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Textkritik: ein lachtraum – Prosa & Lyrik

Eine Textkritik von Malte Bremer

ein lachtraum

von la kritzolina
Textart: Prosa & Lyrik
Bewertung: 4 von 5 Brillen

aus meinem verlorenen kopf wachsen kerzen gedachte dochte blicken zündschnurfunken nur funken über glatte flammen wachs weiß tropft weiche windungen entlang und vergessene pfade erwachen oder erwecken nervenauswüchse vor jahren überwuchert von allen tagen zugewachsen, überwacht. ausgelacht

heute nur noch den wachsmantel schmelzen
nein, schmunzeln
kaum aufgewacht, ein lachen
oder doch ein lachs – ein laichender lachs stört – ein stör laicht kaviar – kaviar ist rund
das ist ganz leicht
ein lächeln wächst auf meinem mund!

© 2001 by la kritzolina. Unerlaubte Vervielfältigung oder Weitergabe - gleich welcher Art - verboten.

Zusammenfassende Bewertung

Mir gefällt dieser Text! Es hat mir Vergnügen bereitet, den diversen Assoziationen und Assoziationsmöglichkeiten nachzuspüren. Am Ende (und nicht nur da!) wuchs ein Lächeln auf meinem Mund. Das ist Unterhaltung im guten Sinne!
Dieser Text erinnert mich an die assoziativen Schreibversuche aus den 50ern (das ist beileibe keine Abwertung!). Automatisches Schreiben (man versucht festzuhalten, was einem im Kopf herumspukt, Bilder, Gerüche, Wörter, Gefühle – und wenn einem das Hirn dazwischen funkt, man also nicht weiß, was man schreiben soll, muss man Wellenlinien ziehen Zeile um Zeile) führt immer noch zu erstaunlichen Ergebnissen, die allerdings – wie immer – bearbeitet werden müssen. Hier allerdings sind die Assoziationen nicht zufällig:
Dieser Text – nicht Prosa, nicht Lyrik – ist durchgearbeitet. Zu Lyrik gehören die lautlichen Gestaltungen wie Homonyme (stört – Stör, wachsen – Wachs, leicht – laicht), Gebilde wie (ge)dachte – dochte; Endreime (rund – mund) und Stabreime (lachen – lachs – laichen), Alliterationen (wachs weiß . weiche windungen); zur Prosa zählt gewiss der erste lange Abschnitt.
In seiner äußeren Form bildet dieser Text das Aufwachen ab: Im ersten Abschnitt noch (traum)verloren, holt »Wirklichkeit« die aufwachende Erzählerin ein: sie plant, was sie heute noch erledigen muss, dann kippt sie wieder zurück usw.

PS: Wer schon andere Kritiken von mir gelesen hat, der wird vielleicht zu wissen glauben, dass ich prinzipieller Gegner des Kleinschreib sei: dem ist nicht so! In diesem Text hat das eine positive Wirkung, da die Ähnlichkeit mancher Wörter auch optisch nicht durch Großschreibung gestört wird: Und mit gerade diesen Ähnlichkeiten wird gespielt. Nein: Hier stiftet Kleinschreibung Sinn!

Die Kritik im Einzelnen

Entfällt! Man kann über Assoziationen nur wenig streiten: Einem kommen sie zu gewollt vor, manchen wird der Text zu gemacht erscheinen, manche werden nichts damit anfangen können. Ich selbst bin mir an manchen Stellen auch unsicher, und nur deswegen vergebe ich keine 5 Brillen – aus Feigheit!

© 2001 by Malte Bremer. Unerlaubte Vervielfältigung oder Weitergabe – gleich welcher Art – verboten.