StartseiteLiteratur onlineBezahlter Inhalt: Ein Literaturportal wurde zum Bösen verführt

Bezahlter Inhalt: Ein Literaturportal wurde zum Bösen verführt

Geld für eine KrimitippDerzeit (März 2008) hat der Lübbe-Verlag eine Anzeige im literaturcafe.de für den Titel »Und verführe uns nicht zum Bösen« geschaltet. Das freut uns, denn das Geld von Anzeigenkunden hilft mit, unser Angebot zu finanzieren und auszubauen. Dabei bemühen wir uns, Anzeigen als solche kenntlich zu machen, denn die Verlockung, bezahlte Werbung und redaktionelle Berichte zu vermischen, ist nicht nur bei der »Bild« groß, sondern auch bei vielen Literaturportalen im Netz gängige Praxis.

Ist eine positive Buchbesprechung nur platziert, weil der Verlag dafür Geld bezahlt hat? Wie unauffällig bezahlte Werbung und redaktioneller Inhalt vermischt und Leser getäuscht werden, ist derzeit sehr gut auf dem Angebot literature.de zu sehen. Auf der Startseite findet sich der »Krimitipp«, und für Tipps ist man als Leser ja immer dankbar. Uns hat dieser Tipp jedoch stutzig gemacht, da es genau der Titel ist, den Lübbe derzeit im literaturcafe.de bewirbt. Doch nirgendwo findet sich bei literature.de der Hinweis »Anzeige«. Klickt man auf den Artikel, so fällt auf, dass der »Empfehlungstext« aus den Versatzstücken der Verlagswerbung besteht.

Klickt man dann beim Artikel auf den »Weiterlesen«-Link, so gelangt man auf die Werbeseite des Verlages. Wie bei unserer Werbung geschieht dies auch hier über einen sogenannten Adserver, d.h. jeder Klick wird mitgezählt, denn schließlich will der Verlag auch einen Erfolgsnachweis für sein Geld.

Doch auch hier wendet man bei literature.de-Tricks an, um dem Kunden zu verheimlichen, dass der vermeintliche »Krimitipp« ein bezahlter Werbeeintrag ist. Fährt man mit der Maus über den Link, zeigt die Statuszeile unten am Browser nur ein »Weiterlesen« an. Die wahre URL, die auf einen Adserver schließen lässt, ist per JavaScript versteckt.

Wie glaubhaft und ehrlich sind da die anderen Artikel eines solchen Portals? Tatsache ist, dass eine solche Praxis den Ruf der redaktionellen Unabhängigkeit nicht fördert. Als Leser kann ich mich hier auf nichts mehr verlassen.
Ehrlicher Buchtipp – oder doch nur Werbung?

Übrigens haben wir die Hintertür dann doch noch entdeckt! Ganz unten auf der redaktionell erscheinenden Werbeseite steht »Anzeige«. Dass das Kleingedruckte an dieser Stelle bewusst platziert und vom Leser ignoriert wird, belegen leider auch weitaus unrühmlichere Fälle.

Nachtrag: Rasch hat man bei literature.de reagiert und weist bereits einen Tag später den Beitrag sowohl auf der Startseite als auch beim Artikel selbst deutlich als »Anzeige« aus.

Nachtrag II: Gleich den Sternen am Nachthimmel so erscheint nun auch bei weiteren Rubriken auf literature.de das Wort »Anzeige«. So stellt sich nun erst heraus (Stand April 2008), dass auch die Rubriken »Autor des Monats« und »Factory« nicht wie angenommen redaktionelle Beiträge, sondern Werbung sind. Ein richtiger und ehrlicher Schritt gegenüber dem Leser.

Weitere Beiträge zum Thema

10 Kommentare

  1. Natürlich ist es so, dass Rezensenten von den Verlagen Bücher zugesandt bekommen in der Hoffnung auf eine positive Besprechung. Da für diese Rezis im Web aber nur wenig oder gar nix bezahlt wird, ist es legitim für Seitenbetreiber und deren Autoren, durch adsense-Schaltungen eine Mini-Aufwandsentschädigung zu erzielen. Was aber nicht automatisch zu Lobhudeleien führen muss, da der Rezensent ja seine eigene Reputation untergräbt, wenn er sich als Verlagsknecht outet.
    Häufig werden auch umgemodelte Klappentexte unter XY-Namen von den Verlagen als Scheinrezi angeboten – da gilt es als LitSite-Redaktion wachsam zu sein und die Beiträge entsprechend zu prüfen.
    Im LitMag “Schnipsel” erscheinen deshalb nur Besprechungen von uns als weitgehend unabhängig bekannten Rezensenten.

