StartseiteLiterarisches LebenErfahrungsbericht: Von der Idee zum Manuskript, vom Verlagskontakt bis zum Verlagsvertrag

Erfahrungsbericht: Von der Idee zum Manuskript, vom Verlagskontakt bis zum Verlagsvertrag

SchreibenDie Idee hatte sich viel Zeit gelassen. Bis sie endlich Konturen annahm, musste sie über zwei Jahre im Kopf reifen. Nachdem ich die ersten Ideefetzen auf Papier gespuckt hatte, war der Rohbau schnell fertig. Die Worte flogen von der Tastatur auf den Bildschirm, als ob ein Ghostwriter im Computer gesessen hätte. Das erste Manuskript war nach vier Monaten fertig, doch wie sollte es weiter gehen?

Aller Anfang ist nicht nur schwer, sondern entscheidend für den Erfolg. Aus diesem Grund ließ ich die ersten Seiten meines jungfräulichen Manuskripts von zwei Personen lesen – von einem Spezialisten des Genres und von einer Vertreterin des anderen Geschlechts. Schließlich sollten auch Frauen als Leser infrage kommen.

Nachdem der Anfang passte, schickte ich das Manuskript an fünf Erstleser, natürlich nach vorheriger Absprache. Zwei Exemplare bekamen meine größten Kritiker in zwei unterschiedlichen Foren – zum einen die wohl größte und älteste deutsche Literaturplattform und zum anderen ein Meinungsforum, in dem auch Literatur veröffentlicht wird.

»Unter Autoren gibt es Fotografen und Knipser. Ich möchte, dass du ein Fotograf wirst.«

Die weiteren Exemplare gingen an »Spezialisten«, einer für »SciFi«, der andere für »Thriller« und der dritte für »schöne Literatur«. Alle Testleser waren männlich, also musste noch eine Frau her. Sie war schnell gefunden, denn meine Herzensdame sagte mir ihre Unterstützung zu. Ihre bevorzugten Genres: Belletristik und anspruchsvolle Frauenliteratur.

Während die Spezialisten sehr positiv auf meine Erstschrift reagierten, war das Feedback meiner größten Kritiker niederschmetternd. Nachdem der erste Schock verdaut war, begann ich die Kritik zu sezieren. Und entdeckte, dass ich ratlos vor einem großen Problem stand:

Zum Teil war die Kritik widersprüchlich. Was dem einen gut gefallen hatte, war vom anderen für schlecht befunden worden und umgekehrt. Ich ließ die Kritik zunächst einmal sacken und kümmerte mich zuerst einmal um meine Wunden, um meine Niedergeschlagenheit zu überwinden.

Nachdem ich meine seelische Stabilität wieder hergestellt hatte, versuchte ich herauszufiltern, welche der angesprochenen kritischen Punkte für mich nachvollziehbar waren und überlegte, was ich wie verbessern könnte. Dabei hatte ich noch zwei bis dreimal Rücksprache mit meinen Ratgebern gehalten. Letztendlich haben mir meine Kritiker mehr geholfen als meine befreundeten »Spezialisten«. Bekanntlich neigen Freunde dazu, einen Text eher positiv als negativ zu bewerten. Das kann dem Autor bei den weniger wohl gesonnenen Testlesern nicht passieren.

So gab mir der eine abschließend mit auf den Weg: »Unter Autoren gibt es Fotografen und Knipser. Ich möchte, dass du ein Fotograf wirst, kapiert?«

Und der andere schloss: Das ist der Unterschied zwischen uns. Ich dachte, wenn ich es nicht mindestens bis zum Nobelpreiskandidaten schaffe, fange ich erst gar nicht an. Da bist du viel vernünftiger und realistischer – und das ist gut so. Viel Glück also!

Einige Ratschläge erhielt ich vom Lektor meines Erstwerkes und auch von einer Bekannten, einer Lektorin des Skalding Verlags.

Mein früherer Lektor gab mir folgenden Hinweis:

Abstand davon nehmen zu glauben, man sei etwas Besonderes, man sei »intellektuell«, man hätte »etwas ganz Tolles geschaffen«. Stattdessen: Ein gutes, hervorragend produziertes Produkt anbieten, das ernsthafte Chancen auf dem Markt hat.

Die Lektorin des Skalding Verlags war von meinem ersten Entwurf nur wenig beeindruckt. Immerhin empfahl sie mir, noch etwas am Stil und an der Spannung meines Manuskripts zu feilen, was ich dann auch tat.

Nach den zahlreichen Ratschlägen ließ ich mein Unvollendetes ein paar Tage liegen, dachte nach und las nochmals zwei Bücher zum Handwerk:

Das Schreibseminar. Vom Buchstabenchaos zum Sprachkunstwerk, erschienen im Ueberreuter Verlag und Kreativ schreiben. Handwerk und Techniken des Erzählens, erschienen im DuMont Literatur und Kunst Verlag.

Ich änderte noch einige kleinere Details des Manuskripts und war mir endlich sicher: So kannst du es lassen!

Fast alle Verlage wünschen beim Erstkontakt noch nicht die Zusendung des Manuskripts

Dann begannen die Marketingaktivitäten. Ich wollte die Verlage direkt kontaktieren und auf die Hilfe von Agenten verzichten. Das muss nicht jeder so machen. Ich bevorzuge direkte und effiziente Kommunikation und mag keine Zwischenhändler.

Doch zuerst musste ich ein Exposé erstellen. Wie so etwas aussehen soll, findet man entweder in den Manuskriptrichtlinien der Verlage auf deren Websites oder man googelt sich durchs Internet. Häufig geben die Verlage vor, wie das Exposé und eine Schreibprobe auszusehen haben. Das Expose enthält Zusammenfassung plus Inhaltsangabe des Werkes, sowie dessen Titel und Umfang und eine Kurzvita des Autors. Die Leseprobe sollte ein spannendes Kapitel sein, etwa 20 bis 50 Seiten.

Wichtig: Fast alle Verlage wünschen beim Erstkontakt noch nicht die Zusendung des Manuskripts.

Als nächstes befasste ich mich mit Marktforschung. Was ist das für eine Lektüre, die ich fabriziert habe? Ein Wissenschaftsthriller, gewürzt mit ein wenig Scifi und Mystery. Mit anderen Worten: Ein Produkt, worüber in Deutschland das Volk die Nase rümpft. Welcher Verlag verlegt so etwas?

Auf der Website der Verlage findet man ausreichend Infos, um festzustellen, ob er die Zielgruppe des Autors bedient. Verlage, die ausdrücklich das Genre »SciFi«  ablehnen, habe ich nicht angeschrieben. Wenn ich nicht ganz sicher war, habe ich mit dem Verlag telefoniert. Ein kurzes Gespräch und es war klar, ob ich eine Leseprobe und ein Exposé einschicken durfte.

Dann ging es endlich los. Die meisten Verlage verlangten Ausdrucke der Leseprobe und des Exposés, einige bevorzugten Emails plus Anlagen als Word Dokument oder als PDF.

Nach fünf Monaten endlosen Wartens war ich mit dem Ergebnis zufrieden.

