Die folgende Geschichte zählt ebenfalls zu den sechs Gewinnertexten in Briefform der 71. Folge des Schreibzeug-Podcasts. Die 71. Folge mit den zugehörigen Textanalysen kann hier angehört werden – und überall, wo es Podcasts gibt. Über die Zahlen unter den Geschichten kann zwischen den Texten geblättert werden.
Kinderwunsch
von Mareile Dube
Lieber Markus,
Du kennst mich nicht, aber vielleicht flasht es dich ja, wenn du weißt, dass du einen Sohn hast. Und dann möchtest du mich kennenlernen. So wie ich dich. Dad traue ich mich (noch) nicht zu schreiben. Obwohl Du mein biologischer Vater bist.
Letzten Monat bin ich 16 geworden und Mum hat mir zum ersten Mal erzählt, wie ich zustande gekommen bin. Ich habe bislang immer gedacht, dass ich sowas wie ein Unfall im Sommerurlaub war, als Mum noch chilliger drauf war. Aber sie wollte ein Kind ganz für sich alleine haben und war deshalb in der Kinderwunschklinik. Ich wurde damals nicht gefragt – wie auch? Ich hätte schon ganz gerne einen Dad gehabt, der mit mir Fußball spielt und der mir geholfen hätte gegen die Arschlöcher, die mich auf dem Schulweg immer gemobbt haben.
Mum hat mir die Papiere der Klinik gezeigt und darüber habe ich Deine Adresse ausfindig gemacht. Ich habe einige Zeit darüber nachgedacht, ob ich Dich kennenlernen möchte. Aber ich muss herausfinden, wer ich bin. Ich möchte wissen, ob Du auch so megamässig Zeichnen kannst wie ich, ob Du Nutella mit Butter drunter isst und ob Dich die Locken auch so nerven. Und vielleicht habe ich ja sogar noch eine Oma oder einen Opa?
Lieber Dad, (nice, jetzt geht es!) ich fände es cool, wenn wir uns treffen könnten.
Dein Paul
Hallo Paul,
Ich habe deinen Brief aus dem Papierkorb geholt, nachdem Markus ihn weggeschmissen hat. Bitte sei nicht enttäuscht, aber Markus hat kein Interesse an Dir. In der Liste, die ich beigelegt habe, findest Du die Adressen Deiner Halbgeschwister. Ich versuche, sie fortzuführen, so gut es mir möglich ist. Deinen Namen findest Du in der Zeile 43.
Bitte schreib nicht mehr.
Lena
© by Mareile Dube. Unerlaubte Vervielfältigung oder Weitergabe – gleich welcher Art – nicht gestattet.
Was für wunderschöne Geschichten! Jede hat ihr eigenes Highlight! Die vom Sternenkind hat mich besonders berührt. Wie schade, dass ich von diesem Schreibwettbwerb nicht früher erfahren habe. Ich hätte auch eine wunderschöne Geschichte für Euch gehabt. Das heißt – nein – ich hätte wohl noch nicht, denn ich schrieb sie erst letzte Woche, ohne von dem Wettbewerb zu wissen. Aber lesen dürft Ihr sie trotzdem … wenn Ihr überhaupt Zeit habt. Ich schreibe auf story.one, einem österreichischen Storyportal. Hier meine Geschichte: https://www.story.one/de/story/goldene-bekenntnisse/
Und danke für Eure tolle Arbeit im Literaturcafé! Sehr bereichernd! Ich entdeckte Euch durch eine Verlinkung auf padlet.
Liebe Grüße, Ulrike Nikolai