StartseiteBachmannpreis 2013Bachmann und BrockmannBachmann und Brockmann IV: Die Autorenporträts auf den ersten Blick

Bachmann und Brockmann IV: Die Autorenporträts auf den ersten Blick

Standbild aus dem Video von Anousch MuellerEndlich sind die Videoporträts der Autorinnen und Autoren online gestellt, die in einer Woche beim Bachmannpreis-Wettbewerb lesen werden . Nur ein Video fehlt noch.

Technisch nach wie vor nicht sauber gelöst: Die Videos sind lediglich verlinkte Dateien im proprietären Microsoft-Format (wmv), die nicht zur direkten Wiedergabe in die Website eingebettet, geschweige denn bei YouTube verfügbar sind.

Doris Brockmann hat sich die Videoporträts angesehen und gibt ihren ersten Eindruck wieder.

Was fällt auf? Gibt es Trends bei der audiovisuellen Autorenvorstellung?

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Ist der erste Eindruck immer der beste? Ich weiß es nicht, möchte aber nicht versäumen, mitzuteilen, wie die dreizehn Videoporträts bei der ersten Durchsicht auf mich gewirkt haben. Es bleibt zu prü­fen, wie stichhaltig die Anfangsvermutungen sind.

Ein Kinderspielplatz!

Standbild aus dem Video von Benjamin MaackEin Kinderspielplatz. Da wieder einer! Da noch einer! Und auch da! Verglichen mit den Schauplätzen aus früheren Bachmannpreis-Videoporträts ist der Kinderspielplatz als Darstellungsort etwas Neues – zumal in der Häufung von gefühlten sieben Mal. Dass außerdem einige AutorInnen dort, aber auch an anderen Orten mit ihren eigenen Kindern gezeigt werden oder über sie sprechen, macht of­fenbar, welcher Stellenwert der familiären Lebenssituation und deren Thematisierung zukommt. Der Tatbestand passt zum statistischen Befund des stetig zunehmenden Durchschnittsalters und des Frauenanteils bei den BachmannpreiskandidatInnen der letzten Jahre. Gegen die Verengung auf ein reines Frauenthema spricht, dass in der Reihe der Porträtierten auch Väter ihren Nachwuchs mit ins Blickfeld rücken.

Apropos Frauenthema: Ein bisschen reiben musste ich die feminis­tisch empfindsamen Äuglein, als ich nach der ersten Durchsicht die jeweiligen Szenarien noch einmal Revue passieren ließ: Die Frauen sitzen an der Nähmaschine, im Café, an der Orgel, spazie­ren durch Feld, Wald und Wiese, machen Seilhüpfen, betrachten sich im Spiegel oder zeigen in einem lediglich von Kinderstimmen bevölkerten Freibad die Damendusche, einen tropfenden Damenbadeanzug und – immerhin – den Sprung einer Frau ins (kalte) Wasser. Die Männer gehen ins Naturhistorische Museum, in eine Elektrowerkstatt, wo ein Fachmann den technischen Aufbau eines Fernsehgerätes erklärt, ziehen in die weite Welt hinaus, wo sie Abenteuer bestehen (inklusive Gefängnisaufenthalt), fahren Skateboard, versuchen ein XXXXL-Eis zu essen oder stehen wie ein fester Baum im hektischen Treiben von Fußgängerzonen und analysieren deren gesellschaftsprägenden Impetus. Mh.

Doris Brockmann (Foto:privat)Doris Brockmann
ist (bzw. war) passionierte Fernsehstudentin der »Tage der deutschsprachigen Literatur«. Bis 2013 bloggte und twitterte sie über den Bachmannpreis immer im angenehm kühlen Arbeitszimmer, 2014 war sie erstmals live im aufgeheizten Klagenfurt dabei, um sich mal alles vor Ort anzuschauen. 2017 wird sie zum vierten Mal nach Kärnten reisen. Ansonsten widmet sie sich der angewandten Schriftstellerei im Dienste der Alltagsbeobachtung auf
walk-the-lines.de

Ja. Sicher. Auch das Umgekehrte kommt vor: Männer, die durch die sogenannte Natur laufen oder auf einem Kinderspielplatz sit­zen, Frauen, die in die Welt hinausgezogen sind und sich beispiels­weise in Odessa niedergelassen haben, wo zu leben »eine Übung in Apokalypse« sei, so Cordula Simon. Alles richtig. Doch ist mit dem Hinweis auf Gegenbilder die Frage nicht beantwortet, warum in den Videoporträts jene klischeehaften Szenarien verwendet werden.