Ich hatte 25 Verlage kontaktiert und bekam, welch Wunder, 18 Feedbacks. Sieben Verlage hatten mein Werk auf der Lektorenkonferenz besprochen, unter anderen Rowohlt, Gmeiner, KBV und Emons.

Die genannten Verlage haben mein Manuskript aus unterschiedlichen Gründen abgelehnt. Bei Rowohlt wurde die Idee sehr kontrovers diskutiert. Für eine Zusammenarbeit fand sich leider keine Mehrheit.  Bei Gmeiner fand das Manuskript zwar Zuspruch, passte aufgrund der Fantasy-Aspekte aber nicht ins Programm.

Ähnlich befand KBV: »Sie haben eine temporeiche Schreibweise, der man gut folgen kann. Leider aber ist Ihr Text, soweit ich sehen kann, doch viel mehr im Science-Fiction-Genre als im Krimi angesiedelt. Also, ich denke, das ist nichts für den KBV, der sich (mit wenigen Ausnahmen) auf die Herausgabe deutscher Regionalkrimis spezialisiert hat.«

Emons forderte mich auf, den regionalen Aspekt noch stärker auszuarbeiten. Aber auch meine kosmetischen Nacharbeiten konnten Emons letztendlich nicht überzeugen.

Cover: Die Schattenwelt des Baldo RichtersSieben Verlage haben mir mitgeteilt, dass sie derzeit mein Genre nicht verlegen. Nur zwei Verlage schickten eine 08/15 Absage und nur zwei beurteilten die Leseprobe negativ: Skalding wertete Stil, Spannung und Charakter des Protagonisten als wenig überzeugend. Grafit war nicht beeindruckt vom Stil und vom Plot. Bei Skalding hätte ich eine überarbeitete Leseprobe nachreichen können. Der Rest der Verlage beurteilte den Plot überwiegend positiv, sowie Sprache und Erzähltechnik als temporeich und spannend.

Zwei Verlage wollten mein Manuskript verlegen. Letztendlich entschied ich mich für den Schenk Verlag in Passau. Die Verhandlungen verliefen unproblematisch und fair. Die vertraglichen Inhalte, wie z.B. Honorarreglung, Anzahl der Freiexemplare und Verwertung der Nebenrechte entsprechen den üblichen Standards der Großverlage. Mit entscheidend war auch die Betreuung. Der Lektor ist ein Unikum im Literaturbetrieb. Er war 20 Jahre Chefredakteur bei einem größeren Verlag und hat selber Kinderbücher, Thriller und Krimis veröffentlicht.

Was habe ich daraus gelernt und was kann ich weitergeben?

Im Grunde kann ich bestätigen, was mir meine Ratgeber ins Stammbuch geschrieben haben:

Zunächst sollte der Autor sich selbst aus der Distanz betrachten und sich voll und ganz in seine Arbeit stürzen. Schreiben ist zu 90 Prozent Arbeit und nur zu 10 Prozent Inspiration. Dazu zählt nicht nur die Gestaltung des Manuskripts, sondern auch das Drumherum, wie z.B. eine professionelle Gestaltung des Exposés und der Leseprobe.

Darüber hinaus gilt, ein Fotograf zu werden –  ist das Werk eindeutig charakterorientiert und/oder weniger handlungsorientiert, dann wiegt dieser Rat umso mehr. Schließlich muss der Autor seine Stärken und Schwächen realistisch einschätzen und keine allzu hohen Erwartungen an sich und an sein Werk stellen. Ein wenig Mut gehört auch dazu.

Wer sich daran hält, ein Thema hat und schreiben kann, der sollte es wagen. Auf jeden Fall!

Kai Beisswenger

Nachtrag: Das Buch von Kai Beisswenger ist nun erhältlich

»Die Schattenwelt des Baldo Richters« lautet der Titel des Kriminalromans, der ab sofort über jede Buchhandlung oder online zu bestellen ist.

Derzeit keine Titelinformationen vorhanden.

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25 Kommentare

  1. Kai Beisswenger erklärt, direkte Kontakte zu bevorzugen, weshalb er auf Agenturen verzichtet. Für mich ist das der bemerkenswerteste Satz in diesem Bericht, der ansonsten, mit Verlaub, vieles aufzählt, das als selbstverständlich gelten sollte (was aber, zugegeben, nicht jedem Neuautor geläufig ist, weshalb die Wiederholung dieser sattsam bekannten Weisheiten auch nicht schaden kann). Beisswengers Manuskript schafft es gar in die Lektorenkonferenz bei Rowohlt, was nicht nur für potentielle Debütanten eine sehr ordentliche Leistung ist. Am Ende landet der Text bei einem doch eher possierlichen Verlag mit amorphem Sortiment, der, wie eine kurze Prüfung ergab, im Präsenzbuchhandel unterdurchschnittlich oft vorzufinden ist und bisher keinen Bestseller oder wenigstens überregionalen Achtungserfolg im Programm hat.
    Der Autor liefert meiner Meinung nach hiermit jene Argumente, die seine Ausgangsposition (“direkte” Kontakte, also keine Agentur) deutlich widerlegen. Bei Hinzuziehung einer literarischen Agentur wäre das Buch wahrscheinlich bei Rowohlt erschienen, vor allem hätte eine gute Agentur darauf gedrungen, es, wenn man so will, bereits rowohltkompatibel anzubieten. Beisswenger hatte hier eine wichtige, wenn nicht entscheidende Hürde bereits geschafft, diesen Etappensieg aber nicht nutzen können. Vermutlich fehlte an dieser Stelle die Erfahrung, möglicherweise hätten ein wenig Verhandlungsgeschick und bessere Marktkenntnisse geholfen – beides Leistungen von Agenturen. Der Verlagsvertrag mit dem dann gewählten Haus ist zwar keine Niederlage, platziert den Autor aber in der unteren zweiten Liga, obwohl eine Position in der ersten greifbar nahe war. Nun gut, wahrscheinlich sind weitere Projekte längst in Planung, bei deren Vermarktung dann auf die Erfahrungen aus dem aktuellen zurückgegriffen werden kann.

    Agenturen sind keine “Zwischenhändler”, sondern Partner der Autoren, sie teilen die Interessen mit ihnen: Erfolg des Autors ist immer auch Erfolg der Agentur – und umgekehrt. Im Idealfall stellen Agentur und Autor aus Sicht der jeweiligen Vertragspartner (als der Verlage) eine Einheit dar. Agenturen sind nicht einfach nur Leute, die an der Kunst der Autoren mitverdienen. Auch das ist unterm Strich eine sattsam bekannte Weisheit, aber eine wichtige – die in diesem Text fehlte.

