Die Litotes ist ein sprachliches Stilmittel. Indem man das Gegenteil einer Aussage verneint, mildert man sie ab (»Was du sagst ist nicht ganz richtig« statt »Was du sagst, ist falsch«) oder verschärft sie je nach Kontext ins Ironische (»Er war an der Aktion nicht unbeteiligt«). Insbesondere der Schwabe verwendet die Litotes gerne, um beispielsweise ein Essen überschwänglich zu loben (»I muaß scho saga, Ihre Schpätzla schmeckat net schlecht«). Der Litotes kann – muss aber nicht – als doppelte Verneinung auftreten (»Ich sage das nicht ohne Grund«).
Gerade mit der doppelten Verneinung kann man oftmals Dinge in einen Zusammenhang bringen, bei denen dieser sehr grenzwertig ist (»Ohne Hitler gäbe es keine Autobahn«).
Klaus Jarchow analysiert auf medienlese.com die Rhetorik von Helmut Markwort, der als Chefredakteur des FOCUS nicht ganz unbedeutend bei der Meinungsbildung oder -verstärkung bestimmter Personenkreise ist. Jarchow zeigt, wie Markwort die doppelte Verneinung in der aktuellen Debatte um die Jugendgewalt nutzt, um ebenfalls recht zweifelhafte oder sogar falsche Aussagen in einen Zusammenhang zu stellen. Zwar ist nicht alles, was Jarchow als solches bezeichnet, eine Litotes, dennoch gilt für diesen nicht schlecht geschriebenen Artikel unsere in keiner Weise zurückhaltende Leseempfehlung!
Das System Markwort im Fokus des Zeitstrahls ist ein lineares: Ohne Hugenberg kein Goebbels kein FOCUS, könnte ein Litotes lauten, läßt er sich doch durch Fakten, Fakten Fakten beweisen. Klaus Jarchow spürt einem Werkzeug nach, das den Journalismus vom neutralen Berichterstatter zum Meinungsmacher degradiert. Keineswegs falsch läge, wer für solchen Mechanismus nicht doch die Vokabel degeneriert verwenden wollte. Dem Litotes geht in der Berichterstattung jedoch noch ein weiterer und nicht nur dem Prinzip der maximalen Faulheit geschuldetes Phänomen voraus: Anstatt der recherchierten Nachricht und verifizierter Inhalte wird nur noch berichtet, was berichtet wird. Verlautbarungen aus den amtlichen, halbamtlichen und Interessenbüros von Politik, Wirtschaft, Industrie und Handel landen als wortgetreuer Rapport in Artikeln und Spalten. Für alles und nichts wird Öffentlichkeit erst erzeugt, um zielgerichtet die Ohnmacht der Massen den Wünschen sogenannter Eliten gefügig zu machen. Ein reichlich undemokratisches Verfahren, in welchem Presse sich als vierte Kraft geriert, nicht etwa als kritisch begleitendes/kontrollierendes, sondern eindeutig als partizipierendes Organ. Dies macht die Medienlandschaft in vielerlei Hinsicht den Medienkonsumenten unerträglicher, als sie zu Zeiten legaler Zensur den Herrschenden je gewesen sein kann.
Na ja, was soll man dazu sagen.
Wir haben in den letzten Jahren viele schöne Worte, Bezeichnungen und Redewendungen für alles Mögliche gefunden. Die unsoziale Hartz IV Schweinerei z.B. wurde mir dem Wort Agenda 2010 belegt. Klingt doch gut, oder? Vorratsdatenspeicherung klingt doch auch wesentlich besser als totale Überwachung von Telefon, Internet, Fax und Handy. Man könnte sogar soweit gehen, zu sagen, daß mit der Zunahme der allgemeinen Schweinereien zunehmend harmlose oder offiziell klingende Worte gefunden wurden. Früher gab es Strauß und Wehner, die im Bundestag öfter mal Tacheles geredet haben. Wenn das heute einer tut, muß er zurück treten. Wenn er die verschleiernden Worte benutzt, die üblich sind, darf er bleiben. Die Schweinereien, mit einem Wort, sind die gleichen geblieben. Die gefühlte Schweinerei dagegen, hat abgenommen, dank harmloserer Formulierungen. Nehmen wir noch die Werbung dazu, die eigentlich Manipulierung heißen müsste. Und das haben sich die Journalienheinis dann abgeguckt, so wie es aussieht.
@KR “harmlose und offiziell klingende Worte”:
Vielleicht wäre “Wörter” treffender? Das harmlose und offiziöse Geschwätz hieß vor 45 Propaganda, nach 45 im Westen “Pressefreiheit”, nur noch im Osten Propaganda. Und jetzt ist den “Litotes – tern” der passende Begriff abhanden gekommen, für das was immer noch schlecht mit “Euphemismus” umschrieben ist und auch nur Propaganda heißt. Gehirnwäsche! Funktioniert! Oder glaubt wirklich noch wer, im Irak treibe sich nicht massenhaft Al Qaida rum? Den Verlautbarungen nach muß das inzwischen die volkreichste Nation sein. Paul Sethe hat das vor mehr als 40 Jahren so schön formuliert: “Meinungsfreiheit hierzulande heißt, die 200 Reichsten dürfen uns ihre Meinung sagen.” Sie sagen uns, was wir zu meinen haben. Es lebe der Demokratismus. Schließlich ist Focus-Markwort Mandatsträger, Augstein hat sich auch daran und für den gleichen Verein versucht, von Axel Caesar ganz zu schweigen.
wir haben da wirklich dieselbe meinung. der begriff wörter ist vielleicht wirklich treffender, verschleiernde worthülsen wäre vielleicht sogar wissenschaftlich. .. die 200 Reichsten im Lande dürfen uns ihre Meinung sagen…, die formulierung ist echt scharf. (und richtig!) man fragt sich nur immer, warum die hammelherde volk nicht endlich massenhaft zu blöken anfängt, grund genug hätte sie jedenfalls.
Rein analytisch ist die Debatte um innere Sicherheit das Versatzstück zum feudal kontrollierten Obrigkeitsstaat, andererseits die Rollie-beförderte Verschärfung der Gesetze der Hebel, demokratische Strukturen in den Feudalismus zurückzuhieven, was hierzulande konservativ heißt. Wesentliches Herrschaftsinstrument ist “Angst”, die mit Hartz IV gezielt gesteigert wurde. Zukunftsangst wiederum ist Resultat furchtbarer Gegenwart. Wo sich aber Masse fürchtet, fehlt Gegenwehr. Die Rechnung geht zu 150% auf! Nicht einmal zu blöken wird künftig gestattet sein. Selbst solch Recht geht in Rauch auf, und das ist erst der Anfang!