auf der eigenen Website des Autors erlaubt Amazon nicht! Mit der Einstellung seines Titels bei Amazon verpflichtet sich der Self-Publisher, dass er den Titel als E-Book nirgendwo günstiger oder gar gratis anbietet. Amazon behält sich in diesem Fall eine eigenmächtige Preisanpassung an diesen günstigen Preis vor. Und Amazon belässt es nicht beim Kleingedruckten, sondern überprüft regelmäßig mit eigens hierfür erstellter Software, ob das E-Book irgendwo im Netz günstiger zu haben ist. Findet Amazon im Netz ein günstigeres oder kostenloses E-Book, dessen Textinhalte in weiten Teilen mit einem bei Amazon verkauften Buch übereinstimmen, erhält der Self-Publisher in der Regel eine Warnung per Mail. Es sind auch Fälle bekannt, in denen Amazon den Preis eigenmächtig geändert hat. Das Kleingedruckte in den AGB lässt dies zu. Über ein ähnlich schlagkräftiges Kontroll- und Sanktionsinstrument verfügen andere Online-Shops bislang nicht.

Auch unter diesem Gesichtspunkt wäre eine Preisbindung für selbstverlegte E-Books sinnvoll, sodass der Self-Publisher selbst dafür Sorge tragen muss, dass ein reduzierter Preis auf allen Portalen gilt. Zwar verfahren die meisten Self-Publisher bereits auf diese Weise, um beispielsweise Tolino-Kunden nicht zu verärgern, doch zwingend oder gar gesetzlich vorgeschrieben ist dies nicht.

E-Books der Self-Publisher weiterhin nicht preisgebunden

Jedoch: Der neue genehmigte Gesetzesentwurf schafft zwar scheinbar größere Klarheit, was die Preisbindung von E-Books betrifft, doch die Titel der Self-Publisher sind davon weiterhin explizit ausgenommen. Der bestehende Wettbewerbsvorteil von Amazon bleibt also weiterhin gesetzlich legitimiert.

Schlimmer noch: Durch die geplante und nun vom Bundestag genehmigte Gesetzesänderung besteht jetzt für Online-Shops die Möglichkeit, die verlagsbezogene Preisbindung von E-Books legal zu unterlaufen.

Ab Herbst soll Paragraf 2, Absatz 1, Punkt 3 des Buchpreisbindungsgesetzes wie folgt lauten (Hervorhebung durch literaturcafe.de):

Bücher im Sinne dieses Gesetzes sind auch Produkte, die Bücher, Musiknoten oder kartographische Produkte reproduzieren oder substituieren und bei Würdigung der Gesamtumstände als überwiegend verlags- oder buchhandelstypisch anzusehen sind, wie zum Beispiel zum dauerhaften Zugriff angebotene elektronische Bücher und vergleichbare elektronische Verlagserzeugnisse

Diese als klar und vom Bundeswirtschaftsministerium als »Würdigung des Kulturguts Buch« titulierte Formulierung lässt jedoch weiterhin ein Schlupfloch, um die Preisbindung zu umgehen. Mit der eigenartigen Formulierung »zum dauerhaften Zugriff angebotene elektronische Bücher« will der Gesetzgeber Buch-Flatrates explizit erlauben, da hier der Zugriff zeitlich begrenzt ist und der Kunde nur Zugriff auf die Bücher hat, solange er die in der Regel monatlichen Gebühren bezahlt. Mit »Kindle Unlimited« gehört auch Amazon zu den Anbietern einer solchen Leseflatrate.

Umgehung der Buchpreisbindung:
Ein Schlupfloch im neuen Gesetzestext

Doch gerade durch die Einschränkung des »dauerhaften Zugriffs« wäre künftig theoretisch auch außerhalb der Flatrates eine Unterwanderung der Preisbindung von Verlags-E-Books möglich. Denn die digitale Rechteverwaltung (DRM) lässt vieles zu, beispielsweise auch ein digitales Verfallsdatum. Denkbar und technisch realisierbar wäre also neben der Flatrate auch der Verkauf von E-Books mit Verfallsdatum. Selbst wenn man den Zeitraum großzügig mit einem Jahr ansetzen würde, wäre dies kein dauerhafter Zugriff im Sinne des neuen Gesetzestextes. Das Verlags-E-Book unterliegt also nicht mehr der gesetzlichen Preisbindung.

Speziell für Amazon wäre es einfach, künftig solche Verfallsmodelle anzubieten, da Amazon sein Kindle-Imperium und die Gerätesoftware streng unter Kontrolle hat, um solche DRM-Möglichkeiten zu schaffen und zu überwachen. Ein preisgebundenes Verlags-E-Book könnte also nach der Gesetzesänderung durchaus legal für einen Bruchteil dieses Preises angeboten werden, wenn es sich nach einem Jahr quasi digital selbst auflöst. Natürlich würde sich Amazon damit bei den Verlagen keine Freunde machen, doch die hat Amazon in diesen Kreisen bereits jetzt ohnehin eher weniger.

Die kommende Gesetzesänderung schafft daher alles andere als Klarheit. Insbesondere Verlage sollten die Verträge mit den Online-Shops genau prüfen, denn selbst eine explizite Verpflichtung zur Einhaltung der Preisbindung im Sinne des Gesetzes, würde das oben erläuterte Schlupfloch ermöglichen.

Wolfgang Tischer

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4 Kommentare

  1. Vor allem könnte man mit dieser Passage die gesamte Buchpreisbindung wunderbar aushebeln. Denn wenn Selfpublisher nicht an die Preisbindung gebunden sind, Verlagsbücher aber schon, dann wäre das ein Verstoß gegen die Gleichbehandlung.

    Früher oder später würde genau das gleiche passieren, wie jetzt bei der VG WOrt. Irgendjemand (Amazon?) wird klagen und sich das Recht erstreiten, auch Verlagsbücher ohne Preisbindung anzubieten.

  2. Ich verstehe die Argumentation nicht so richtig. Der “dauerhafte Zugriff” ist doch nur ein Merkmal unter mehreren. Wo steht denn, dass ein Produkt, dem eines der Merkmale fehlt, kein Buch mehr ist?

    Ich bin auch nicht der Meinung, dass das eBook eines Selfpublishers nicht buchhandelstypisch ist. Amazon ist schließlich auch ein Buchhändler. Und wer hält den Buchhandel denn davon ab, auch Selfpublisher anzubieten?

  3. Die Buchpreisbindung ist einer der Gründe, warum ich meine eBooks selbst veröffentliche und vermarkte und zwar auf einer einzigen Plattform, nämlich einer eigenen Website (kein Shop), die das eBook verkauft. Ich habe dazu bei mir im Blog (eBookWriter.de) einen Artikel, der sich mit dieser Thematik beschäftigt. Man muss aber die komplette Zahlungsabwicklung und Auslieferung für das eBook selbst einrichten. Außerdem funktioniert es nicht mit allen eBooks gleich gut. Ich verkaufe Ratgeber – wer Romane schreibt, wird wohl die Vermarktung anders anpacken müssen und wäre vielleicht mit Amazon und Co. als Verkaufsplattform besser beraten.

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