Es geht um geklaute Ideen, um Erfolg, Betrug, Kontrollverlust, Geld, Macht und natürlich auch um Liebe. Juliane Hartmann stellt fünf Romane vor, bei denen Autoren und ihre Manuskripte im Mittelpunkt stehen.
Verlage und Literaturagenten suchen in der Flut von Manuskripten nach Rohdiamanten und künftigen Bestsellern. Die Suche nach einem solchen Manuskript wird bisweilen selbst zum Thema eines Romans. Ein Manuskript ist ein Buch in Rohfassung. Es ist das Dokument, das der Autor aus der Hand gibt, bevor andere Hand anlegen. Das Wort stammt aus dem Lateinischen und bedeutet »mit der Hand geschrieben«. Heute muss man wohl sagen »von Hand getippt«.
In den fünf vorgestellten Büchern blicken vier Autoren mit einer gehörigen Portion Selbstironie auf das Schreiben, das Leben als Autor, den Buchmarkt und den Literaturbetrieb. In allen Romanen drohen die Dinge außer Kontrolle zu geraten – oder sie tun es.
»Der Plot« von Jean Hanff Korelitz
Protagonist und Autor Jake Finch Bonner war mal erfolgreich. Jetzt unterrichtet er kreatives Schreiben an einem kleinen College und ist mit seinem Leben nicht gerade zufrieden. Bonner erfährt durch einen Studenten von einem originellen Plot. Der Student kommt ums Leben, sein Lehrer veröffentlicht einen Roman mit diesem Plot und wird wieder ein gefeierter Autor. Doch jemand weiß, dass er den Plot geklaut hat. Der Plot des Romans im Roman verwebt sich allmählich mit der Realität des Romans.
Man mag das Ende vorhersehen und an einer Stelle der Handlung ein Auge zudrücken. Dennoch bleibt »Der Plot« ein raffiniert konstruierter, unterhaltsamer und bis zum Schluss spannender Thriller. »Der Plot – eine todsichere Geschichte« ist ein Roman der US-amerikanischen Autorin Jean Hanff Korelitz.
Jean Hanff Korelitz; Sabine Lohmann (Übersetzung): Der Plot - Eine todsichere Geschichte: Roman Der New-York-Times-Bestseller. Broschiert. 2022. Heyne Verlag. ISBN/EAN: 9783453273979. 16,00 € » Bestellen bei amazon.de Anzeige oder im Buchhandel
»Bestseller« von Klaus Modick
Auch hier ist ein mäßig erfolgreicher Autor namens Lukas Domcik der Protagonist. Sein Verleger drängt ihn, einen am Markt orientierten Roman zu schreiben (Stichwort »Dokufiction« und »Zweiter Weltkrieg geht immer«). Im Nachlass einer Tante findet Domcik Material zu ihrer Lebensgeschichte, das als Romanstoff dient. Er schreibt den Roman, den sein Verleger in Hinblick auf wirtschaftlichen Erfolg wünscht. Um das Werk zu vermarkten, kommt eine junge, attraktive Frau ins Spiel, in die sich Domcik verliebt hat. Auch hier verselbstständigen sich die Dinge.
Der deutsche Schriftsteller und Übersetzer Klaus Modick schrieb den Roman »Bestseller«, der 2015 bei Kiepenheuer & Witsch veröffentlich wurde.
In »Bestseller« rechnet Klaus Modick mit der Literaturbranche und dem Leben eines erfolglosen Autors ab, auf eine bitter-böse und gleichzeitig locker-lustige Art und Weise. Satire in Buchform.
Klaus Modick: Bestseller: Roman. Taschenbuch. 2015. KiWi-Taschenbuch. ISBN/EAN: 9783462048537. 9,99 € » Bestellen bei amazon.de Anzeige oder im Buchhandel
»Lila, lila« von Martin Suter
Der Protagonist David Kern entdeckt ein Manuskript in einer Schublade. Um die Frau seiner Träume zu beeindrucken, zeigt er ihr das Manuskript. Er verheimlicht, dass er nicht der Autor ist. Sie sendet es an einen Verlag, es wird veröffentlich und David ein erfolgreicher Autor. Nicht unbedingt zu Davids Glück. Die Dinge verselbstständigen sich.
