StartseiteWillms' WocheWillms Woche: Irdische Genüsse mit und ohne Nikotin

Willms Woche: Irdische Genüsse mit und ohne Nikotin

Kaum ist er gestorben, da wird er auch schon wieder geboren: Kurt Tucholsky, dessen Todestag wir im Dezember noch gedachten, wäre am 9. Januar 118 Jahre alt geworden. Das Aushängeschild der literarischen Anti-Nazi-Bewegung schrieb seinerzeit unter mehreren Pseudonymen, darunter Kaspar Hauser, Peter Panter, Theobald Tiger und Ignaz Wrobel. Ob er diese wirklich nur für die Arbeit brauchte, ist unklar: Tucholsky galt als Frauenheld, der stets mehrere Affären nebeneinander gehabt haben soll. Von seiner ersten Ehefrau ist jedenfalls folgender Ausspruch überliefert: »Als ich über die Damen wegsteigen musste, um in mein Bett zu kommen, ließ ich mich scheiden.«

So wichtig wie Tucholsky für die erste Hälfte des 20. Jahrhunderts war, so entscheidend beeinflusste Heiner Müller die zweite. Als Schriftsteller wie auch als Theater-Legende heimste er so gut wie alle Preise der deutschen Kulturszene ein. Seine Inszenierung von Brechts »Arturo Ui«, die 1995 in Berlin Premiere feierte, wird dort mittlerweile im 12. Jahr – mehr oder weniger regelmäßig – aufgeführt. Müller, der am 9. Januar 79 Jahre alt geworden wäre, war wie Tucholsky den irdischen Genüssen nicht abgeneigt. Bei seinem Tod im Dezember 1995 wurde dem begeisterten Zigarrenraucher eine Kiste Montecristo-Havannas mit ins Grab gegeben.

Auch Simone de Beauvoir ist ein Kind des 9. Januars und würde in diesem Jahr ihren 100. Geburtstag feiern. Jahrelang führte sie mit dem Schriftsteller- und Philosophenkollegen Jean-Paul Sartre eine offene Beziehung. Sie genossen, so sagte das Paar einmal, »die Vorteile des Lebens zu zweit und keine seiner Unannehmlichkeiten.« Simone de Beauvoir ist heute noch beispielgebend für eine moderne Gesellschaft. Die überzeugte Feministin zeigt, dass auch »unkonventionelle Beziehungsformen« funktionieren können. Ihren geliebten Sartre pflegte sie während seiner langen Krankheit bis zu seinem Tod. Rund 50 Jahre waren die beiden ein Paar – wie viele Ehen in dieser Zeit wohl geschieden wurden?

Weitere Beiträge zum Thema

3 Kommentare

  1. Solche Rückblicke verführen, zusammenzuführen, was nicht zusammen gehört: Tucholsky/Weil und Sartre/de Beauvoir.
    Irgendwie scheint sie die Feigheit vor dem Freund zu einigen. Die einen sind ein “legalisiertes” Paar, von solch Legalismus bedrückt und eingeengt, die anderen frönen der “Libertinage” und leben die Bedrückungen der Freiheit. Keiner der Vier lebt das Bekenntnis zum anderen. Mitten hindurch läuft die Demarkationslinie des Kampfes der Geschlechter, letztlich doch nur reduziert auf den Stacheldrahtverhau des Sexus. Dennoch literarisch durchaus befruchtend!

  2. Und wenn wir nur dazulernten, daß wir nicht viel dazu gelernt haben, wäre es schon eine Menge, was sich leicht wieder vergessen ließe. Nicht der letzte Grund für Literatur, aber einer.

Schreiben Sie einen Kommentar

Bitte geben Sie Ihren Kommentar ein.
Bitte geben Sie Ihren Namen ein