    Herzlich,
    Tom Liehr

  2. Ich muss Tom zustimmen. Und kann beim besten Willen nicht verstehen, wieso Herr Beisswenger seinen Verlagsvertrag als Erfolg verkauft. Was hätte er denn gemacht, wenn kein Verlag “angebissen” hätte? Dann wäre das Manuskript “tot” gewesen. Es ist zwar heutzutage nicht gerade einfach, eine Agentur zu finden, doch wenn man sich tatsächlich die Mühe macht und es versucht, hat man – neben oft sehr hilfreichen und ausführlichen Gratis-Kritiken, die die Absagen begründen und die man nutzen kann, um weiter am Manuskript zu feilen – zumindest 2 Runden. Die erste ist die Agenturrunde, und erst, wenn sich keine Agentur findet, die das Manuskript vertreten will, kann man in der 2. Runde direkt zu den Verlagen gehen. Umgekehrt geht das leider nicht. Und wie Tom schon sagte, die Agenturen wissen, was die Verlage wollen, mit denen sie zusammenarbeiten. Und auch, wie sie es wollen.

    Außerdem bezweifle ich, ob es beim zweiten Werk wirklich hilft, wenn Herr Beisswenger in einem so kleinen Verlag veröffentlicht wurde. Das ist für die “Großen” keineswegs schon ein Türöffner.

    Herzlich
    Cornelia Lotter

  3. Natürlich spielen auch Vorurteile und Unkenntnis eine Rolle, wenn sich Nachwuchsautoren um einen Verlag bemühen. Insofern sind m.E. die beiden Einwände der Kommentatoren sehr wichtig.

    So schrieb auch der Autor Jörg Isringhaus in seinem RP-Beitrag „Von der Idee zum Roman“:

    „Ohne Agent geht nichts in der Buchbranche. Er vermarktet das Werk. Bei einem Agenten muss man sich bewerben wie bei einem Verlag. Ich habe Glück.“

    Der Autor hatte Glück und fand einen Agenten. Aber wie findet der Jungautor eine geeignete Agentur? Ist es nicht einfacher, einen passenden Verlag zu finden? Kann die Qualität eines Verlages nicht viel rascher und besser eingeschätzt werden als die Qualität einer Agentur?

    Zudem kann sich ein Agent ebenso irren wie der Lektor eines Verlages. Ein Agent lehnt das Manuskript ab und ein Lektor wagt etwas und betritt Neuland. Wer hätte gedacht, dass „Der Schwarm“ funktioniert? Tausend Seiten vollgestopft mit Wissenschaft – und allen Unkenrufen zum Trotz ist ein Bestseller daraus geworden.

    Auf der anderen Seite sind die Argumente von Frau Lotter und Herrn Liehr sehr stichhaltig. Ich glaube auch, dass die Kombination guter Autor/guter Agent ein „Dreamteam“ ist.

    Man spürt die engagierte Professionalität beider Kommentatoren. Doch wir dürfen auch nicht vergessen, dass vielen Jungautoren ein harter Weg bevorsteht. Wer auf seinem dornigen Weg die Absage eines Verlags nach Besprechung auf der Lektorenkonferenz nicht als Erfolg verbucht, wird sicherlich viel zu früh aufgeben. Und wessen einziges Interesse die Zusammenarbeit mit einem „großen“ Verlag ist, der riskiert womöglich, dass ihm eine sehr intensive und lehrreiche Kooperation mit einem engagierten Lektor entgeht. Auch „große“ Verlage haben einmal „klein“ angefangen und manchmal ist der Weg das Ziel.

  4. Hallo, Kai Beisswenger.

    Es mag einfacher sein, einen geeigneten Verlag zu finden (im Sinne von “auszumachen”), weil Verlage über eine andere Präsenz verfügen als Agenturen, zudem kennt man sie als Leser längst. Wer Science Fiction, Fantasy, “Hosenrollenromane”, Krimis, Gegenwarts- oder Popliteratur usw. schreibt und selbst viel liest (was Autoren selbstverständlich unbedingt tun sollten – noch so eine Binsenweisheit) oder eine Buchhandlung in der Nähe hat, weiß praktisch ohne jede Recherche, welche größeren Verlage anzusprechen wären – ein Blick ins Regal genügt. Das bedeutet aber längst nicht, dass sie deshalb auch einfacher zu erreichen wären. Die Anzahl der Bücher, die aus unverlangt eingesandten Manuskripten entstehen, ist bei allen größeren Verlagen durch die Bank erschreckend gering. Selbst Häuser, die viel investieren, um neue Autoren aufzubauen, generieren ihre jährliche Debütantenquote von ein bis drei Leuten aus mehreren tausend Manuskripteinsendern (wir erinnern uns: geschätzt mehr als 300.000 unterschiedliche (!) Manuskripte werden Jahr für Jahr an Verlage verschickt). Manch ein Verlag hat nur alle paar Jahre einen Neuling im Programm, der sich selbst beworben hat. Andere Verlage überhaupt keinen. Trotzdem gibt es, unwidersprochen, auch Autoren, die auf diesem Weg an Verlagsverträge gekommen sind, und zwar in der ersten Liga. Allerdings ist es wenig hilfreich, sich auf solche Ausnahmen zu kaprizieren (oder, z.B., Frank Schätzing als Beispiel heranzuziehen, mit Verlaub).

    Die “Qualität” einer Agentur lässt sich heutzutage relativ leicht bestimmen. Entsprechende Listen sind nur ein paar Mausklicks entfernt, und die Sites der Agenturen informieren über die aktuellen Kunden- und Klienten – die man wiederum kontaktieren kann, um Erfahrungen einzuholen. Die Reputation dieser Branche hat in den vergangenen Jahren stark zugenommen, und auch wenn manch ein Verlag oder Verlagslektor noch hier und da verlauten lässt, er würde lieber mit Autoren direkt zusammenarbeiten als mit Schriftstellern, die sich vertreten lassen, sieht die Realität inzwischen doch anders aus. Es gibt zwar noch keine amerikanischen Verhältnisse, aber eine deutliche Tendenz dorthin. Am Rande bemerkt würde ich mir als Verlagslektor oder Programmchef auch wünschen, einem Verhandlungspartner gegenüberzusitzen, der ausschließlich an Ruhm und Ehre denkt und deshalb gerne dazu bereit ist, alles mögliche zu unterschreiben. 😉

    Um nicht missverstanden zu werden: Ich will nicht als goldenen Weg verkaufen, sich von einer Agentur vertreten zu lassen, davon abgesehen ist auch in diesem Bereich der Einstieg inzwischen schwer geworden. Wer ohnehin ein brillant verhandelt, gute Kontakte und Kenntnisse hat, sich zu präsentieren weiß usw. usf., der mag ohne Agentur besser auskommen. Die anderen, und nur darum ging es mir, verbauen sich möglicherweise Chancen. Nein, ziemlich sicher sogar, wie Ihr Erfahrungsbericht m.E. auch zeigt.

    Ein wenig ähnelt die Argumentation auch dem, was man immer wieder in BoD- und Selbstverlegerforen liest. Leute reden sich ihre Wahl damit schön, die Kontrolle über das Projekt behalten zu haben, an jeder Stelle und zu jedem Zeitpunkt. Das mag sogar stimmen, aber im Ergebnis werden schlechte Texte “veröffentlicht”, die niemand kaufen will. Der Künstler mag vorläufig damit zufrieden sein, und – unter uns – die meisten haben es auch nicht besser verdient. Aber der Literaturmarkt ist ein Geschäft, bei dem es lediglich auch um Kunst geht. In der Hauptsache geht es um Verkäufe, und zwar spätestens von dem Moment an, in dem Exposé und Leseprobe eines Romans fertiggestellt sind.

