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Das Literarische Quartett vom März 2022: Terzett ohne Thea

Die Quartett-Besetzung vom 4. März 2022 (von links): Ijoma Mangold, Juli Zeh und Philipp Tingler (Foto: ZDF/Svea Pietschmann)
Die Quartett-Besetzung als Terzett vom 4. März 2022 (von links): Ijoma Mangold, Juli Zeh und Philipp Tingler (Foto: ZDF/Svea Pietschmann)

Plötzlich saßen dort nur drei: Aufgrund einer Corona-Infektion ist Gastgeberin und Moderatorin Thea Dorn kurzfristig ausgefallen und aus dem Literarischen Quartett vom März 2022 wurde ein Literarisches Terzett. Juli Zeh übernahm die Moderation, eingerahmt von den Literaturkritikern Ijoma Mangold und Philipp Tingler. Fehlte ihnen und Ihnen Thea Dorn?

Fehlt Ihnen, liebe Leserinnen und Leser, beim Literarischen Quartett eigentlich das Publikum? Seit fast zwei Jahren wird die Sendung im Foyer des Berliner Ensembles ohne Zuschauer aufgezeichnet. Und man muss sagen: Nein. Die Bücherdiskussionen sind intimer und intensiver geworden. Da sitzen vier Menschen und reden über Bücher. Jede und jeder spricht für sich und nicht fürs Publikum.

Seit Thea Dorn die Moderation der Sendung übernommen hat, ist sie die einzige personelle Konstante im Quartett, die anderen rotieren durch und stammen aus dem Pool der Immergleichen. Ijoma Mangold – selbst einst Moderator einer ZDF-Literatursendung -, Philipp Tingler und Juli Zeh waren alle schon mindestens einmal da. Aber diesmal war ausgerechnet Thea Dorn nicht da. Aufgrund einer Corona-Infektion fiel sie kurzfristig aus, das Quartett wurde zum Terzett, das Sofa der Moderatorin wurde vom Rand in die Mitte gerückt und von dort aus übernahm die Schriftstellerin Juli Zeh die Gesprächsführung. Als ehrenamtliche Richterin am brandenburgischen Verfassungsgericht scheint sie für diese Rolle prädestiniert.

Aus entsprechenden Kommentaren zu dieser kleinen TV-Literaturkritik-Kritik wissen wir, dass Thea Dorn nicht nur Fans hat. Daher fragen wir heute mal in die Runde der Mitlesenden und bitten um Antwort in den Kommentaren: Fehlte Ihnen beim Literarischen Quartett eigentlich Thea Dorn?

Eines wurde zumindest deutlich: Juli Zeh kann nicht ganz so vehement und dominant das Wort ergreifen wie Thea Dorn. Mangold und Tingler reden oftmals munter weiter, wenn Zeh etwas sagen will.

Außerdem haben wir von den Dreien mehrfach gehört: Das Vorlesen von Textstellen aus den besprochenen Büchern ist offenbar von Redaktion oder Regie verboten worden. Warum, das wissen wir nicht.

Los ging die Diskussion mit dem Buch »Yoga« von Emmanuel Carrère, dessen Werk von Claudia Hamm übersetzt und teilweise neu übersetzt im Verlag Matthes und Seitz erscheint. »Yoga« ist ein aktuelles und das neueste Buch des französischen Autors und Filmemachers. Carrère, so geht es aus der Diskussion hervor, verknüpft Persönliches und eigene Meditationserfahrungen und ihre Dekonstruktion mit Betrachtungen über die Welt. Das Terzett ist begeistert.

Es folgt der neueste Brenner-Roman von Wolf Haas. Den Brenner. Kennst ihn ja, wenn du schon mal ein Buch von ihm gelesen. Sprachlich anders, weil eben Haas.

