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Website-Kritik: Das Literaturportal Westfalen

Literaturportal WestfalenJetzt hat auch Westfalen seit einigen Tagen sein eigenes Literaturportal. Unter der Web-Adresse www.literaturportal-westfalen.de soll die Literatur dieser Region vom 15. Jahrhundert bis heute in ihrer Vielfalt präsentiert werden. Träger des Web-Angebots sind die Stiftung Westfalen-Initiative, der Landschaftsverband Westfalen-Lippe, die Nyland-Stiftung und der mentis Verlag.

Wie präsentiert sich die Literaturlandschaft Westfalen im Netz? Nach dem recht ansprechenden Literaturport aus Berlin-Brandenburg und der desaströsen bundesweiten Internet-Ruine literaturportal.de haben wir einen Blick auf das neue westfälische Angebot geworfen.

Nach dem Aufruf von www.literaturportal-westfalen.de der erste Schock: Das literarische Info-Portal startet mit einer sage und schreibe 5 Megabyte großen Flash-Animation! Ein Website-Einstieg wie aus der Internet-Steinzeit, wobei Modem- und ISDN-Anwender, die trotz DSL nachwievor zahlreich vertreten sind, geschätzte 12 Minuten warten müssten, bis sie diesen überflüssigen Schnickschnack zu sehen bekämen.

Doch auch DSL-Nutzer werden den »Skip-Intro«-Link schneller klicken, als dass das flash-animierte Büchlein geladen ist.

Warum Flash zum Einstieg schlecht ist

Doch ein Flash-Intro ist auch aus einem anderen Grund unbedingt zu vermeiden: Die Website wird dadurch bei Google wesentlich schlechter gelistet, da für Google die Startseite schlichtweg leer erscheint. Normalerweise müsste das Portal bei der Suche nach »literaturportal westfalen« bereits auf Platz 1 stehen. Aufgrund des Flash-Intros ist es jedoch derzeit nur auf Platz 6 zu finden. Noch schlimmer sieht es aus, wenn man den Google-Eintrag genau betrachtet. Die Beschreibung lautet nämlich schlichtweg und unsinnigerweise »Flash-Player aktualisieren«.

Mangelhafter Google: Eintrag des Literaturportals Westfalen

Wie kann es heute immer noch dazu kommen, dass überflüssige Flash-Animationen als Startseite eingesetzt werden? Die Antwort ist gerade bei öffentlichen Projekten häufig gleich: Im Beirat solcher Projekte und im Projektteam sitzen oft Werbeagenturen oder ältere Menschen, die selbst wenige Internet-Erfahrung haben. Ihre mediale Erfahrung ist nachwievor hauptsächlich durch passiven Medienkonsum geprägt, sodass auch im Internet Dinge bevorzugt werden, die sich bewegen und die man zunächst einmal anschauen kann. In den Projekt-Sitzungen spielen sich solche Menschen meist noch den Ball gegenseitig zu (»Ja – und da machen wir dann so ein Buch auf die Startseite, das sich öffnet und auf den Seiten stehen die Projektbeteiligten.« – »Ja, großartige Idee! Und im Hintergrund Klaviermusik!«). Daneben sitzt dann der Web-Designer und rauft sich die Haare. Aber schon steht es so im Protokoll und schon muss es umgesetzt werden, damit es der Herr Professor aus dem Beirat auch sieht, wenn er die Website später mal aufrufen sollte.

Also schleunigst weg mit diesem überflüssigen Animations-Ballast!

Denn dahinter kommt doch durchaus eine passable und funktional gestaltete Website zum Vorschein, die sich im zeitgemäßen CSS-Design suchmaschinenfreundlich und übersichtlich präsentiert. Beim Portal hat man sich für eine horizontale Navigation entschieden. Bei einigen Seiten z.B. bei Autorenlisten, die länger als eine Seite sind, hätte man sich eine Wiederholung der Blätternavigation auch am unteren Rand gewünscht, um nicht immer wieder nach oben scrollen zu müssen. Alternativ ist das Angebot auch über eine Suchfunktion zugänglich.

Inhaltlich bietet das Portal die Möglichkeit, die Literatur Westfalens über eine Zeitleiste zu erschließen (von 1478 bis heute), alphabetisch nach Autoren, alphabetisch nach literarischen Orten, allgemeinen Stichworten oder multimedialen Dateien. Ein weiterer Menüpunkt »Literarische Leben« listet u. a. literarische Gesellschaften, Literaturbüros, Theater und andere Einrichtungen in Westfalen auf.

