StartseiteE-BooksWilde Medienspekulation: »Amazons eBook-Reader Kindle kommt nach Deutschland«

Wilde Medienspekulation: »Amazons eBook-Reader Kindle kommt nach Deutschland«

Sieht so das Kindle 2.0 aus?»Amazon bringt E-Book-Reader Kindle nach Deutschland« oder »Amazons E-Book-Leser kommt nach Deutschland« titeln seit gestern einige Online-Medien. Doch schon der Konjunktiv in den Meldungen dazu macht stutzig: »Das Gerät könne auf der Frankfurter Buchmesse seine Deutschland-Premiere haben«. Am Messestand von Amazon sicherlich nicht, denn der Online-Händler ist auf der Buchmesse nur virtuell vertreten.

Grundlage für all diese Spekulationen ist ein dpa-Bericht, der wiederum auf einer Vorabmeldung der Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung beruht. Liest man den Artikel in der heutigen Ausgabe, so zeigt sich schnell, dass die FAZ damit nur einen völlig belanglosen Bericht interessant machen wollte, der nichts Neues über den eBook-Reader Kindle enthält außer hinlänglich bekannten Dingen, wie die von TechCrunch vermuteten Verkaufszahlen von 240.000 Exemplaren in den USA. Der Rest beruht auf Amazons eigenen Marketing-Aussagen. Und wieder einmal wird die Parallele zu Apples iPod gezogen, was man offenbar davon ableitet, dass das Gerät auch weiß ist und man käufliche Inhalte nur vom Hardware-Anbieter in einer Art Monopolstellung beziehen kann.

Die Vermutung, Amazon könnte die Buchmesse für den Deutschland-Start des Kindle nutzen, wird allein aus einer vagen Aussage des Geschäftsführers von Amazon in Deutschland, Ralf Kleber, abgeleitet. Der sagt in der FAZ: »Wir wissen, dass viele Kunden auch außerhalb Amerikas daran interessiert sind, den Kindle zu kaufen, und dementsprechend wollen wir den Reader auch in anderen Ländern zur Verfügung stellen.«

Keine sonderlich überraschende Aussage, denn diese besteht bereits, seit Amazon das elektronische Lesegerät für 399 US-Dollar im Herbst 2007 präsentierte. Heute kostet das in Sachen Design und Usability an die 80er-Jahre erinnernde Gerät in den USA 359 Dollar. Weitere wesentlich interessantere Details zu einer möglichen Kindle-Einführung in Deutschland bringt auch der FAZ-Artikel nicht:

  1. Welcher Mobilfunkanbieter realisiert den kostenlosen Netzzugang, der dem Kindle das Herunterladen der elektronischen Bücher an jedem Ort erlaubt? Auch hier war bereist im Herbst letzten Jahres Vodafone im Gespräch bzw. Vodafone hat sich ins Gespräch gebracht, um vom Kindle-Hype zu profitieren.
  2. Wie sehen die Verhandlungen mit den deutschsprachigen Verlagen über die Inhalte aus?
  3. Welche Rolle spielt in Deutschland die Preisbindung und wie wirkt sich diese auf den Verkaufspreis aus? In den USA sind Bücher nicht preisgebunden und Amazon bietet die elektronischen Ausgaben meist für 9,99 Dollar an. Bereits vor einigen Jahren hatte der Anbieter des ersten groß gehypten eBooks, des Rocket-Book (später Gemstar eBook), Verträge mit vielen deutschen Verlagen, doch waren die elektronischen Buchausgaben leider nicht günstiger als die Hardcover-Varianten. Das Gemstar eBook existiert heute nicht mehr. Auf der anderen Seite experimentieren bereits einige deutsche Verlage mit günstigeren elektronischen Ausgaben.
  4. Welche Modellversion wird bei einem möglichen Deutschlandstart vertrieben? Die erste derzeit in den USA erhältliche Version fiel in Sachen Design bei den Kritikern einheitlich durch und wurde wegen seiner klobigen Form und Unhandlichkeit belächelt. »Nicht alles, das weiß ist, ist automatisch auch cool«, witzelten Kritiker in Anlehnung an den Look der Apple-Geräte. Und so gibt es weitere Spekulationen, dass in den USA im Oktober bereits die zweite Generation des Kindle auf den Markt kommen könnte, die hoffentlich schöner und lesefreundlicher gestaltet ist.