    Herzlich,
    Tom Liehr

  5. Sehr geehrter Herr Beisswenger,

    ich finde die Quote von 25 angeschriebenen Verlagen und 2 Zusagen sehr gut. Viele Autoren holen sich da mehr negative Bescheide ab, wenn sie denn überhaupt einen Verlag finden, der das Buch verlegt. Sicher liegt dieser Erfolg auch an der vorherigen Recherche im Internet, hier kann man bereits im Vorfeld einige Verlage ausschliessen, die thematisch nicht passen. Weiterhin viel Erfolg, Gruß Christina Wendt

  6. Immer wieder lese ich diese persönlich angreifenden Kommentare des Tom Liehr in allen Foren. Hat er selbst wohl vergessen, dass er auch mal als >Schreiber< angefangen hat?
    Kai Beisswengers Darstellung finde ich mutig und gut; auch wenn sich über persönliche Erfahrungen und Meinungen sicher lässt. Ich halte es aber für vollkommen deplatziert, ihn persönlich anzugreifen und seine Meinung niederzumachen und ihn gar in eine >tieferekleiner und niedriger< zu reden.

    Danke Kai Beisswenger für Ihren Beitrag!

  7. Hallo, Hanspeter Paul.

    In “allen Foren”? Wie erstaunlich, bin ich doch nur in einem einzigen Autorenforum aktiv. 🙂

    Wenn Sie meine Kommentare als Angriff oder den Versuch, den Autor niederzumachen, werten, verstehen Sie sie falsch. Kai Beisswenger hat einen fraglos für viele Neuautoren interessanten Erfahrungsbericht geliefert, aber er hat meiner völlig unmaßgeblichen Meinung nach eben auch die Erklärung dafür mitgeliefert, warum seine Prämisse – nämlich auf Agenten zu verzichten – möglicherweise nicht optimal war. Einzig auf diesen Aspekt bin ich eingegangen. Dass der Schenk Verlag in Passau im Vergleich zu Rowohlt zweite Liga ist – darüber müssen wir uns nicht streiten, oder? Natürlich kann man auch bei/mit kleineren Verlagen erfolgreich werden, aber eben nur vergleichsweise erfolgreich. Es ist Kai Beisswenger zu wünschen, dass es ein vergleichsweise großer Erfolg wird.

    Ich nehme an, dass “Hanspeter Paul” ein Pseudonym ist. Welchen Text von Ihnen habe ich bei den 42erAutoren verrissen?

    Herzlich,
    Tom Liehr

  8. Tom Liehr schrieb:
    Ich nehme an, dass “Hanspeter Paul” ein Pseudonym ist. Welchen Text von Ihnen habe ich bei den 42erAutoren verrissen?

    Nun, sicher ist es der falsche Thread um angemessen darauf einzugehen.
    Aber es geht weder um mich – es ist übrigens kein Pseudonym – noch um die Frage, ob Sie einen Text von mir verrissen haben …
    Es geht vielmehr um die Art und Weise wie Sie Menschen in manchen Foren – auch über die 42ger hinaus, kritisieren. Damit wir uns richtig verstehen: Kritik halte ich für absolut wichtig, allerdings sollte sie konstruktiv sein. Ihre Kritiken, vor allem gegenüber den Meinungen von Newcomern, halte ich für destruktiv, beleidigend und demotivierend. Ich kann mir auch nicht vorstellen, dass Sie das nicht längst wissen …

  9. Zu den Auslassungen von Hanspeter Paul:

    Die Ausführungen von Tom Liehr zu diesem Beitrag sind an keiner Stelle beleidigend, destruktiv oder demotivierend. Sie zeigen eine kontroverse Meinung zu dem hier vorgelegten Erfahrungsbericht. Emotional darauf zu reagieren und dazu noch unbestimmt auf andere Foren zu verweisen, ohne die anzugeben – dass ist unsachlich, destruktiv und womöglich auch beleidigend.

    Meine Meinung zu diesem Erfahrungsbericht:

    Ich finde es positiv, wie ein Autor sein Vorgehen offenlegt, auch unter Nennung der Verlage, bei denen er es versucht hat und unter Angabe der negativen Rückläufe. Insgesamt finde ich das Ergebnis gar nicht schlecht. Kritik einzuholen und auch auf die zu regieren, bevor ein Verlag (oder Literaturagent) mit dem Manuskript konfrontiert wird, dass ist etwas, was noch viel tiefer in die Köpfe »neuer Autoren« verankert gehört. Die systematische Verlagssuche ist auch mustergültig geschildert.

    Unabhängig davon hat Tom natürlich recht, dass ein Agent möglicherweise mehr herausgeholt hätte. Aber vorher hätte auch ein Agent gefunden werden müssen und wenn sich ein Autor entscheidet, darauf zu verzichten und es selbst zu versuchen (warum auch immer), dann sollte das respektiert werden.

    Horst-Dieter Radke

  10. @1/Tom Liehr
    Was ist bitte ein “possierlicher Verlag mit amorphem Sortiment”? Und was sagt es über die Qualität eines Verlages aus, der (scheinbar) “im Präsenzbuchhandel unterdurchschnittlich oft vorzufinden ist und bisher keinen Bestseller oder wenigstens überregionalen Achtungserfolg im Programm hat”?

    Was ist das für eine Sprache? Und was ist das für ein Verständnis?

  11. Bin gerade über dieses Wort bei Herrn Liehr gestolpert “rowohltkompatibel” und hab ein bisschen Gänsehaut bekommen.

    Bisher ging ich wohl von der irrigen Annahme aus, man schreibt für den Leser, will eine gute Geschichte erzählen. Soll das jetzt heißen, dass man sich, bevor man die Geschichte aufschreibt, erstmal Gedanken macht, zu welchem Verlag das Werk denn passen könnte, damit man dann auch schön mainstream like ins Verlagsprogramm passt?

    Was hätten wohl Mann, Böll oder Grass gesagt, wenn deren Agent gemeint hätte, das wäre nicht “xyverlagskompatibel”?

