StartseiteLiterarisches LebenDas Literarische Quartett vom März 2023: Auffrischung überfällig

Das Literarische Quartett vom März 2023: Auffrischung überfällig

Die Quartett-Besetzung vom 31. März 2023 (von links): Adam Soboczynski, Thea Dorn, Jenny Erpenbeck und Philipp Tingler (Foto: ZDF/Svea Pietschmann)
Die Quartett-Besetzung vom 31. März 2023 (von links): Adam Soboczynski, Thea Dorn, Jenny Erpenbeck und Philipp Tingler (Foto: ZDF/Svea Pietschmann)

Während das »Ich-sehe-es-so« und das »Ich-sehe-das-anders« in der Diskussion substanzlos hin und her gingen, stellte sich die visuelle Frage: Ist das Foyer des Berliner Ensembles noch zeitgemäß oder bezeichnend für das Literarische Quartett?

Das Geben und Nehmen des Literaturbetriebs

Es ist die Tagesform, es sind die Bücher und es ist natürlich die Besetzung, die die Qualität der Diskussion bestimmt. Gelegentlich kann man sich daran erfreuen oder darüber aufregen – oder dabei einschlafen.

Adam Soboczynski, Thea Dorn, Jenny Erpenbeck und Philipp Tingler saßen diesmal im Foyer des Berliner Einsembles. Jenny Erpenbeck war das erste Mal in der Runde vertreten, aber durch das literarische Geben und Nehmen des um sich kreisenden Literaturbetriebs, war über ihren Roman »Kairos« vor zwei Jahren diskutiert worden.

Jenny Erpenbeck war jedoch zu sehr zurückhaltende Autorin, um Substanzielles in die Diskussion einzubringen. Die anderen Drei waren lauter. Aber besser? Nein.

Spekulieren und Mutmaßen

Man muss es ausgerechnet Philipp Tingler zugutehalten, dass er zwischen Machart und Inhalt der Bücher differenzieren wollte, doch die Diskussion über die beiden ersten Bücher (Éric Vuillard, Clemens J. Setz) ging im »Stimmt« und »Stimmt nicht« unter. Vuillards Roman spielt zur Zeit des Indochinakrieges, über die wir in Deutschland, wie Philipp Tingler korrekt bemerkte, im Allgemeinen wenig wissen. Daher war es beim Zuhören wenig ergiebig, einer Diskussion zuzuhören, die darüber spekulierte (?) oder mutmaßte (?), wie historisch korrekt oder überzeichnet oder was auch immer das Geschehen im Roman sei. Man will es nach dieser Diskussion leider auch gar nicht herausfinden.

Kein Anspruch auf Nennung der Übersetzer

Und immer wieder ärgerlich, wenn über die Sprache des Romans gesprochen wird, ohne zu erwähnen, dass es die deutsche Übersetzung von Nicola Denis ist. Selbst in der Pressemitteilung des ZDF zur Sendung gibt es lange Inhaltsangaben, aber nach all den Jahren immer noch keine Nennung der Übersetzerinnen und Übersetzer. Die Namen werden lediglich in der Sendung kurz eingeblendet, wo hingegen in den Einblendungen immer brav die Fotografen der Autorenfotos genannt sind. Deren Lobbyarbeit scheint mehr zu fruchten als die der Übersetzer. Vielleicht liegt es auch daran, dass jeder Fotograf sofort eine Abmahnung schreiben kann, wenn der Name nicht genannt ist, wo hingegen Übersetzer keinen gesetzlichen Anspruch auf Nennung haben.

Dass Arno Geigers autobiografisches Buch »Das glückliche Geheimnis« vom Quartett verrissen wurde, war ein unerwartet erfrischender Kontrapunkt zum Lob landauf landab in der Feuilletons, und man hätte sich gerade von Jenny Erpenbeck deutlichere Widerworte und Parteinahme für das von ihr vorgestellte Buch gewünscht, aber das kam leider nicht.

Immer alles seit ewig gleich

Bleiben wir beim Visuellen. Allein an den Pressefotos des ZDF zur Sendung, meist von Svea Pietschmann aufgenommen, sieht man es: seit gefühlter Ewigkeit sieht alles gleich aus. Nur die Personen tauschen ihre Plätze.

Marcel Reich-Ranicki und seine Mitdiskutanten saßen schon mal in Glas- und Betonkulisse, der Aufnahmeort der Sendung wechselte. Das Quartett hingegen kommt seit der Neuauflage immer aus dem Foyer des Berliner Ensembles (mit Ausnahme kleiner Ausflüge zur Buchmesse). Die Holzvertäfelung, das Vergoldete, die Kronleuchter und Spiegel, die immer gleichen Kamerafahrten von den Händen auf die Gesichter der Menschen in der Runde, das Publikum im Rücken und Zoom-Effekte mit den Spiegeln, all das wirkt so langweilig, wie die Diskussion diesmal war. Wäre es nicht einmal an der Zeit, visuell etwas Neues zu wagen? Man mag einwenden, dass es doch um die Inhalte gehe, aber dennoch sind wir im Fernsehen.

Zumindest in der Diskussionsbesetzung scheint die Redaktion anlässlich der Leipziger Buchmesse einiges auszuprobieren. Es soll wieder eine Sendung mit jungen Leserinnen und Lesern und zumindest für die Mediatheken eine Runde mit Buchhändlerinnen geben, und dann verkündet Thea Dorn am Ende, dass sich für eine weitere Test-Sendung jede und jeder für die Diskussion bewerben könne.

Ob und wie dies das Karussell der Immergleichen verändern wird, bleibt abzuwarten. Dass die Sendung aber auf vielen Ebenen etwas Auffrischung benötigt, ist offensichtlich.

Wolfgang Tischer

Link ins Web:

Die in der Sendung vom 31.03.2023 besprochenen und erwähnten Bücher:

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2 Kommentare

  1. Hallo Herr Tischer, Sie haben recht, das Literarische Quartett, Foyer und Inhalt waren fad.
    Aber leider verhallen die Rufe nach Veränderung immer wieder in der Wüste… Mir scheint, man muss es hinnehmen so wie es ist oder die Sendung einfach nicht mehr einschalten.

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