  2. Also bisher habe ich das Literaturcafe ja sehr geschätzt, aber dieser “Artikel” ist mehr als peinlich. Nicht nur dass er journalistisch eher anspruchslos ist, klingt das Ganze auch noch sehr nach “madig machen” der Konkurrenz. Hat das Cafe doch eigentlich nicht nötig, zumal angesprochene Anzeige hier auch nicht wirklich vom redaktionellen Inhalt zu unterscheiden ist.

  3. Also ich schätze das Literaturcafé gerade WEGEN solcher Artikel. Das Netz ist viel zu unkritisch, da bin ich froh, dass ich hier oftmals wohltuend Anderes und Kritisches lese. Das ist leider im Netz nicht selbstverständlich.

  4. Tja, da haben Sie wohl recht.

    Anzeigen und Redaktionelle Beiträge sollte man nicht vermischen.

    Ich kenne noch weitere Beispiele. Zum Beispiel das Literaturcafe. Da ist oben ein redaktioneller Beitrag zu dem Buch “und führe uns nicht zum Bösen”. Wer mehr lesen will findet einen Link. Der landet allerdings, merkwürdig, auf der Verlagsseite.

    Und der Verlag hat bei Literaturcafe, wie dieses angibt, eine Anzeige geschaltet. Deshalb der “redaktionelle” Beitrag ganz oben? Ach nein, wenn ich hingucke – und meine Brille aufsetze – sehe ich klein, ganz klein Anzeige. In Schrift, Aufmachung, Text gehalten wie der übliche Artikel.

    Tatsächlich, Sie haben recht. Die Verführung ist groß.

    Ob die Rezensionen deshalb auch entsprechend ausfallen. Könnte man vermuten.

    Aber ich denke, Nein. Denn auch, wenn die Versuchung immer groß ist, Anzeigenkunden – vor allem solche, die die teureren “Fast-Redaktionellen Beiträgen” schalten – zu belohnen. Nach meiner Erfahrung sind die Rezensionen spiegeln die Rezensionen trotzdem meist die Meinung des Rezensenten wieder. Der kriegt nämlich kein Geld von der Anzeige.

    Oder sollte das bei Literaturcafe anders sein?

    Merke: Wer im Glashaus sitzt, sollte nicht mit Steinen werfen.

    Hans Peter Roentgen

  5. Eine Heuchelei in diesem Ausmaß ist mir im Netz seit langem nicht begegnet. In der Sache trifft die Kollegenschelte sicher zu – aber was für eine Mischung aus Bosheit und Häme spricht nicht aus dem Beitrag!

    Jeder Journalist wird bei Angelegenheiten von Kollegen, in die Konkurrenz- und Geldfragen hineinspielen, äußerst taktvoll vorgehen. Das ist einfach ein Gebot des Anstands.

    Ich bin selber dafür bekannt, im Netz äußerst hart zuzupacken – es muß aber eine Grenze geben, wo die berechtigte Kritik aufhört und die schlichte Verletzung des menschlichen Anstands beginnt.

    Diese Grenzlinie wurde hier überschritten. Es stünde dem Verfasser gut an, dies zuzugeben. Jeder von uns kann in der Hitze des Gefechts zum Pharisäer werden – dann tut Buße not.

    Zur Strafe verordne ich die Auflistung aller Grammatik- und Stilfehler in einem beliebigen Band von “Karl May”.

  6. dass literature immer wieder verlagswerbung und eigene “redaktionelle” beiträge vermischt ist doch nichts neues. daher ist dieser beitrag wie eulen nach athen tragen. literature ist nun mal ein angebot, dass von der werbung leben muss, daher erwarte ich dort keine unabhängigkeit. verstehe daher die aufregung nicht.

Schreiben Sie einen Kommentar

Bitte geben Sie Ihren Kommentar ein.
Bitte geben Sie Ihren Namen ein