Logo Buchmesse 2001Das war's: Die besten Berichte und unsere Gästegalerie!
Unsere Beobachtungen von der 53. Frankfurter Buchmesse (10.10.-15.10.2001) - Für einen Text gab es unsere Literatur-Café Tasse
 
Gästegalerie
Ilona Renz
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Die Dichterin
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Pause
rain
Literatur-Café

Ilona Renz
Nicht mehr alle Tassen im Schrank

Es war schon spät, ich wollte gerade mit einem guten Buch, empfohlen vom Literatur-Café, ins Bett gehen, da hörte ich aus der Küche leise Geräusche. Was konnte das sein? Ich war allein zu Haus, nur der Hund lag schlafend im Flur. Na, wenigstens er schlug nicht an. Hatte ich mich verhört? Nein, da war es wieder, ein leises Klirren, es kam aus dem Tassenschrank! Eine Maus? Unwahrscheinlich!
     Langsam schlich ich näher, versuchte dabei, kein Geräusch zu machen. Mein Herz klopfte allerdings sehr laut. Vor dem verglasten Schrank, in dem die Tassen standen, blieb ich stehen. Lauschte. Da! Jetzt hörte ich es ganz genau, das Klirren und dann eine aufgebrachte Stimme. Träumte ich? Ich verharrte ganz still und versuchte zu verstehen, was da gesprochen wurde.
     »Ich bin hier die wichtigste Tasse,« sagte die Stimme, »aus mir trinkt sie ihren Morgentee. Ohne ihren Tee am Morgen ist sie einfach ungenießbar. Nie würde sie eine von euch morgens als Erste aus dem Schrank holen. Deshalb liebt sie mich am meisten!«
     Ein heftiges Scheppern folgte. » Also, das sehe ich anders,« höre ich eine andere Stimme. »Aus mir trinkt sie ihren Nachmittagskaffee.  Den sie übrigens sehr gut zubereitet. Ohne diesen Kaffee, der ihr nur aus mir schmeckt, wie sie selber mal gesagt hat, würde sie rettungslos in ein Mittagsloch fallen.« So viel Intelligenz hätte ich meiner Kaffeetasse gar nicht zugetraut - was würde wohl als Nächstes folgen? –
     Atemlos lauschte ich weiter. »Ach, ihr seid vielleicht eingebildet! Ich bin sicher, ich bin ihre wichtigste Tasse. Erst wenn sie abends zu mir greift und ihren Entspannungstee aus mir schlürft, kann sie richtig wahrnehmen, wen sie in der Hand hat!« An der brummigen Stimme konnte ich unschwer meine dickbauchige Kräuterteetasse erkennen, mit der ich mich abends bevorzugt auf Sofa lege oder im Internet von Seite zu Seite surfe und dabei auch regelmäßig Kräutertee-trinkend im Literatur-Café vorbeischaue.
     Aus dem Tassenschrank war jetzt ein Schimpfen und Meckern zu hören, dann ein heftiges Scheppern und ein Schrei. »Au, aua! Ihr habt wohl nicht mehr alle Tassen im Schrank!« hörte ich die schmerzverzerrte Brummstimme meiner Kräuterteetasse. »Ihr habt meinen Henkel abgeschlagen! Aua!!« Ich riss die Schranktür auf. Stille. Die Tassen standen so da, wie ich sie erst vor kurzem frisch gespült eingeräumt hatte. Ich stellte mich auf die Zehenspitzen und angelte die Kräuterteetasse hervor, die hinter zwei weiteren Tassen stand.  Fassungslos hielt ich das gute Stück in der Hand, starrte sie an. Der Henkel war ab!! Ich sah ihn zwischen der Morgentee- und der Nachmittagskaffeetasse liegen. »Das gibt's doch nicht,« murmelte ich leise vor mich hin, dann rief ich laut heraus »Ich fasse es nicht!!«.
     Der Hund kam winselnd in die Küche gelaufen, er war durch meinen Aufschrei wach geworden. Ich stellte die verletzte Tasse ab, um den Hund streicheln zu können.  »Ist alles okay, leg dich wieder hin,« beruhigte ich ihn. »Ich gehe auch bald schlafen, aber vorher schreibe ich diese Tassengeschichte noch auf und schicke sie an das Literatur-Café. Mal sehen, ob ich dann auf der Buchmesse eine neue Tasse bekomme!«
     Und so sitze ich also hier und schreibe. Ohne Tee.  Und kann wohl sagen, dass ich nicht mehr alle Tassen im Schrank habe.

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