Das Portal verzichtet auf aktuelle Termine und Nachrichten

Bei dieser Übersicht fällt auf, dass man auf aktuelle Veranstaltungstermine und Nachrichten aus dem Literaturbereich ganz verzichtet. Das mag dem Umstand zuzuschreiben sein, dass solche Daten ständig aktualisiert werden müssen, was entweder interne oder externe Mitarbeiter machen müssten, was wiederum entsprechendes Budget für den laufenden Betrieb erfordert, das für solche Projekte oft nur schmal bemessen ist.

Der Zugang über die Zeitleiste hat eher repräsentativen Charakter und höchstens für Schüler einen tatsächlichen Nutzwert. Wir wenden uns daher dem Dichter-ABC zu und suchen einmal nach einem uns gut bekannten westfälischen Autor: Hermann Mensing. Tatsächlich: es findet sich ein durchaus umfangreicher Eintrag zu diesem zeitgenössischen münsteraner Autor – mehr als in der Wikipedia. Aber Hermann Mensing hat doch eine ziemlich gute Website? Warum ist die bei den Autoren-Infos nicht zu finden? Nun, dieser Link findet sich an anderer Stelle, nämlich unter dem Menüpunkt »Medien/Autoren-Homepages« unter M wie Mensing. Bemüht man die Suche des Portals, so findet man auch im Stichwort-ABC einen Hinweis, ja sogar eine explizite »persönliche Empfehlung« dieser Website. Leider ist diese dort nicht verlinkt.

Die verstreuten und nicht verknüpften Informationen sind ein Manko des Portals

Dass das Literaturportal seine durchaus reichhaltigen Infos so verstreut, ist ein Manko. Eine bessere Verknüpfung der unterschiedlichen Bereiche wäre von Vorteil.

Nächster Testfall: Irgendwo bei Münster liegt doch das Schloss derer von Hülshoff, deren bekannteste Vertreterin Annette von Droste-Hülshoff war. Darüber hätten wir gerne weitere Infos. Also versuchen wir es mal mit dem Schauplatz-ABC. Wir wählen zunächst Münster und müssen bereits in der Liste feststellen, dass hier sogar nach Stadtteilen unterschieden wird. Was tun? Wir klicken also ganz allgemein auf den Eintrag »Münster« und werden von der Textfülle erschlagen. Bilder sind im Literaturportal Westfalen so gut wie nicht vorhanden, offenbar waren die Lizenzen zu teuer.

Vor lauter Text ist nicht immer was zu finden

Irgendwo im Text ist Annette verlinkt. Der Link führt zu ihrem Eintrag im Dichter-ABC. Auch hier erschlägt uns eine Textwüste. Wir nutzen die Browser-Suchfunktion beim Eintrag »Münster« und finden dort ein »Schloss Wilkinghege« im Text erwähnt. Ist es das, was wir suchen? Also mal beim Buchstaben W geschaut: nichts. Unter S wie Schloss? Nichts. Wir bemühen die Suchfunktion und probieren mit der Wortkombination »schloss droste« weiterzukommen. Uns wird »Suchergebnisse Autoren 1 bis 0 von 0« angezeigt. Nichts. Wir probieren »schloss hülshoff« und landen beim Stichwort-ABC beim Buchstaben D. Dort ist von einem Geburtshaus »Schloss Hülshoff« die Rede. Also nochmal im Schauplatz-ABC unter H nachgeschaut. Nichts.

Wir geben auf und geben mal bei Google »schloss hülshoff« ein. Auf Platz 1 steht die »Burg Hülshoff«. Genau die haben wir gesucht. Im Literaturportal ist aber auch unter B nichts zu finden, geschweige denn ein Link auf die offizielle Website.

So nett das Schauplatz-ABC auch ist, fehlen doch geografische Angaben zu den Orten. Hier wäre es ein toller Service gewesen, wenn diese mit Geokoordinaten versehen wären, sodass ein Link auf Google-Maps diese dort auf der Karte sofort anzeigt. Überhaupt wäre eine Landkarte ein guter Zugang zur Region gewesen. Gerade als Urlauber und Besucher könnte man sich hier visuell sehr gut einen Überblick verschaffen, welche literarisch lohnenswerte Orte im Umkreis zu finden sind.

