Das war's: Die besten Berichte und unsere Gästegalerie! Unsere Beobachtungen von der 53. Frankfurter Buchmesse (10.10.-15.10.2001) - Für einen Text gab es unsere Literatur-Café Tasse |
| Schrecken ist Befreiung Ernst W. Heine ist gelernter Architekt und nun hauptberuflicher Schriftsteller. Neben bitterbösen Kurzgeschichten wurde er auch durch seine historischen Romane Das Halsband der Taube und Der Flug des Feuervogels bekannt. E. W. Heine ist der Bruder des Zeichners Helme Heine. Das Literatur-Café: Herr Heine, wie brav muss man sein, um so böse Geschichten zu schreiben wie Sie? E. W. Heine: Die pornographischsten Bücher werden meistens von den treuesten Ehemännern geschrieben und die schrecklichsten Geschichten von den bravsten Vätern. Zum Beispiel Tomi Ungerer, den ich gut kenne: wenn man dessen Kamasutra der Frösche und all diese schrecklichen Dinge von ihm sieht, glaubt man, er wäre ein wilder Bursche. Aber in Wirklichkeit hängt er sehr an seiner Frau. Ich glaube, dass wirklich böse Menschen ganz böse Dinge gar nicht schreiben, aus Angst, dass sie sich verraten. Die Engländer sind ja eine sehr zivilisierte, sportliche Nation und dafür bekannt, dass sie den schlimmsten schwarzen Humor auf die Beine stellen, und so sehe ich mich auch. Ich schreibe sehr böse Geschichten, und mir passierte es immer wieder mit meinem Verlag, dass man sagte »mit Rücksicht auf die älteren Leser« sollte man die ein oder andere Geschichte doch herausnehmen; aber ich habe mal den Literaturpreis der Stadt Düsseldorf gewonnen, der alle 2 Jahre für schwarze, makabere Erzählungen verliehen wird, und seitdem macht mir da auch mein Verlag keine Schwierigkeiten mehr. Das Literatur-Café: Nach den furchtbaren Anschlägen vom 11. September haben plötzlich ganz viele Menschen gemerkt, wie viel Verbrechen in Filmen und Büchern auftauchen, und es gab fast schon so etwas wie eine Selbstzensur. Viele haben sich überlegt: darf ich das jetzt überhaupt noch schreiben? Ging es Ihnen da ähnlich? E. W. Heine: Nein. Eine Frau hat einmal das Atelier von Picasso besucht, und Picasso hat ihr ein Bild gezeigt von einer Frau. Da hat die Frau gesagt: »So sieht eine Frau doch gar nicht aus!«. Dann sagte Picasso, das ist auch keine Frau, das ist das Abbild einer Frau. Ein Bild einer Frau. Das ist etwas anderes. Das Literatur-Café: Dann ist zu wünschen, dass noch mehr Leute Ihre Bücher lesen. E. W. Heine: Das eine schließt das andere nicht aus. Ein gutes Beispiel ist Friedrich Dürrenmatt, der hat immer ein großes Theaterstück geschrieben und zwischendurch mit viel Liebe zum Detail seine Kriminalromane Die Panne und Der Richter und sein Henker. Ich bin von Beruf eigentlich Architekt, aber ich wäre nie gerne Architekt geworden, der nur Krankenhäuser baut oder nur Warenhäuser. Ich habe Freude daran gehabt, dass ich zwischendurch mal für den Stuttgarter Zoo das Giraffenhaus entwerfen durfte. Bei mir ist das so, dass mir, während ich an einem großen Roman oder an Drehbüchern fürs Fernsehen arbeite, solche spannenden Erzählungen oder Geschichten begegnen. Die schreibe ich dann nieder - gar nicht in der Absicht auf ein Buch oder auf ein Ziel. Die lege ich dann in mein Schubfach, und wenn ich mal 15 Stück zusammen habe, dann habe ich wieder ein Buch von Kille Kille Geschichten. Das entsteht nebenbei. Das ist die Erholung vom großen Schreiben. Das Literatur-Café: Herr Heine, ich danke Ihnen für das Gespräch. Das Interview führte Wolfgang Tischer 11.10.2001, Buchmesse Frankfurt |
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