Zwar mag es nicht auszuschließen sein, dass auf der Frankfurter Buchmesse ein Amazon-Vertreter auf einer Pressekonferenz den Prototyp der zweiten Kindle-Generation hochhält und Details zur Markteinführung verrät, doch bis das Gerät tatsächlich auch in Deutschland erhältlich ist, könnte ein weiteres Jahr vergehen.

Die Spekulationen und Berichte auf Basis des FAZ-Artikels, in dem nichts Neues zu lesen ist, sind derzeit jedoch noch heiße Luft im Sommerloch.

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9 Kommentare

  1. Seit einigen Tagen habe ich das Gefühl, ich reise durch die Zeit. Irgendwie fühle ich mich um ein Jahr zurückversetzt. Schon damals gab es vor (und auf) der Messe wilde Spekulationen um den (das? die?) Kindle ;-). Aber ist ja irgendwie auch unterhaltsam. Im Ernst: Das Gute ist doch, dass das Thema “E-Books” dadurch an Visibilität und Aufmerksamkeit gewinnt. Das braucht der Markt, um eine Chance zu haben, ein Massenphänomen zu werden.

  2. Endlich ein Artikel, der die anderen Pressemeldungen kritisch betrachtet. In mir keimt schon länger der Wunsch nach einem alltagstauglichen Ebook Lesesystem (also kein Notebook, PDA oder gar auf dem Mobiltelefon). Daher habe ich Amazons Kundenservice kontaktiert und nach einer Vorbestellmöglichkeit für den Kindle gefragt. Die Antwort lautete wörtlich “Was für ein Produkt meinen Sie mit Kindle?”

  3. @Aleks – wenn Du ein alltagstaugliches E-Book-Lesegerät suchst, kann ich Dir das CyBook empfehlen (bekommt man z.B. bei justread.de, ebenso wie ein paar andere). Die Technologie ist die gleiche wie beim Kindle und auch der Preis ist ähnlich. Das Ding hat leider kein WLAN, dafür müsste man wohlden wesentlich teureren iLiad kaufen. Optionen gibt’s aber heute schon genug – auf den Kindle muss man da nicht unbedingt warten.

  4. @Ralf – mein Problem ist das “betanken” des Geräts. Ich arbeite mit Mac OS und angeblich ist das immer ein Problem (laut unserer IT) Daher war ich über die Stand-alone Technologie des Kindle höchst erfreut. Das CyBook schau ich mir mal an.

  5. Schade, dass es in Deutschland immer so lange dauert. Ich habe seit einem Jahr den Kindle (dank zahlreicher Reisen in die USA) und seit kurzer Zeit die zweite Version. Das Gerät ersetzt sicher nicht den haptischen Genuss des Buchlesens – allerdings für Menschen wie mich – die nicht immer mit 3 kg Buch im Reisegepäck unterwegs sein wollen ist der Kindle super. Ich erwische mich allerdings auch mehr und mehr zu Hause … Ich würde mir wünschen, dass wir auch bald in Deutschland die Gelegenheit hätten, Bücher in deutscher Sprache günstiger zu laden und zu lesen – ich glaube, es täte auch der Lesekultur gut !

  6. Also was für Auswirkungen solche Entwicklungen auf die Lesekultur haben, bleibt sicherlich erst noch festzustellen. Ich habe irgendwie das Gefühl, Amazon und co. versuchen hier die lesekultur bewusst in eine Richtung zu Formen und ich sehe noch nicht, dass das sonderlich gut funktioniert. Anstatt erstmal genau zuzuhören, was die Kunden sich wünschen, werden ihnen einfach irgendwelche Hightechgeräte vorgesetzt, die sie dann direkt in den Alltag implementieren sollen. Bin mal gespannt, wie das Ganze noch weitergeht.

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