Einen neuen Brenner-Krimi muss man nicht im Literarischen Quartett besprechen. Und wenn, dann müsste man ihn vielleicht etwas mehr einordnen, als nur zu erwähnen, dass Haas vor Jahren verkündet hat, eigentlich keine weiteren Brenner-Krimis schreiben zu wollen. Mangold und Zeh sind begeistert vom Buch, Tingler eher weniger, weil kein Fan vom Brenner-Sound. Kannst du halt nichts machen.

Mehr Uneinigkeit herrscht beim Buch »Serge« von Yasmina Reza. Tingler findet es toll, die beiden anderen finden es OK, Mangold bemängelt, dass die Figuren nur Klischees seien. Es geht, so erfahren wir, um die Reise einer jüdischen Familie zur Gedenkstätte nach Auschwitz. Es geht um Erinnerung und trotz des Ortes sei das Buch auch humorvoll, aber so ganz erschließt es sich nicht, warum man das von Frank Heibert und Hinrich Schmidt-Henkel übersetzte Buch lesen sollte.

Und vielleicht haben Mangold, Tingler und insbesondere Zeh beim letzten Titel, bei »Eine Liebe in Pjöngjang« Andreas Stichmann, dann doch vergessen, dass zwar im Foyer des Berliner Ensembles kein Publikum sitzt, wohl aber vor den Bildschirmen. Denn da wird munter gespoilert, da diskutiert man hitzig über für Außenstehende unwichtige und unverständliche Handlungsdetails. Man findet das Buch gut, doch ein klein wenig bleibt für uns die Frage offen, ob es nicht ein wenig befremdlich ist, dass ein deutscher Autor, Jahrgang 1983, eine lesbische Liebe in Nordkorea beschreibt. Auch hier hätte dem nicht und doch vorhandenen Publikum mehr Einordnung gutgetan. Vielleicht fehlte da doch die Stimme von Thea Dorn?

Wolfgang Tischer

Link ins Web:

Die in der Sendung vom 04.03.2022 besprochenen und erwähnten Bücher:

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11 Kommentare

  1. Juli Zeh mag ich sehr, vor allem ihre Romane!
    Im Literarischen Quartett am 04.03.22 war sie mutig als Moderatorin eingesprungen – nicht so leicht bei den beiden viel redenden Männern.
    Trotzdem hoffe ich, Thea Dorn ist schnell wieder gesund und moderiert die nächste Sendung wieder selbst, auf ihre erfrischende und manchmal impulsive Art. Gute Besserung, Thea Dorn!

  2. Ich mag Juli Zeh auch sehr gern, als Schriftstellerin wie Diskustantin. Aber als Moderatorin würde ich Thea Dorn doch vorziehen, auch wenn sie zuweilen zum Monologisieren neigt. Sie hat jedoch die Zügel in der Hand, was bei diesen Runden offensichtlich sein muss. Wie die Herren Mangold und Tingler ihre selbstgefälligen Tiraden ungebremst ausbreiten konnten und die eigentliche Moderatorin kaum noch zu Wort kommen ließen, fand ich („alter weißer Mann“) ziemlich peinlich.

  3. Das „Literarische Quartett“ in seiner Urform, also mit Marcel Reich-Ranicki, Hellmuth Karasek und Sigrid Löffler, war oft alles andere als freundlich. Dafür informativ, spritzig und unterhaltsam.

  4. Ich habe Thea Dorn absolut nicht vermisst.
    Ihre Art zu reden ist affektiert, ihre Attitüde besserwisserisch und elitär.
    Gleichwohl natürlich gute Besserung!
    Wie wohltuend dagegen der eher sanfte, hintergründige Humor von Juli Zeh (solange sie nicht Denis Scheck auf einem Pferd neben sich herführt…).
    Die eine oder andere Textstelle aus den Büchern mal zu zitieren wäre durchaus hilfreich, um sich einen noch besseren Ersteindruck des jeweiligen Sounds zu verschaffen.

  5. Mir fehlte Thea Dorn, ich mag sie schon seit sie einstmals „Literatur im Foyer“ beim SWR moderiert hatte. Ich wünsche ihr gute Besserung und hoffe, dass sie uns noch lange als Moderatorin erhalten bleibt.

