Wer wissen möchte, was die KandidatInnen für den Bachmannpreis in ihren Videoporträts sagen, aber Zeit und Mühe scheut, ständig vorzuspulen oder an schlecht verständlichen Worten herumzurätseln: Frau Brockmann hilft!
Wie bereits zuvor schon zweimal hat sie die noch ausstehenden Autorenvideos betrachtet, zusammengefasst und Originalzitate transkribiert.
Es wird Auskunft gegeben über das Schreiben.
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Der Anspruch von Katja Petrowskaja könnte größer kaum sein: „Ich möchte die Welt retten“, sagt sie, „mindestens“, und lacht. Die Antwort auf die Frage nach dem Grund und Motor des Schreibens fällt ähnlich wie bei Cordula Simon und Roman Ehrlich aus: „Das Schreiben entwickelt sich aus der Unfähigkeit, etwas zu akzeptieren.“ Wer etwas nicht hinnehmen und also Veränderung will, muss, wenn er/sie über sich erzählen will, die Entscheidung treffen: „Soll man dann darüber erzählen, was man getan hat, oder darüber, was man tun wollte.“ Biographische Offenlegung ist jedoch – wenn wir Katja Petrowskaja hier glauben dürfen – nicht das Ziel: „Wieso soll ich sagen, wer ich bin, das ist mir überhaupt nicht interessant.“
Doris Brockmann
ist (bzw. war) passionierte Fernsehstudentin der »Tage der deutschsprachigen Literatur«. Bis 2013 bloggte und twitterte sie über den Bachmannpreis immer im angenehm kühlen Arbeitszimmer, 2014 war sie erstmals live im aufgeheizten Klagenfurt dabei, um sich mal alles vor Ort anzuschauen. 2017 wird sie zum vierten Mal nach Kärnten reisen. Ansonsten widmet sie sich der angewandten Schriftstellerei im Dienste der Alltagsbeobachtung auf
walk-the-lines.de
Ebenfalls am Biographischen orientiert sind die Texte von Anousch Mueller. Sie ist bekennende Twitter-Süchtige, fasziniert vom „Hinausfunken von biographischen Bröckchen“ im Internet: „Inzwischen wird eigentlich jede Lebenssituation mit einem Tweet kommentiert.“ Wer in dieser Weise das eigene Schreiben ausbildet, bildet sich zum Experten, zur Expertin der kurzen Form, übt „Verdichtung in Reinform“. Maximal 140 Zeichen gilt es zu einer Aussage zusammenzupuzzeln, die Nachricht, Sentenz oder poetisches Versatzstück sein kann. Werden weniger Zeichen gebraucht, umso besser: „Schreiben ist keine Arbeit, macht aber welche.“ Oder: „Ich bin immer hin.“
„Schreiben bedeutet für mich, das Grauen des Lebens bannen, fungiert als Überdruckventil“, sagt Nikola Annne Mehlhorn. Als eigene „literarische Fixsterne“ nennt sie Goethe, Bachmann, Camus, Frisch, Marquéz, Kafka, Hesse und Grass (letzteren nur „eingeschränkt“ – inwiefern verrät sie nicht). „Die erstaunlichste Erfahrung beim Schreiben ist, dass Logik nicht die ultimative Lösung bringt.“ Ein Text könne noch so logisch sein, sauber strukturiert und vielfach sprachlich überarbeitet: „Wenn der Text nicht lebt, dann lebt er nicht!“ Auch das Umgekehrte gelte: „Ein schlecht formulierter und konstruierter Text, der vor Lebenskräften strotzt.“
Heinz Helle sagt, ihn interessiere am meisten „das Normale“. In seinen Texten geht er der Frage nach: „Was bedeutet Glück, was hat das mit Normalität zu tun?“ Initialzündung ist immer „ein guter Satz“, ein „schöner Satz“, der gut klingt, der einen „berührt“, „etwas mit einem macht“ und der noch frei von jeglicher erzählerischer Zweckbestimmung ist. Erst viel später zeige sich, was das Thema sei, auf das dieser erste Satz hinführte.
„Mir geht es weniger darum, Geschichten zu erzählen, als vielmehr darum, bestehende Geschichten zu befragen auf das, was sie an Selbst- oder Gesellschaftsentwürfen transportieren oder vermitteln.“, lautet die Auskunft von Philipp Schönthaler. Die zu befragenden Geschichten entnimmt er dem Feld der Warenästhetik. Die schöne neue Einkaufswelt als Generator von Geschichten, „die erzählen, wie der Mensch gedacht wird.“
So. Genug der Videovorschau.
Lasst uns Texte sehen!
Mögen die Spiele beginnen. Mögen die Besten gewinnen.
Doris Brockmann