    Nur so 2 Cents von einem Ahnungslosen …

  12. @Gregor Keusching: Die vielen Verlage unterscheiden sich vor allem durch ihre Reichweiten und ihre Programmstrukturen (und, natürlich, ihre Größe als Unternehmen) voneinander. Während die großen Publikumsverlage den Präsenzbuchhandel vollständig abdecken, vom Feuilleton wahrgenommen werden, mit großen Marketingbudgets hantieren und hohe Auflagen kalkulieren, suchen sich kleinere Verlage ihre Nischen, erreichen nur einen Teil des Buchhandels (sind also häufig lediglich über Bestellmöglichkeiten präsent), investieren vergleichsweise wenig in Werbung, werden im belletristischen Bereich vom Feuilleton nur als Randerscheinung wahrgenommen und arbeiten mit niedrigen Startauflagen. Manch ein kleiner Verlag bemüht sich, das durch ein zwar sehr breites, aber uneinheitliches Programm zu kompensieren. Es sagt selbstverständlich nur wenig über die “Qualität” des Verlages als Partner von Autoren aus, wie gut die Firma auf dem Markt aufgestellt ist. Möglich sogar, dass die Betreuung in kleineren Verlagen sehr viel besser ist als bei Publikumsverlagen. Aber Autoren, denen es um Buchverkäufe geht (und ich entnehme Kai Beisswengers Erfahrungsbericht, dass dieser Aspekt für ihn zumindest von Interesse ist), die viele Leser erreichen wollen, werden in dieser Hinsicht nur ausnahmsweise hohe Zufriedenheit erwarten können, wenn sie mit kleinen Verlagen zusammenarbeiten. Das ist eine Binsenweisheit, die sich auf das gesamte Wirtschaftssystem umlegen lässt. Was daran ist nicht zu verstehen? Kai Beisswenger *hat* sich ja um größere Verlage bemüht, und ich bin sicher, er hätte sich auch für einen davon entschieden, wenn ein Angebot vorgelegen hätte.

    @Peter Hellinger: Nun, wer lesen kann, ist klar im Vorteil. 😉 Ich schrieb nicht, eine Agentur hätte darauf gedrungen, das Manuskript “rowohltkompatibel” zu *verfassen*, sondern *anzubieten*. Wenn Sie es wünschen, erkläre ich gerne den Unterschied.

    Herzlich,
    Tom Liehr

  13. Ich glaube auch, dass einem Nachwuchsautoren die Erfahrung und die Kaltschnäuzigkeit fehlt, sein Produkt “großverlagskompatibel” anzubieten. Insofern kann ich mir vorstellen, dass gerade der Neuling “großväterliche” Hilfe sehr gut gebrauchen kann.

    @Herr Liehr hat sich ja bereit erklärt, hierzu mehr zu schreiben. Könnten Sie das etwas detaillierter darstellen?

  14. Nunwohl. Einfache Frage: Was tun Verlage? Einfache Antwort: Sie veröffentlichen (verlegen) Bücher. Letztlich produzieren sie Bücher, die sie dann vertreiben. Insofern gleichen Verlage allen anderen Betrieben, die Produkte selbst herstellen und dann – auf direktem Weg oder über den Handel – absetzen. SAP macht das mit Unternehmenssoftware, Audi mit Fahrzeugen und Johnson & Johnson (u.a.) mit Tampons. Tatsächlich besteht ein bemerkenswerter Unterschied: Die Produkt-Vorläufer entstehen bei Verlagen nicht im Haus, sondern werden von Autoren zugeliefert, und diese Autoren entscheiden weitgehend – im Unterschied zu Lieferanten von SAP, Audi und J&J – selbst darüber, was sie anbieten. Romanmanuskripte von Debütanten entstehen fast ausschließlich im stillen Kämmerlein, und je nach Anspruch und Arbeitsansatz des Autors mit sehr unterschiedlichen Dosierungen von Marktbetrachtung, Genreorientierung, Zielgruppenblick und ähnlichem. Manch einer, meint man, schreibt genau genommen für sich selbst, wobei großartige Romane entstehen können, während andere zwar (wie Andreas Eschbach formuliert hat) Bücher verfassen, die so nur sie selbst herstellen können, die aber bereits in der Projektierungsphase durchaus für den Markt skizziert werden. Die meisten Autoren von – auch gehobener – Unterhaltungsliteratur gehen so vor, was keinesfalls bedeutet, dass sie allesamt Epigonen sind. Es sind Autoren, die Trends setzen, Genres neu definieren, Vorlagen für wieder andere Autoren liefern. Im Ergebnis entstehen Bücher, die verkauft werden sollen. Zuweilen hört man von Schriftstellern, die diesen Aspekt wenigstens öffentlich eher naserümpfend betrachten, sich aber trotzdem über die Tantiemen auf dem Konto freuen. (Und, nebenbei bemerkt, ebenso täglich ihren Amazon-Verkaufsrang prüfen wie alle anderen auch.)

    Bei Neuautoren liegt meistens ein vollständiges Manuskript vor, bevor die Vermarkter, nämlich die Verlage, kontaktiert werden. Schriftsteller, die bereits einige Veröffentlichungen vorweisen können, verkaufen neue Projekte häufig schon auf Basis von Exposé und Leseprobe, und mehr existiert zu diesem Zeitpunkt noch nicht. Das ist teilweise auch der Tatsache geschuldet, dass der Vorlauf für die Verlagsprogramme ein Jahr und mehr beträgt, ein Titel also beispielsweise für den Buchherbst 2011 (der bis ins Frühjahr 2012 reicht) bereits im Sommer 2010 gesetzt wird. Während der Debütant mit seinem fertigen Manuskript dann noch ein, zwei Jahre nach Vertragsunterzeichnung auf das Buch warten muss (diese Zeit wird nicht selten für intensive Redaktionsarbeit genutzt), schreiben arrivierte Autoren jetzt erst den Roman. Wer im Jahrestakt Romane veröffentlichen will, kann kaum anders arbeiten. Die eigentliche Produktion – vom Satz bis zur Herstellung – dauert zwei, drei Monate, so dass ein verlässlicher und fast druckreif schreibender Autor ziemlich dicht am Erscheinungstermin abliefern kann. Zudem betreuen die Lektoren solche Projekte dann begleitend, also nicht erst nach Abgabe des vollständigen Manuskripts. Das gilt natürlich nicht für alle Fälle, ist nach meinem Eindruck aber die Regel.

    Alle – Debütanten wie arrivierte Autoren – müssen oder mussten den Erstkontakt bewältigen. Wenn man viel Zeit in Autorenforen und vergleichbaren Veranstaltungen verbringt, gewinnt man den Eindruck, dass sich die meisten erst nach Fertigstellung des Buches Gedanken darüber machen, für wen (Verlag, Leser) es geeignet sein könnte, wenn überhaupt. Also werden Kopien eingetütet und nach dem Gießkannenprinzip durch die Republik verschickt – so, wie man mehrere Lottoscheine ausfüllt, um die Gewinnchancen zu erhöhen. Verlagssuche ist aber keine Lotterie, sondern Geschäftsanbahnung. Man bietet ein Produkt an, das der Verlag in sein Sortiment aufnehmen soll. Dieses Produkt besteht übrigens nicht nur aus dem Buch, sondern teilweise auch aus dem Autor selbst, denn der wird schließlich – darauf hoffen wenigstens alle Beteiligten – zur Marke im Verlagsprogramm.
    Auf diese Art (Gießkanne) aber wird den Verlagen die Entscheidung vollständig überlassen, ob das Produkt für ihr Sortiment geeignet ist. Man bietet SAP ein Computerspiel an, Daimler-Benz einen Hybrid-Zweitakter aus PVC und J&J einfach noch eine Tamponsorte. Passt ja irgendwie. Oder sogar SAP den Tampon, J&J das Computerspiel und SAP das Auto. Kein Wunder, dass es Formablehnungen hagelt.
    Okay, der Vergleich hinkt, aber es ist ja auch nur ein Vergleich. Worauf ich hinaus will: Verlage haben Profile und Programme, sie sind Marken, die sich mit der Marke “Autor” verbinden. Random House besitzt nicht ohne Grund eine umfangreiche Palette Imprints, die fast selbständig agieren, Diogenes verlegt nur eine ganz bestimmte Sorte Literatur (und kaum Debüts), Suhrkamp sowieso, und mit “Nackenbeißern” sollte man sich besser nicht bei Aufbau oder KiWi bewerben. Die Sortimente der großen Häuser weisen zwar auch gehörige Schnittmengen auf, aber wenn man nur etwas genauer hinschaut, vor allem bei den “literarischeren” Verlagen, gibt es deutliche Unterschiede.