Der Roman »Lila, Lila« des Schweizer Autors Martin Suter erschien 2004 – wie all seine Bücher – im Diogenes Verlag. Ein typischer Suter-Roman: raffinierter Plot, stringent und flüssig erzählt.
Auf seiner Website martin-suter.com hat der Autor eine Fortsetzung seines Romans veröffentlicht (abo-pflichtig).
In der Geschichtensammlung »Der schönste Ort der Welt: Von Menschen in Buchhandlungen« ist die amüsante Szene einer Lesung aus »Lila, lila« als Kurzgeschichte vertreten.
Martin Suter: Lila, Lila. Roman. Taschenbuch. 2009. Diogenes. ISBN/EAN: 9783257234695. 14,00 € » Bestellen bei amazon.de Anzeige oder im Buchhandel
»Das Original« und »Das Manuskript« von John Grisham
Profis stehlen die Originalmanuskripte einiger Romane von F. Scott Fitzgerald. Das FBI ermittelt. Die Recherche führt nach »Camino Island«, einer fiktiven Insel vor der Küste Floridas. Dort gibt es eine außergewöhnliche und gut sortierte Buchhandlung, deren Inhaber Bruce Cable ist. Mit dem Buchhändler hat John Grisham einen rührigen, einprägsamen Charakter geschaffen. Zudem ist die Insel Anlaufstelle einiger Autoren. Die Gelegenheit für John Grisham, am Rande ein wenig über das Autorendasein zu plänkeln.
»Das Original« erschien 2017 (die Taschenbuchausgabe 2019) auf Deutsch im Heyne Verlag, aus dem Amerikanischen übersetzt von Kristina Dorn-Ruhl, Bea Reiter und Imke Walsh-Araya.
»Das Manuskript« folgte 2020 (die Taschenbuchausgabe 2021), ebenfalls im Heyne Verlag und wurde von Bea Reiter übersetzt. Es handelt sich um eine Fortsetzung von »Das Original«. Die Handlung diesmal: Ein Autor stirbt während eines Sturms, die Todesursache lässt Spekulationen zu. Es stellt sich heraus, dass er kurz davor war, einen Enthüllungsroman zu veröffentlichen.
Beide Werke von John Grisham sind etwas weniger rasant als man es von ihm gewohnt ist, eher Romane mit Thriller-Elementen, insbesondere »Das Manuskript«. Die Romane sind, wie alle Grishams, spannend und flüssig zu lesen.
John Grisham; Kristiana Dorn-Ruhl (Übersetzung); Bea Reiter (Übersetzung); Imke Walsh-Araya (Übersetzung): Das Original: Roman. Taschenbuch. 2019. Heyne Verlag. ISBN/EAN: 9783453439528. 10,99 € » Bestellen bei amazon.de Anzeige oder im Buchhandel
John Grisham; Bea Reiter (Übersetzung): Das Manuskript: Roman. Taschenbuch. 2021. Heyne Verlag. ISBN/EAN: 9783453441439. 11,00 € » Bestellen bei amazon.de Anzeige oder im Buchhandel
Juliane Hartmann
Leider erst im nächsten Jahr auf Deutsch erscheinen wird Rebecca F. Kuangs Hitroman “Yellowface”. Auch hier geht es um zwei Autorinnen, zwei Freundinnen, von denen nur eine Erfolg hat. Auch hier kommt die erfolgreiche ums Leben und es gelingt der erfolglosen, ein Manuskript stehlen, bevor der Notarzt eintrifft. Und auch hier führt die Veröffentlichung des geklauten Manuskripts zu Erfolg und anschliessend zu Verfolgung durch Gegenspieler, die etwas zu wissen oder zumindest zu ahnen scheinen. Der Roman ist eine herrliche Satire auf den Literaturbetrieb, Diversity und Social Media.
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