Vor gut einer Woche wurde die Longlist zum Deutschen Buchpreis 2016 bekannt gegeben. Die 20 Bücher auf der Liste haben die Chance, am 17. Oktober 2016 den mit 25.000 Euro dotierten Preis zu erhalten. Am 20. September 2016 werden es nur noch sechs sein, denn dann wird die Shortlist bekannt gegeben.
Unser Textkritiker Malte Bremer hat mit allen 20 nominierten Titeln den »Buchhandelstest« gemacht und sich die jeweils ersten Seiten angeschaut: Taugt das was? Will man das weiterlesen? Spannend ? Oder langweiliges Gelaber?
Diesmal: Michelle Steinbeck, Thomas von Steinaecker, Anna Weidenholzer und Philipp Winkler.
Michelle Steinbeck: Mein Vater war ein Mann am Land und im Wasser ein Walfisch
Ein Ich-Erzähler kehrt offenbar zurück in das Elternhaus, trifft auf ein Kind mit Schuhen, die bei jedem Schritt aufblitzen und von dem es beschimpft wird, betritt ein offen stehendes Haus und das Zimmer, das immer noch so ist, wie es der Ich-Erzähler verlassen hat. Und er sieht die alte Schreibmaschine des Vaters.
Fein. Und?
Ach ja: Irgendwie riecht es seltsam.
Warum sollte ich das lesen wollen/sollen?
Michelle Steinbeck: Mein Vater war ein Mann an Land und im Wasser ein Walfisch: Roman. Gebundene Ausgabe. 2016. Lenos. ISBN/EAN: 9783857874697. 15,50 € » Bestellen bei amazon.de Anzeige oder im Buchhandel
Thomas von Steinaecker: Die Verteidigung des Paradieses
Die spannende Erinnerung eines Kindes an die »Zeit des Voruntergangs« bildet den Auftakt – aber was ist der »Voruntergang«? Geht es um Wörter, die der Ich-Erzähler noch kennt, die aber in der jetzigen Zeit keine Bedeutung mehr haben? Er sammelt jedenfalls Altwörter, hat sogar eine Top-Ten-Liste ever: Nummer 1 ist Salbader, an zweiter Stelle folgt weidlich – und dann völlig überraschend – Amnestie.
Was geht hier vor? Ist das die Zeit des Nachuntergangs? Was ist das für eine Zeit? Das bisher Gelesene macht mächtig neugierig auf mehr!
Thomas von Steinaecker: Die Verteidigung des Paradieses: Roman. Gebundene Ausgabe. 2016. S. FISCHER. ISBN/EAN: 9783100014603
Anna Weidenholzer: Weshalb die Herren Seesterne tragen
Da fährt ein Karl weg von irgendwo und zählt auf, was er beim Wegfahren sieht und denkt an eine Margit und welche Blumen er ihr mitbringen wird und welche nicht und warum nicht und was er zu ihr sagen würde/konnte und was nicht, und dieses Kapitel heißt »Vierhundertneunundsechzig Kilometer«.
Das mag ich nicht einmal einen Kilometer lang lesen oder vorgelesen bekommen.
Anna Weidenholzer: Weshalb die Herren Seesterne tragen: Roman. Nominiert für die Longlist zum Deutschen Buchpreis 2016. Gebundene Ausgabe. 2016. Matthes & Seitz Berlin. ISBN/EAN: 9783957573230. 20,00 € » Bestellen bei amazon.de Anzeige oder im Buchhandel
Philipp Winkler: Hool
Mitten rein in die Welt vom »blöden Pimpf« Heiko: Die Erinnerung an den Tag, als die Mutter weg fuhr, nachdem sie sich »mit einem Schuhlöffel in ihre Stöckelschuhe bugsiert« hatte: So was lese ich gerne, da ist Humor im Spiel!
Aber ist die Mutter ganz weg? Beim Verlassen der Wohnung zieht sie einen starken, blumigen Parfümduft hinter sich her »wie einen Brautschleier«; das könnten Andeutungen sein, vielleicht verlässt sie ihre Kinder vorübergehend, denn immerhin schleppt sie einen Koffer mit, und sie wird von einem Mann abgeholt, der wahrscheinlich (?) der Fahrer war, was Heiko in seinen neuen Fußballschuhen (ein Abschiedsgeschenk?) und seine pubertierende Schwester Manuela von oben aus der Wohnung beobachten.
Da ist schon soviel Material versammelt, das sortiert und verfolgt werden will: Toll!
Philipp Winkler: Hool: Roman. Gebundene Ausgabe. 2016. Aufbau. ISBN/EAN: 9783351036454. 19,95 € » Bestellen bei amazon.de Anzeige oder im Buchhandel
Malte Bremer
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