    Ergänzend zur Notwendigkeit, den richtigen Hersteller für das Produkt zu erreichen, mag es auch jene geben, ihn auf richtige Weise zu erreichen. Die wenigsten dürften damit Schwierigkeiten haben, die Profile der großen deutschen Fahrzeughersteller in wenigen Worten auf den Punkt zu bringen, also zu benennen, inwieweit sich die Produktpaletten von Opel, Audi, VW, BMW, Daimler, Porsche usw. unterscheiden. Jemand, der ein Fahrzeug entworfen hat und nun (okay, unrealistischerweise) einen Hersteller dafür sucht, wird sich über dieses Allgemeinwissen hinweg mit den infragekommenden Unternehmen auseinandersetzen und mit der Bewerbung Argumente dafür liefern, warum sie die Palette ausgerechnet um sein Produkt ergänzen sollten. Warum es in diese Platte passt. Möglicherweise wird er leichte Variationen des Entwurfs anbieten, die sich umgekehrt am Hersteller orientieren.
    Die meisten Autoren, die sich in Foren austauschen, sehen das offenbar grundlegend anders, wobei bei jene, die tatsächlich eine ordentliche Vita vorweisen können, unermüdlich (aber ungehört) widersprechen. Viele Neuautoren erklären einander gebetsmühlenartig, dass große Verlage auf Mainstream setzen, auf Nummer sicher gehen, neue Manuskripte und neue Ideen wie Dreck behandeln, Autoren abzocken (wenn sie sie denn überhaupt wahrnehmen). Es ist von Praktikanten die Rede, die Einsendungen vorsortieren, und immer wieder vom “Reinreden”, vom “Kontrollverlust”, von der “Verschandelung” fertiger Texte und von vielem mehr. Nicht selten wird damit versucht, die Wahl eines Kleinstverlags oder gar einer Vanity-Publikation schönzureden.
    Publikumsverlage werden als eine Art notwendiges Übel dargestellt, als krakenartige Institutionen, deren Mitarbeiter und Entscheider keine Ahnung von Kunst haben, und vor allem anderen enorm profitgierig sind. Wer bei einem großen Haus unterschreibt, kann alle künstlerischen Ambitionen abschreiben und wird stantepede zum Verlagsknecht. Mit Literatur hat das alles wenig zu tun, deshalb ist es unterm Strich doch nicht so schlecht, fünfzig Bücher pro Jahr per BoD zu verkaufen.

    Und das stimmt sogar. Wer sich als Autor auf diese Art sieht, sollte darauf verzichten, die Gießkanne zu füllen. Ich frage mich nur, warum es trotzdem fortwährend – und zwar von ALLEN – getan wird. Wer sich bei Rowohlt & Co. “bewirbt”, um von der Marktposition dieser Unternehmen zu profitieren, aber nicht dazu bereit ist, ein wenigstens halbwegs passendes Produkt zu liefern – merkt der noch was? Wie soll eine Firma ein sperriges, nur zur Hälfte funktionierendes, inkonsistentes Stück “Kunst” – auf eigene Kosten – erfolgreich vermarkten, das nicht einmal ansatzweise zum Profil, geschweige denn auf den Markt passt (und auch nicht zu “den” Lesern)? Mit scheint, in diesem Bereich ist die Erwartungshaltung vieler leicht bis mittelschwer ins Unrealistische verschoben. Ja, sie sollen mich verkaufen. Nein, mitentscheiden dürfen sie dabei nicht. Aber, bitteschön, das Risiko tragen.

    Es ist wichtig, den eigenen Anspruch nicht aus den Augen zu verlieren. Es gibt für alle Arten von Literatur Interessenten, sogar für Lyrik. Heutzutage existieren Wege, um in jedem Fall ein paar davon zu erreichen. Wenn man aber viele, gar sehr viele erreichen will, und das ist doch wohl das Hauptinteresse derjenigen Autoren, die auf Publikumsverlage zugehen, muss man auch etwas anzubieten haben, das dafür geeignet ist.

    Eine Schlussbemerkung. Ich spreche von Belletristik, genauer von Unterhaltungsliteratur. Der Autor des Erfahrungsberichts hat einen Wissenschaftsthriller mit Mystery- und SciFi-Elementen verfasst. Er zitiert im Bericht selbst einen Lektor, der ihm empfohlen hat, “ein gutes, hervorragend produziertes Produkt” anzubieten, und u.a. dem Vorhandensein dieses Zitats entnehme ich, dass Beisswenger nicht zu jenen Autoren gehört, die beratungsresistent sind und sich selbst künstlerische Allmacht attestieren, sondern eher zu der Kategorie, die selbstkritisch jederzeit Verbesserungsmöglichkeiten sieht und mit ihnen umzugehen bereit ist, also pragmatisch an den Markt geht. Das scheint mir in diesem Bereich eine zwingende Notwendigkeit zu sein, wenn man nicht zu jener Handvoll Autoren gehört, die selbst im Vollrausch druckreife Bestseller auf Bierdeckel kritzeln.

    Herzlich,
    Tom Liehr

  15. Sehr geehrter Herr Lier,

    Vielen herzlichen Dank für Ihre interessanten Ausführungen. Prinzipiell bin ich auch der Meinung, dass ein Autor nicht nur für sich schreibt, sondern sich ebenso Gedanken machen sollte, auf welchem Weg er seine Leser erreicht. Daraus ergeben sich dann Konsequenzen sowohl für das Schreiben als auch über mögliche Verkaufsstrategien.

    Vielleicht darf eine Frage an Sie richten: in wie weit im Vorfeld beeinflussen die Gegebenheit des Marktes Ihre Idee zu einem Roman? Steht am Anfang die Idee und wird diese erst dann an die Erwartung, die Verlag und Publikum an das Genre Unterhaltungsliteratur haben angepasst und ergibt sich die Geschichte aus der Analyse aktueller Trends?

    Ihren Roman “Pauschaltourist” habe ich mit großer Freude gelesen.