Wir werfen also zuletzt noch einen Blick auf den Bereich »Medien« – oder schenken ihm besser gesagt ein Ohr. Von einigen ausgewählten Schriftstellern, z. B. von Peter Rühmkorf und Wiglaf Droste, finden sich Audio-Ausschnitte auch aus kommerziellen Produktionen. Fein. Es gibt auch einen Bereich »Podcast«, der jedoch nur ein Hinweis darauf ist, dass es sowas gibt (und diesen Begriff dann auch noch vollkommen falsch erklärt) und erwähnt, dass es z. B. einen Podcast über Wiglaf Droste gibt. Was meinen die? Unser Interview mit dem Schiftsteller im literaturcafe.de-Podcast? Ein Link fehlt. Dafür wird im Bereich »Video« auf Droste-Filmchen bei YouTube verwiesen. Auch das eher beispielhaft. Eigene oder eingebettete Filmproduktionen finden sich auf dem Portal nicht. Auch kein eigener Podcast. Der Bereich mit den Weblinks z. B. auf die Verlagsseiten ist offenbar recht hastig und lieblos zusammengetragen. Hier fehlen erläuternde Texte, bei einigen Links wurde in der Eile sogar die nutzerabhänige Session-ID mit in den Link kopiert. Nunja.

Auch hier wieder ein interessantes Detail am Rande: Auf der YouTube-Link-Seite ist der berühmte »Link-Disclaimer« mit Hinweis auf ein Urteil des »Landgericht Hamburg am 12. Mai 1998« zu finden, mit dem man sich scheinbar von den Inhalten extern verlinkter Inhalte distanziert. Dieser Text ist nachwievor bei privaten Homepage-Bastlern sehr beliebt, obwohl er einer der großen Web-Irrtümer ist, der sich im ungünstigsten Fall sogar kontraproduktiv auswirken kann. Weg damit!

Fazit: Wie gut ist das Angebot des Literaturportals Westfalen?

Eine Menge an Informationen hat man unter www.literaturportal-westfalen.de zusammengetragen. Die Gestaltung ist durchaus einfach und ansprechend. Doch leider verschenkt man viel Potenzial, da zusammengehörige Dinge nicht verknüpft sind. Auch intuitive Zugänge, z. B. über Landkarten wie Google-Maps, fehlen. Ebenso vermisst man im Zeitalter von Web 2.0 Möglichkeiten der aktiven Teilnahme. Niemand wird von einem solchen Portal unbedingt ein offenes Wiki erwarten. Aber die Möglichkeit, Tipps und Kommentare zu Autoren und Orten abzugeben, die dann nach einer Inhaltskontrolle freigeschaltet werden, wären eine sinnvolle Ergänzung gewesen. Grundsätzlich sind das jedoch alles Dinge, die ohne Probleme noch nachträglich eingefügt werden könnten.

Augenblicklich hat das Portal daher eher repräsentativen Charakter, am Nutzwert hapert es noch.

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1 Kommentar

  1. Ich finde das Intro gut: Bei mir startet die Animation sofort flüssig und ich habe gerne hingeschaut. Die Buch-Animation ist sehr ansprechend und aufmerksamkeitsstark umgesetzt worden. Ich finde das Intro mutig und das gerade gut. Es gibt viel zu viele langweilig gestaltete Websites.

    An der Suchmaschinenoptimierung scheint auch gearbeitet worden zu sein: Bei meiner Suche erscheint “Literaturportal-Westfalen.de macht Sie mit der Vielfalt des literarischen Lebens in Westfalen bekannt. Die westfälische Literatur hat viel zu bieten: ” als Beschreibungstext. Außerdem ist bei Google die Startseite verlinkt und nicht das Intro, was ich persönlich schade finde.

    Lustig finde ich, dass die negative Kritik auf diesem Portal von Google höher platziert wird. So liest man unter Umständen erst die Kritik, bevor man sich selber ein Bild macht.

    Abschreckend finde ich allerdings die Startseite. Ich fühle mich sofort mehrere Jahrhunderte in die Vergangenheit versetzt. Das schreckt mich so sehr ab, dass ich die Seite verlasse, bevor ich angefangen habe, die Website-Texte zu lesen. Ich finde die Seiten einfach viel zu altmodisch, das spricht mich überhaupt nicht an.

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