Auf Facebook hat Maxim Biller gestern seinen Rückzug aus dem Literarischen Quartett bekannt gegeben. Schon in der nächsten Sendung am 3. März 2017 wird er nicht mehr dabei sein. Statt über Bücher zu streiten, will sich Biller künftig wieder mehr aufs Schreiben konzentrieren.
Was jedoch wird aus dem Literarischen Quartett? Ohne den polarisierenden meinungsstarken Biller droht die Bücherrunde zur spätabendlichen Einschlafhilfe zu werden.
Biller geht offenbar weder im Streit noch wurde er aus der Sendung geworfen. Sein Abgang ist ruhig und unaufgeregt. »Ich habe noch ein bisschen mehr nachgedacht als sonst und beschlossen, wieder mehr zu schreiben«, begründet Biller seinen Ausstieg auf seiner Facebook-Seite. Er schließt einen Dank vor allen Dingen an Christine Westermann und Volker Weidermann an und endet mit: »Es war eine tolle, merkwürdige Zeit!«
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Wer je für ähnliche Runden und Anlässe Bücher lesen musste, weiß, dass der Aufwand tatsächlich nicht ohne ist: Man muss die Neuerscheinungen im Auge haben, um geeignete Titel auszusuchen, und man muss jeweils drei andere Titel lesen, um über sie zu diskutieren, auch wenn sie einem möglicherweise gar nicht gefallen. Wer da noch eigene Bücher schreiben will, wird aus diesem Prozess zeitlich und mental permanent herausgerissen. Billers Ausstiegsgrund ist also nachvollziehbar und plausibel. Dass der Schriftsteller Biller als Kritiker Biller bisweilen heftig über Kollegen herzog, schien für ihn nie ein Problem zu sein.
Das ZDF scheint überrascht worden zu sein. In mehreren Medienberichten ist zu lesen, dass man beim ZDF den Schritt Billers bedaure, wenngleich man auch Verständnis habe. Einen Nachfolger oder eine Nachfolgerin konnte das ZDF zeitgleich zu Billers Abgang noch nicht verkünden. Nachtrag: Am 2. Februar 2017 gab das ZDF bekannt, dass Thea Dorn Billers Nachfolgerin wird (siehe unten).
Quartett ohne Biller ist wie Faust ohne Mephisto
Für das 2015 neu aufgesetzte Literarische Quartett ist der Ausstieg Billers jedoch verheerend. Denn Maxim Biller war der einzige Grund, warum die spätabendliche Freitagsrunde überhaupt noch im Gespräch war. Biller sagte seine Meinung, Biller wirkte überheblich, Biller fiel anderen ins Wort, Biller vernichtete Bücher oft mit einem Satz. Maxim Biller war für viele Zuschauer unerträglich. Jedoch: Das Quartett ohne Biller, das ist wie Faust ohne Mephistopheles. Da mögen einige noch so von einer »ernsthaften literarischen Diskussion« salbadern: In der heutigen aufmerksamkeitsheischenden Shitstormwelt braucht es das Laute, braucht es Meinung, braucht es Positionen. Indem sich viele – auch in den Kommentaren im literaturcafe.de – über Biller echauffierten, bestätigten sie genau das.
War Billers Bad-guy-Gehabe gerade zu Beginn der Neuauflage des Quartetts zu rollenartig aufgesetzt, wurde er mehr und mehr zur wichtigsten Figur in der Drei-plus-eins-Runde. Denn Meinung und Position vertrat Biller auch mit den von ihm vorgestellten Titeln. Hier grub Biller einige Perlen aus. Und es war Biller, der – trotz aller Polemik – die Diskussion häufig wieder in literarische Bahnen brachte.
Immer wieder zogen einige Zuschauer Parallelen zwischen Biller und Marcel Reich-Ranicki, dem Gründer des ursprünglichen Literarischen Quartetts. Zumindest was das lautstarke Vertreten einer Meinung ohne feuilletonistisches Darumherumgerede betrifft, sind sich die beiden tatsächlich ähnlich.
