Ab sofort und bis zum 21. Februar 2020 können sich Autorinnen und Autoren für die Teilnahme am Bachmannpreis im Juni 2020 bewerben. Gleichzeitig wurde bekannt gegeben, dass es in der siebenköpfigen Jury zwei Wechsel geben wird.
Die langjährige Jurorin Hildegard E. Keller wird beim kommenden Bachmannpreis nicht mehr der Jury angehören, ebenso scheidet Stefan Gmünder aus. Die Literaturwissenschaftlerin Keller gehörte der Jury insgesamt elf Jahre an (von 2009 bis 2019), Gmünder, Literaturredakteur beim Standard, war fünf Jahre mit dabei (von 2015 bis 2019).
An ihrer Stelle 2020 in der Jury neu dabei sind Brigitte Schwens-Harrant, Literaturkritikerin und Feuilletonchefin der österreichischen Wochenzeitung »Die Furche« und Philipp Tingler, Autor und Literaturkritiker aus der Schweiz.
Den Juryvorsitz übernimmt 2020 erneut Hubert Winkels, ebenso sind in der Jury wieder Nora Gomringer, Klaus Kastberger, Michael Wiederstein und Insa Wilke mit dabei.
Jedes der sieben Jurymitglieder lädt zwei Autoren zu den »44. Tagen der deutschsprachigen Literatur« nach Klagenfurt ein. Daher können sich Autorinnen und Autoren ab sofort bei den Juroren bewerben. Ihre Kontaktadressen finden sich auf der Website bachmannpreis.orf.at.
Im Grunde genommen zählt nur der eingereichte Text, der unveröffentlicht sein muss und eine Lesedauer von 25 Minuten nicht überschreiten darf (ca. zehn DIN-A4-Seiten). Wer um den mit 25.000 Euro dotierten Bachmannpreis und seine Nebenpreise lesen will, muss keinerlei Veröffentlichungen vorweisen, und es gibt auch keine Altersgrenze. Die genauen Bedingungen sind ebenfalls auf der Website des Bewerbs nachzulesen. Die Juroren müssen sich bei der Auswahl ihrer beiden Autoren jedoch nicht auf die eingegangenen Bewerbungen beschränken. Auch Verlage schlagen den Juroren mögliche Kandidaten vor, ebenso können die Juroren favorisierte Autoren konkret ansprechen und um einen Text bitten.
Die Texte der Bewerberinnen und Bewerber sollten die präferierten Jurymitglieder bis zum 21. Februar 2020 erreichen.
Die 44. Tage der deutschsprachigen Literatur, der sogenannte »Bachmannpreis«, finden im Jahr 2020 vom 17. bis 21. Juni im ORF-Theater des ORF-Landesstudios Kärnten statt. Die Eröffnung des Bewerbs mit der Auslosung der Lesereihenfolge erfolgt am Mittwoch (17. Juni). Gelesen und diskutiert wird von Donnerstag (18. Juni) bis Samstag (20. Juni). Am Sonntag (21. Juni) findet die Schlussdiskussion mit der Preisvergabe statt.
Das literaturcafe.de wird natürlich wieder vor Ort sein und berichten.
Kommentar von Wolfgang Tischer:
Endlich wieder Wechsel!
Seit Jahren wünsche ich mir häufigere Wechsel in der Jury des Bachmann-Wettbewerbs. Speziell im Jahr 2019 gab es gegenüber dem Vorjahr keinen Austausch im siebenköpfigen Kritikerteam. Eine Rotation – wie bei einigen anderen Literaturpreisen üblich – ist in Klagenfurt nicht vorgesehen. Doch es ist und wird irgendwann langweilig, wenn Jurymitglieder jahrelang mit dabei sind, teilweise seit über zehn Jahren. Da kennt man die Vorlieben und Urteilsmuster der Literaturichter, da erlebt man als Zuschauer keine Abwechslung, keinen neuen Blick, gelegentlich bemerkt man Routine und Jury-Müdigkeit. Bei der ansonsten geschätzten Hildegard E. Keller fehlten in den letzten Jahren die neuen, impulsiven Jury-Momente. Gelegentlich wurde auf Twitter mehr über ihre Fächertechnik im heißen Studio als über ihre Urteile gesprochen.