  6. Dass das Saalpublikum seit zwei Jahren fehlt, ist mir überhaupt nicht aufgefallen.
    Auch ich habe Thea Dorn vermisst. Juli Zeh ist eine tolle Schriftstellerin und auch als Studiogast völlig in Ordnung, aber als Moderatorin eher etwas zu steif und unlustig. Auch konnte sie Tingler überhaupt nicht mehr einfangen, der auf seine ziemlich selbstgefällig Art gar nicht mehr aufhören wollte, zu sprechen. Das hätte Thea, die strenge Zuchtmeisterin, niemals durchgehen lassen, und das ist auch gut so;)

  7. Der Erzählprozess an sich oder doch eher ein Langgedicht?
    Das Literarische Quartett ohne Thea Dorn ist schwerfällig und wenig unterhaltsam. Juli Zeh mag eine gefeierte Autorin und ein gern gesehener Studiogast sein, als Moderatorin braucht es aber eine andere Persönlichkeit. Man wünscht sich unwillkürlich einen Marcel Reich-Ranicki zurück, der poltert und feixt, aber pure Freude an Literatur ausstrahlt. Thea Dorn hat diese Spritzigkeit wieder ins Quartett gebracht. Aber dennoch fehlt etwas. Möglicherweise wäre eine Rückkehr zu drei festen Teilnehmerinnen und einem Gast die beste Lösung.

  8. Gleich vorweg: Ich habe Thea Dorn vermisst. Allein schon ihre Art zu sprechen habe ich über die Jahre lieb gewonnen, ist für mich mit dem Literatur-Format verknüpft. Bitte werden Sie schnell wider gesund, liebe Frau Dorn! Gleichwohl anerkenne ich selbstverständlich, dass Juli Zeh ihre Sache als Moderatorin und Gastgeberin ordentlich gemacht hat und dass Dank ihrer engagierten Übernahmebereitschaft die Sendung überhaupt stattfinden konnte. Danke Ihnen, liebe Frau Zeh! Gelegentlich beschlich mich allerdings das Gefühl, dass sie sich nicht ganz wohl gefühlt hat, in ihrer Haut, was aber auch an der fehlenden Routine gelegen haben mag. Der Zusammenhang zu ihrem Brecht Zitat zu Beginn der Sendung hat sich mir nicht erschlossen, was aber auch an mir gelegen haben kann. Ijoma Mangold finde ich toll, ich mag seine manchmal etwas umständliche Art sich auszudrücken, finde ich niedlich. Etwas schmunzeln musste ich allerdings darüber, dass er in der Sendung wirklich dasselbe Buch vorgestellt hat, wie einige Tage zuvor im SWR Quartett. Carrère ist wohl tatsächlich (s)ein zeitgenössischer Lieblingsautor von ihm, wie er selbst sagt. Positiv überrascht war ich von Herrn Tingler, der mir in der Vergangenheit eher durch seine strengen Nörgeleien und vernichtenden Urteile über Bücher (O-Ton Frau Zeh in der Sendung: „Sie sind immer so anti, Herr Tingler.“) aufgefallen war und mich damit bisher immer etwas ratlos zurück gelassen hat. Dieses Mal war er erstaunlich nahbar, aufgeschlossen, fast schon sensibel, war mir direkt sympathisch. Dass seit knapp zwei Jahren Pandemie bedingt kein Publikum bei den Aufzeichnungen anwesend ist, tut der Sendung inhaltlich keinen Abbruch. Allerdings würde ich gerne auch einmal als Zuschauerin eine Sendung im Studio mitverfolgen, anstatt nur zu Hause am Bildschirm. Hoffentlich bald wieder möglich! Insgesamt würde ich sagen, hat sich auch im Terzett eine kleine feine Runde an klugen Köpfen anregend über Literatur austgeauscht. Sehenswert.

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