Man darf also gespannt sein, wen das ZDF an Billers Stelle setzen wird. Unter den bisherigen Gästen gab es niemanden, der Billers Rolle übernehmen könnte. Sie wirkten bislang allzu grau, unauffällig oder verpeilt. Ähnlich meinungsstark und polarisierend ist eigentlich nur Elke Heidenreich, doch wird man sie beim ZDF nicht zurückholen noch wird sie dies wollen. Mit Blick auf die Kandidaten aus dem Feuilleton könnte man sich noch Ijoma Mangold vorstellen, doch der hat ebenfalls bereits eine ZDF-Literatursendung hinter sich. Mit einer Kandidatin wie Mara Delius, die letzte Woche zur neuen Literaturchefin der Welt ausgerufen wurde, hätte die Runde keinen kontroversen Part mehr und würde zur literarischen Plauderrunde werden, die nichts Interessantes mehr bietet.
Noch bevor Volker Weidermann die Leitung des neu aufgelegen Quartetts übernahm, war Harald Schmidt für die Literatursendung ernsthaft im Gespräch. Ein intellektueller Promi wie Schmidt, der nicht aus dem Dunstkreis der üblichen Literaturseilschaften stammt, könnte in der Tat eine gute Ergänzung sein, um die Sendung für die Zuschauer wieder interessant zu machen.
Gelingt es dem ZDF nicht, den leeren Stuhl Billers adäquat zu besetzen, droht der Sendung der absolute Aufmerksamkeitsverlust – mal ganz abgesehen von der Quote. Es könnte kurz- oder mittelfristig das Aus der Wiederauflage sein, wobei allein die Tatsache, dass das ZDF dann gar keine Literatursendung mehr im Programm hat, die Sendung noch eine Zeit lang am Leben halten könnte – sofern nicht auch noch weitere die Runde verlassen. Zudem gibt es mit dem auch auf 3sat ausgestrahlten Schweizer Literaturclub und der Kritikerrunde der SWR-Sendung lesenswert bereits gemäßigte literarische Diskussionsrunden im TV.
Man darf also gespannt sein, wer am 3. März 2017 im Foyer des Berliner Ensemble über Bücher streiten wird.
Maxim Biller hat seine Facebook-Nachricht mit einem Screenshot aus der letzten Sendung vom Dezember 2016 versehen, auf dem das von ihm vorgestellte Buch von Max Küng zu sehen ist. Es trägt den Titel »Wenn du dein Haus verlässt, beginnt das Unglück«.
Zufall?
Wolfgang Tischer
Nachtrag vom 2. Februar 2017: Thea Dorn wird Nachfolgerin von Maxim Biller
Am 2. Februar 2017 hat das ZDF bekannt gegeben, dass Thea Dorn die Nachfolgerin von Maxim Biller ist. Thea Dorn war bereits im Juni 2016 Gast im Literarischen Quartett, ab der nächsten Sendung am 3. März 2017 gehört sie dann zur Stammbesetzung. Thea Dorn ist fernseherfahren und moderierte bereits viele Jahre die Sendung »Literatur im Foyer« für den SWR.
Erstaunlich, dass Herr Tischer Krawall als elementar für eine Literatursendung erachtet. Ich sehe das anders und bin froh, dass Herr Biller geht.
Denn nun kann es endlich mal um die Bücher gehen!
Ich halte das eher für eine Chance, daß dann wirklich eine qualifizierte, sachliche, wertfrei Diskussion daraus entsteht, um der es um die Bücher geht, denn ich halte das unqualifizierte “Das ist der größte Quatsch Geschrei”, nicht für gut und das war es auch nicht, wenn ich zum Beispiel an die Sendung vor der Frankfurter Buchmesse denke, wo über mindestens zwei Bücher sehr sehr unrefektiert geurteilt wurde!
Mir wird Biller nicht fehlen. Aber mir würde die Sendung als solche ebenfalls nicht fehlen. Es geht nicht um Bücher, sondern darum, recht zu haben. Nervtötend!
4 (in Buchstaben: vier!) Bücher alle zwei Monate zu lesen, ist natürlich eine Riesenaufgabe für einen Schrifsteller, die seine eigene Produktion gewaltig einbremst. Ich frage mich, wie viele lesen die denn ohne die lästige Pflicht einer Fernsehsendung? Eins pro Jahr – und dann nur das eine, das sie selber schreiben?
Auch ich habe die Sendung in der Herr Biller noch anwesend war gesehen. Gut das er dabei war. Nur hat er sich zu einem russischen Weltliteraten geäußert und war der Meinung “Dieser” würde zu langatmeig schreiben. Mag ja sein, nur ich lese gerade die “Biografie” von Maxim Bille. Ein tollles Buch! Nur sicher ist, es hätten auch weniger Seiten seien können. Und es wäre trotzdem gut zu lesen gewesen.