Im Spielfilm »Ingeborg Bachmann – Reise in die Wüste« blickt Regisseurin Margarete von Trotta auf die Beziehung zwischen der Lyrikerin und dem Autor Max Frisch. Ein Film wie ein Drehständer mit Postkarten, der lange nicht mehr auf die Straße gerollt wurde.
Die österreichische Lyrikerin Ingeborg Bachmann und der Schweizer Autor und Dramatiker Max Frisch führten ab 1958 vier Jahre lang eine Beziehung, die man heute mit dem abgedroschenen Adjektiv »toxisch« versehen würde. Die beiden legten ihre Liaison offen an, doch immer wieder gefährdeten Liebschaften die Verbindung. Bachmann verkraftete die Trennung 1963 nicht. Mehrmals ließ sie sich die ohnehin Tablettensüchtige ins Krankenhaus einweisen. Auf Anraten der Ärzte unternahm sie eine Reise nach Ägypten, auf der sie der neun Jahre jüngere Autor und Filmemacher Adolf Opel begleitete, mit dem sie ebenfalls eine Beziehung einging.
Margarete von Trotta konzentriert sich in ihrem Film auf Bachmanns Zeit mit Frisch und die Verarbeitung und Überwindung derselben in der Wüste. Erzählt wird dabei nicht chronologisch und mit vielen Zeitsprüngen. Mal Wüste, mal Zürich, mal Paris, mal Rom.
Dass Trotta die Städte ohne die üblichen Sehenswürdigkeiten charakterisiert (Eiffelturm = Paris), ist lobenswert. Leider wird aber ansonsten im Film nichts erklärt und eingeordnet. Wer Ingeborg Bachmann ist und wer Frisch ist klar, aber die übrigen Personen muss man zum Teil im Abspann nachlesen oder sich ergoogeln. Lobenswert auch, dass Vicky Krieps als Ingeborg Bachmann die Lesungen und Reden nicht wie eine Schauspielerin spricht, sondern im typischen nicht ganz so optimalen »Lesungssound« von Autorinnen. Dass aber oft auch die übrigen Dialoge im Film hölzern aufgesagt werden, wirkt komisch und man wähnt sich im Setting ein wenig wie bei Loriot. Trotta, die auch fürs Drehbuch verantwortlich war, hat echte Zitate aus Briefen und Büchern eingebaut, die sich nicht immer fürs gesprochene Wort eignen. Hinzu kommt ein kristallklarer hochoptimierter Ton, der nichts von einem Tatort-Genuschel hat und wie ein Hörbuch wirkt.
Zu diesem perfekten Ton gesellen sich perfekte Szenenbilder. Jedes wirkt wie eine Postkarte, die Ausleuchtung bisweilen ein wenig zu künstlich und studioartig, und die Film-Bachmann trägt in fast jeder Einstellung ein neues hübsches Kleid, als käme sie gerade vom Laufsteg. In der Wüste ist kein Schweiß zu sehen, und die Hitze wird nur behauptet. Im Film wird viel geraucht – logisch für die damalige Zeit und was wäre Frisch ohne Pfeife? – doch selbst die dunkelsten französischen Cafés sind dennoch nicht verräuchert.
Bachmanns Leben ist zu speziell, als dass sich allgemeine Erkenntnisse gewinnen ließen. Der Film verlangt einiges an Vorwissen und wirkt auch hier wie Postkarten, mit denen versucht wird, ein mögliches Bachmann-Leben zu bebildern.
Für Bachmann-Kenner könnte der Film ebenfalls eine Enttäuschung sein. Max Frisch wird als Vampir dargestellt, der eifersüchtig über seine Inge wacht. Die kann in seiner Zürcher Wohnung nicht mehr schreiben, während er das eigene Leben zum Roman werden lässt. In »Mein Name sei Gantenbein« habe er die eigene Beziehung schamlos für die Kunst ausgebeutet, so die bisherige Auffassung und so zeichnet es der Film.
Doch dann erschien im letzten Jahr der Briefwechsel zwischen Bachmann und Frisch als Buch. Eine der Erkenntnisse daraus war, dass Frischs Rolle nicht so negativ war, wie später von Bachmann dargestellt. Und »Mein Name sei Gantenbein« kam für Bachmann nicht überraschend und war kein Verrat. Tatsächlich redigierte sie regelmäßig Frischs Manuskript und verlangte Änderungen, die er gehorsam einbaute.
Trotta wusste davon leider nichts, als sie das Drehbuch schrieb und filmte. Bei Suhrkamp gewährte man ihr damals keine Einblicke in das geplante Buch.
Jeder Film, der vorgibt »nach einer wahren Geschichte« entstanden zu sein, ist nie Wahrheit und immer Interpretation. Bei »Ingeborg Bachmann – Reise in die Wüste« ist der Blick auf seine Charaktere bereits bei Erscheinen überholt und nicht mehr stimmig.
Die aufgesagten Dialoge und die schönen Bilder lassen den Film wie einen Postkartenständer wirken, der im Eck vergessen wurde und den man mit neuen Motiven auffüllen müsste, wenn er wieder vor den Laden gestellt werden soll.
Wolfgang Tischer
Die Kunst, die Komplexität echter Beziehungen in einem Film zu vermitteln, ist wahrlich kein einfaches Unterfangen. Der Versuch, Emotionen, Höhen und Tiefen einzufangen, verdient Anerkennung. Doch manchmal kann die Wahrheit, selbst wenn sie fragmentiert ist, fesselnder sein als jede Interpretation. Das Zusammenspiel von Szenenbildern und Dialogen kann ein zweischneidiges Schwert sein – sie können ein Werk bereichern oder es in Klischees versinken lassen. Und während Authentizität im künstlerischen Ausdruck wichtig ist, darf man nie vergessen, dass der zeitliche Kontext eines Werks oft genauso entscheidend ist wie seine Inhalte. Ein Film, wie das Leben selbst, sollte eine ständige Entdeckungsreise sein.
Ich fand den Film enttäuschend bis peinlich. Es prickelte null zwischen Bachmann/ Frisch, da war keine Leidenschaft und Fallhöhe zum später Toxischen. Die Dialoge hölzern, blutleer und altbacken. Perfekt ausgeleuchtete Szenen in der Wüste, lächelnde Kinder, bunte Teppiche und Gesichter, die alle sooo schön sind . Der Dreier, den Adolf Opel (und da stimme ich zu, ich wusste während des Films nicht wirklich wer das ist, sondern erst im Abspann) einfädelt, kitschig. Danach springt Bachmann befreit durch den Wüstensand. Klischee, du bist umzingelt!