    Mit vielen Grüßen

    Mathias Reiter

  16. Hallo, Mathias Reiter.

    Es verblüfft mich immer wieder, wenn ich Bemerkungen wie diejenige zur Kenntnis nehme, Autoren würden doch ausschließlich für ihre Leser schreiben und nicht etwa z.B. für (bestimmte) Verlage. Das transportiert die Meinung, Autoren – vor allem bis dato unveröffentlichte – wüssten sehr viel besser als Verlagsmitarbeiter, Buchhändler usw., was Leser wollen. (Tatsächlich weiß das niemand genau.) Eine ganz erstaunliche Behauptung, sind es doch nur ausnahmsweise Autoren, die Bücher verkaufen. Aber angeblich kennen sie “ihre” Leser ganz genau. Vor allem die noch nicht existenten. 😉 (Dabei muss ich an jene “Simpsons”-Folge denken, in der Homer von seinem Bruder gebeten wird, das Auto zu entwerfen, das all seine Wünsche und Träume erfüllen würde. Das macht Homer auch, und der Bruder baut dieses Ungetüm von einem Auto, was seine Firma in den Ruin treibt.)

    Aber es ging bei meinen Ausführungen weniger darum, für einen speziellen Verlag oder einen speziellen Teil des Marktes zu schreiben, was man fraglos tun kann (und das wird auch getan), sondern die richtige Auswahl (vielleicht sogar im Vorfeld) zu treffen. Manch einer scheint zu denken: Ich habe nunmehr das Manuskript beendet, und die weiter nötigen Gedanken sollen sich bitteschön die Verlage machen, und zwar günstigstenfalls alle (aber nur die großen). Mein Angebot steht, fresst oder sterbt. Wenn ich abgelehnt werde, ist es nicht meine Schuld, sondern Eure.
    Es kann demgegenüber auch durchaus sinnvoll sein, sich vorher zu überlegen, wen man mit dem Werk erreichen will. Abseits der elementaren Frage “Interessiert das überhaupt jemanden?” (die sich, so seltsam das klingt, auch nur wenige stellen) gilt es, viele Detailfragen zu beantworten, die Stil, Perspektive, Diktion, Thematik, Genre und vieles mehr betreffen. Manch eine vermeintlich gute Idee wäre nie zum Schubladenmanuskript geworden, hätte sich der Autor vorher solche Gedanken gemacht. Warum auch? Er produziert schließlich Kunst, und die ist immer gut, richtig? Es liegt an den bösen Verlagen, wenn keine Leser dafür gefunden werden, obwohl man “für sie” geschrieben hat.

    Trotzdem schreibt man natürlich nicht für Verlage, sondern tatsächlich für Leser. Im Idealfall verbindet man beides, liefert also zu Programm und Profil passende Romane, die dann auch gekauft und gelesen werden. Das bedeutet, möglicherweise nicht jedem Impuls, jeder Idee nachzugehen, nicht durch die Genres zu springen, vielleicht sogar ein eigenes Profil zu entwickeln. Sich die Frage zu stellen, welcher Autor man sein möchte. Damit ist nicht die Frage gemeint, wessen Abbild man sein möchte, sondern wie sich die Eigenständigkeit als Autor zeigen wird bzw. soll. Und dafür dann die richtigen Texte zu entwickeln und den richtigen Verlag zu finden. So muss man natürlich nicht vorgehen, weil es ja viele exotische Beispiele gibt, auf die man sich berufen kann, und notfalls vergleicht man sich einfach mit Mann, Grass, Walser oder Kafka. 😉

    Zur persönlichen Frage: Am Anfang steht bei mir immer die Idee, die Plotskizze, und niemals die Frage, was man schreiben könnte, weil es gerade auf den Markt passt (allerdings weiß kaum jemand, woher kreative Impulse kamen oder wodurch man bei der Ideenfindung beeinflusst wurde). Aber es empfiehlt sich durchaus, mal nachzuschauen, ob jemand bereits auf diese oder eine ähnliche Idee gekommen ist, oder wie das Thema derzeit von Lesern wahrgenommen wird. Außerdem muss der erste Entwurf natürlich den kritischen Blicken von Agentur und Lektor standhalten. Es ist ein Lernprozess, aber auch eine Entwicklung, bei der übrigens entscheidend mithilft, über Leserresonanz zu erfahren, wie die “Konsumenten”, die “Endabnehmer” das sehen. Mit der Zeit entsteht ein Profil, ein Autor als Marke, was aber auch, zugegeben, mit gewissen Gefahren und Einschränkungen verbunden ist. Zuweilen nehmen es die Leser völlig anders wahr als man selbst. Davon abgesehen sollte man sich an den Gedanken gewöhnen, das nicht alles, was man so produziert, von existentieller Bedeutung für die Welt ist. Es gibt viele Texte, nicht alle sind gut, und dazu gehören auch, oh Wunder, solche, die man selbst verfasst hat. Ein wenig Distanz und Gelassenheit im Umgang mit dem eigenen Werk kann nicht schaden. Wer nicht aufhört, zu glauben, die Menschheit würde auf diesen ganz speziellen Text warten (das tut sie NICHT), verstellt sich auch die Chance, eine Idee später noch einmal in besserer Form umzusetzen. Viele Autoren kämpfen jahrelang mit einem einzigen Romanmanuskript, das, objektiv betrachtet, von Anfang an ein Rohrkrepierer war. Das wird dann per BoD oder DKZV veröffentlicht, und man kämpft weitere Jahre für jeden einzelnen Buchkauf. Verschenkte Zeit! Aber, hey, Kunst.

    Es kann übrigens auch gefährlich werden, “für den Markt” zu schreiben, denn der Markt verändert sich ständig und die Vorlaufzeiten sind gewaltig. Sichere Terrains sind die Ausnahme. Die Buchveröffentlichung ist für alle Beteiligten ein Vabanquespiel, selbst Bestsellerautoren sind vor Flops oder dem Wandel der Leserinteressen nicht gefeit. Trends versanden, Subgenres wurden abgeweidet. Erfolg oder Bauchlandung eines Buches bleiben auch aus Verlagssicht oft rätselhaft. Kochrezepte für erfolgreiche Bücher, erfolgreiche Buchvermarktung gibt es nur sehr eingeschränkt.

    Entscheidend scheint mir zu sein, sich eben Gedanken darüber zu machen, wer man als Autor sein möchte, und wie man gedenkt, diese Rolle auch später noch, nach dem Erstling, auszufüllen. Beliebigkeit und Austauschbarkeit vieler Manuskripte, die so durch die Republik geschickt werden, weisen darauf hin, dass viele Text und Autor nicht als Einheit betrachten.

    Und es freut mich, dass Ihnen “Pauschaltourist” gefallen hat!