Stefan Gmünders Urteile waren bisweilen durchaus treffend, doch der in Österreich lebende Schweizer war nie das eloquenteste Temperamentbündel der Jury.
Nun ist es nicht so, dass man von der Jury Krawall und laute Inszenierung erwartet. Es ist ja immer noch der Bachmannpreis und nicht DSDS. Und dennoch verlief die Diskussion in den letzten Jahren gelegentlich zu harmonisch, man kannte nicht nur das Agieren einzelner Juroren, man kannte auch ihr geübtes Zusammenspiel.
Neue Namen und Gesichter schaffen neue Konstellationen. Das kann klappen oder auch nicht, aber es bringt Zuschauer und Jury zumindest aus dem gewohnten Argumentationstrott.
Die beiden Neuen, Brigitte Schwens-Harrant und Philipp Tingler, scheinen mir eine gute Wahl zu sein. Brigitte Schwens-Harrant kennt den Bachmannwettbewerb aus nächster Nähe und war viele Jahre lang vor Ort am Wörthersee, um für »Die Furche« zu berichten. Im »magdas«, dem Café gleich um die Ecke beim ORF-Studio, beteiligte sie sich auf der Bühne an den Nachbesprechungen der Wettbewerbstage, der »Kritik der Kritik«. Im kommenden Jahr also wird sie sich selbst der Kritikerkritik stellen müssen, denn auch das literaturcafe.de wird dann wieder zur Bewertung der sieben Jurorinnen und Juroren aufrufen.
Philipp Tingler schätze ich als Mitglied im Diskussionsteam des Schweizer Literaturclubs. Er hat nicht nur Witz, er blickt auch genau und analytisch auf die Texte und ihre Bauweise. Das bringt hoffentlich mehr Präzision und Detailbetrachtung in die Jury-Diskussion, die in den letzten Jahren ebenfalls oft fehlte. Tingler gehörte 2001 selbst zu den Lesenden des Wettbewerbs – und scheiterte grandios, was auf der Bachmannpreis-Website euphemistisch umschrieben ist mit: »wo er die Meinungen so stark polarisierte wie kein anderer Teilnehmer«. Es ist zu hoffen, dass ihn dies nicht zu milde macht und dass er auch in Klagenfurt ebenso deutliche Worte findet wie in Zürich.
Interessanterweise sagte er in einer Folge »Steiner & Tingler« aus dem Jahre 2018, dass er das Konzept von Literatur für überlebt halte, das beim Bachmannpreis dahinterstehe. Mit leicht satirischem Blick machte er sechs Kriterien aus, von denen seiner Meinung nach vier erfüllt sein sollten, um von »Bachmannpreis-Prosa« reden zu können:
- (Pseudo-)Autobiografischer Bezug
- Drittes Reich (oder deutsche Geschichte) seit 1989 an die Seite gestellt von Deutsch-Deutsch
- Ich-Erzählerin
- Stil der parataktischen Reihung (Hauptsätze, gerne seitenweise verbunden mit »und«)
- Leitmotive, Marginalisierung und Identität
- Esoterische Innerlichkeit
Man darf also schon jetzt gespannt sein, welche zwei Texte er nach Klagenfurt einlädt.
Ebenfalls positiv anzumerken ist, dass Nora Gomringer und Insa Wilke weiterhin mit dabei sind. Beide kamen vor zwei Jahren neu in die Jury. Man hatte bei Nora Gomringer in diesem Jahr verstärkt den Eindruck, sie fühle sich in der Rolle der Jurorin nicht ganz so wohl. Eine Rolle, von der sie immer schon gesagt hat, dass diese ihr nicht so ganz passe, sei sie doch in erster Linie Autorin und nicht Kritikerin. Eine einschränkende Haltung, die Gomringer nicht nötig hat.
Dass Hubert Winkels als Sprecher der Jury erhalten bleibt, ist auch okay. Vor der Kamera oftmals sehr ausholend in der Diskussion, hat er das diplomatische Geschick, das bisweilen hinter den Kulissen gefragt ist. In dieser Funktion ist Kontinuität durchaus sinnvoll.
Wolfgang Tischer