»Hach!«, höre ich die einen rufen. »Da betonst du etwas, was gar nicht so im Zentrum der Videos steht!«

»Aber«, so rufe ich zurück, »es steht eben nun mal da – und zwar nur teilweise am Rande.«

»Hach!«, höre ich anderen rufen. »Hast du nicht bemerkt, dass die ge­schlechtsspezifischen Zuschreibungen hier ironisch gebrochen wer­den?«

»Durchaus«, rufe ich zurück. »Mir gefällt zum Beispiel die Näh­stunde von Larissa Boehning sehr. Im Blick auf die Videoporträts insgesamt glaube ich jedoch, dass in ihnen nicht so viel ironische Brechung dieser Zuschreibungen am Werke ist, wie man gerne annehmen möchte.«

Gut gefällt mir der unprätentiöse Auftritt der Profischauspieler, die am diesjährigen Wettbewerb in Klagenfurt teilnehmen. Wer hier dramaturgisch großes Gepolter oder Tirili erwartet hat, wird ange­nehm enttäuscht:

Joachim Meyerhoff (Ensemblemitglied des Wiener Burgtheaters und des Hamburger Schauspielhauses) begrüßt uns wohltuend un­verstellt und freundlich, erzählt ein bisschen über sich, seine Her­kunftsfamilie, seine Tochter, spricht über Mäusebussarde, Grenzen und Tobsuchtsanfälle. Er gibt uns das Gefühl, wir plauderten mit einem sympathischen Unbekannten, der sich neben uns auf Park­bank gesetzt hat. Es wirkt alles nicht groß inszeniert. Uuund es wurrrd auch nicht deeeklaaamirrrt!

Gänzlich zurückgenommen tritt Verena Güntner (Hessisches Staatstheater Wiesbaden, Film, Fernsehen) auf: Sie ist in ihrem Vi­deo überhaupt nicht zu sehen! Es sei denn, es handelt sich bei der Frau, die am Ende des Films ins kalte Wasser springt, um Verena Güntner. (Meiner Meinung nach sieht sie anders aus.) Wir bekom­men ein leeres Freibad gezeigt, Duschen, Wasserbecken, Büdchen­schubladen mit Süßigkeiten, einen rollenden Ball und auch noch et­was Weißes, das langsam an einer Glasscheibe herabfließt und von dem wir lieber nicht genau wissen wollen, um was es sich da han­delt. Abgesehen von Vogelgezwitscher und Kinderstimmen ist nichts zu hören. Keine Musik. Nicht ein Wort von der Autorin. Na, am Wörthersee wird sie uns bestimmt etwas erzählen.

Doris Brockmann

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5 Kommentare

  1. Inzwischen fehlt nichts mehr und Nadine Kegeles Portrait halte ich auch für das Originellste. Allgmein hab ich ein bißchen Schweirigkeiten mit Filmen, wo der Autor, die Autorin an Stoffen herumschneidet oder man einen Arbeiter sieht, der einen Fernseher repariert.
    Was hat das mit dem Autor zu tun? Doch viel natürlich, weil der es ja ist, der sich damit präsentiert, aber der vielleicht etwas unbedarfte Zuschauer wünscht sich vielleicht wirklich eher die ganz banale Information, wann geboren, welche Bücher etc
    Aber es ist gut, daß sich jeder so vorstellt, wie er es will, man kann auch so viel davon lernen und diesmal waren auch ein paar sehr interessante Einstellungen übers Schreiben dabei.
    Also alles Gute und viel Erfolg und nächste Woche werden wir sowieso mehr über alles wissen!

  2. Orgelspielen halte ich ja nicht für besonders weiblich. Spazierengehen und im Café sitzen eigentlich auch nicht. Und wenn ich’s mir recht überlege, nicht mal ins Freibad gehen, vom Dreimeterbrett springen und weiße Ersatzflüssigkeit (Sonnenmilch) von einer Scheibe tropfen lassen.

  3. Also ich kann die Videos weder per Klick starten noch irgendwie herunterladen. Keine Ahnung, was ich da falsch mache.

    Ich glaube auch nicht, dass man hier als Frau sauer sein muss, weil da wieder irgendwas angeblich politisch inkorrekt sein soll. Die Autorinnen und Autoren haben ja wohl selbst gewählt, wie sie sich präsentieren.

    Ich verstehe also nicht, warum man hier seine “feministisch empfindsamen Äuglein” bemühen muss. Zumal es auch reichen würde, wenn man die emanzipatorischen Äuglein öffnet. Feminismus hat nämlich mit Gleichberechtigung genau so wenig zu tun wie Maskulinismus. Vielleicht meint aber nicht immer jeder, der diese Begriffe verwendet auch wirklich das Extrem.

    Ich denke, es ist wichtiger, darauf zu achten, ob Chancen, Bezahlung und Rechte vom Geschlecht abhängen oder nicht. Und dass niemand für seine Berufswahl (Frau im typischen Männerjob, Mann im typischen Frauenjob) von der Gesellschaft diskriminiert wird. Da sollte man für Gleichheit eintreten. Ob sich da eine Autorin beim Nähen oder gar Häkeln präsentiert ist nebensächlich, denn es ist ihr Recht, das zu tun.

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