    Herzlich,
    Tom Liehr

  17. Hallo allerseits, hallo Herr Liehr,

    ich habe jetzt 1 Stunde (ich lese langsam!) gebannt vor meinem Laptop gesessen und den „Schlagabtausch“ gelesen. Nur weiter so, dann brauchen wir keine Bücher mehr zu kaufen, diese Kommentare sind unterhaltsam und anregend genug. ;-))
    Aber egal, ob sich jemand angegriffen fühlt oder nicht, ich finde es gut, dass hier offen Meinungen ausgetauscht werden.
    Auch ich bin ein Fall dieser „Jungautoren“ und erkenne starke Parallelen meiner Erfahrungen zu denen des Herrn Beisswenger.
    Ich habe es bis zu Lektorenkonferenzen und ins Büro einiger Literaturagenten geschafft und jetzt stocke ich. Dieses Gefühl, die Tür geht auf und wenn man gerade hineintreten will, geht sie vor der Nase wieder zu, ist für mich als Neuling natürlich genauso befremdlich wie für andere auch. Da hilft es, wenn man die Erfahrungsberichte und ggf. die Erfolge anderer Neulinge hört, um den Mut nicht zu verlieren oder um andere Eintrittswege zu finden.

    Ich habe mein Buch geschrieben, um erstens Wartezeiten am Krankenbett meine Freundes im Oman zu überbrücken und zweitens, um der Welt zu zeigen das Urlaub nicht nur als „Pauschaltourist“, sondern auch als Frau in Stöckeln mit Rucksack (leidend) verbracht werden kann. Was in so Urlauben alles passieren (Gott bewahre uns!) kann als Auszüge in den Notizen meiner Fanpage auf Facebook/Frau in Stoeckeln nachgelesen werden.

    Ich kenne meine Zielgruppe, habe aber leider noch keinen Verlag geknackt, der diese Zielgruppe in einem oder zwei Jahren mit meinen amüsanten Frauenleiden beliefern möchte.
    Aber keine Bange, ich bin nicht zum Aufgeben geboren worden.
    Ich folge dem Motto: „ Wer den Berg schafft, schafft auch das Tal!“ Was das heißen, soll? Keine Ahnung, aber hört sich irgendwie motivierend an.

    Ich freue mich auf weitere anregende Kritiken und neue Erfahrungen!

    Ihre Frau in Stöckeln

  18. Prima – ist total gut, wie einem hier der Mut genommen wird.
    Scheint, dass hier jeder Jungautor für unzurechnungsfähig und des deutschen Wortschatzes nicht für mächtig gehalten wird. Sind wir alle so blöd? oder dumm? – meine Antwort darauf “Nein”! Außerdem, was soll das eigentlich mit diesem “es wird nur noch Online-Bücher geben… – ist es nicht besonders schön und entspannend, an einem verregneten Tag, sich in einen gemütlichen Sessel zu kuscheln und einen spannenden Roman zu lesen? Jeder nach seinem Geschmack? Ist es nicht ganz toll, wenn Autoren neben einem Krimi oder Liebesroman, eine Landschaftsbeschreibung, Personenbeschreibung oder Gefühlsbeschreibung abgeben, die mit dem eigenen Leben identifiziert werden kann? Ein gutes Buch, eine Tasse heissen Tee und ein warmer, heimeliger Raum, gibt einem viel mehr, wie ständig einen heissen Akku vom Laptop, weil das Kabel langt nicht so weit. Wo sind ehrliche Lebensweisen, verknüpft mit Fantasie? Also ich bevorzuge immer noch die kleine Buchläden oder Buchketten mit Atmosphäre.

  19. Hier wird nur von Verlagen, Lektoren, Agenten usw. gesprochen – warum kann man nicht einfach mal was stehen lassen ohne es zu zerpflücken?
    Ich schreibe selbst, kommt es an – okay – kommt es nicht an, dann ist es halt so. Muss ich mir deshalb ständig den Kopf zerbrechen? Schon alleine ein Skript zu schreiben über 200 Din A4 Seiten ist doch bereits was – typisch deutsch, alles perfekt, perfekter, am perfektesten! In anderen Ländern ist es nicht so und komischerweise sind von denen einige in unserem Buchhandel zu finden und führen die Weltspitze der Autoren an.

  20. Siri D. Kompliment. Kann Dir nur absolut beipflichten!

    In diesen Foren schreiben offensichtlich viele ‘Besserwisser’ und die anderen – wenn’s die hier noch gibt und sie sich nicht schon frustriert zurückgezogen haben -, die den Austausch und die Erfahrung suchen und ehrlich zugeben, davon noch nicht so viel zu besitzen, die werden
    schulmeisterhaft belehrt. Ob typisch deutsch oder nicht: es ist einfach saublöd und disqualifiziert jedes Forum! Ganz zu schweigen davon, dass einem die Lust am Forumschreiben und -lesen vergeht.

    Gruss
    H.P.P.

  21. @Siri D.: Sind Sie *sicher*, dass jene “aus anderen Ländern”, die die “Weltspitze der Autoren” anführen, sich NICHT den Kopf zerbrechen, und zwar bereits im Vorfeld, also in der Projektierungsphase? Und wenn ja (bezogen auf das Sichersein) – woher wissen Sie das? Ich bin ehrlich verblüfft!

    @Hanspeter Paul: Ich verstehe es gut, wenn man das Thema emotional angeht, ob der relativ aussichtslosen Gesamtsituation nach Fraktionen sucht und sich gegenseitig Beifall spendet, wenn etwas im eigenen Sinn gesagt wurde. Das ändert aber leider nur wenig daran, dass es tatsächlich Leute gibt, die es besser wissen. Wenn jene (und damit meine ich mich nicht selbst) ihre Erfahrungen einbringen und etwas fundierter über den Literaturmarkt reden, dann dient das sicherlich nicht dem Zweck, die anderen zu frustrieren oder gar zu vertreiben, sondern genau jenem, den Sie einfordern: Austausch und Erfahrungsvermittlung. Es ist nachvollziehbar, wenn man all das lieber nicht hören und weiter davon träumen will, bei der Verlagslotterie zu gewinnen oder auf anderem Weg das zu erreichen, was man (tatsächlich oder sich selbst in die Tasche lügend) erreichen will. Aber einfach die Leute, die reale, belegbare, anerkannte Erfahrungen vorweisen können, als “Besserwisser” zu diskreditieren und für eine leichterhand diagnostizierte Rückzugsbewegung verantwortlich zu machen, das ist noch weniger produktiv als all jenes, das Sie hier – ohne jeden Beweis – anprangern.

    Herzlich,
    Tom Liehr

  22. Tom Liehr, einen wunderschönen guten Tag – seien sie verblüfft – jeder Mensch bzw. Autor schreibt und fühlt anders. Klar sollten fundierte Kenntnisse bei einem Autor da sein. Den Kopf zerbrechen? entsteht da denn etwas –
    ich habe nur über diesen ganzen Zeitraum festgestellt – dass sehr viel “Negatives” aufgezeigt wird, kaum etwas “Positives” – eigentlich schade. Es wäre sehr hilfreich, wenn sie einmal Fakten, wie die Vorgehensweise ist, um ein Buch zu verlegen – klar und deutlich darstellen, ohne nieder zu machen.
    Zu einem Buch zu schreiben gehört nicht nur Verstand, Wissen, sondern auch Herz!
    Dass das Geschäft der Literaturszene hart ist, das steht auf einem ganz anderen Blatt Papier.
    Konkrete Beispiele wären sehr hilfreich!
    Freundlichst Siri. D.

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