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Urheberrechtsreform: Buchautoren verdienen weniger [Aktualisierung]

Screenshot: Mitteilung des Justizministeriums zur Urheberrechtsreform
Screenshot: Mitteilung des Justizministeriums zur Urheberrechtsreform

Die Bundesregierung hat einen Gesetzentwurf verabschiedet, der die umstrittenen EU-Vorgaben in deutsches Urheberrecht umsetzt. Kritik kommt von allen Seiten. Was beim lauten Lobby-Getöse untergeht: Buchautor:innen verdienen künftig weniger.

Fit für das digitale Zeitalter?

Es sei »die Umsetzung der größten europäischen Urheberrechtsreform der letzten zwanzig Jahre in deutsches Recht« und das in die Jahre gekommene Urheberrecht werde »fit für das digitale Zeitalter«, sagt Bundesjustizministerin Christine Lambrecht (SPD). Tatsächlich ist Deutschland gezwungen, die umstrittenen und in den letzten Jahren hart umkämpften EU-Vorgaben bis zum 7. Juni 2021 in nationales Urheberrecht umzusetzen (PDF-Download des Textes).

Dabei gilt es, einen Interessensausgleich zwischen Urhebern, Lizenznehmern, Plattformen und Nutzern zu finden. Wer darf innerhalb welcher Grenzen was? Wer muss wann an wen zahlen?

Umstritten bleiben die sogenannten Uploadfilter. Wenn – wie es die Reform vorsieht – Internet-Angebote ab einer gewissen Größe für die von Nutzern hochgeladenen Inhalte haften sollen, dann werden diese Plattformen die Inhalte bereits beim Hochladen auf eventuell urheberrechtlich geschützte Elemente überprüfen müssen. Allein aufgrund der Menge kann dies nur maschinell durch Filter beim Hochladen geschehen. Kritiker bemängeln, dass erlaubte Verwendungen wie Parodie oder Satire von den Maschinen nicht erkannt wird und im Zweifelsfall mehr als weniger blockiert wird (Overblocking). Außerdem bestehe die Gefahr, dass die Filter, einmal installiert, Begehrlichkeiten wecken könnten, künftig weitaus mehr als nur Urheberrechtliches zu prüfen und zu blocken. Immer wieder fällt im Zusammenhang mit den Uploadfiltern das Wort Zensur.

Uploadfilter scheinen unausweichlich

Daher gab es zunächst von einigen deutschen Politikern Vorschläge, wie man bei der Umsetzung der EU-Richtlinie in deutsches Recht diese Filter vermeiden könnte. Doch dies scheint mit dem jetzigen Gesetzentwurf der Bundesregierung nicht umsetzbar.

Hart gerungen wurde auch um die Bagatellgrenzen. Hier geht es darum, in welchem Umfang die nicht kommerzielle Nutzung von Teilen eines Werkes erlaubt ist. Hier geht es überwiegend um private Nutzer.

Was Textinhalte betrifft (also auch Buchausschnitte), wurde in ersten Entwürfen vom Ministerium zunächst eine Grenze von 1.000 Zeichen vorgeschlagen. Nach massiven Einwänden der Verlagslobby (Zeitungs- und Buchverlage), sind nun maximal 160 Zeichen erlaubt. Das ist einerseits wenig, andererseits kann das bei Gedichten ein komplettes Werk sein. Daher gibt es weitere Einschränkungen. So müssen die 160 Zeichen weniger als die Hälfte eines Werkes ausmachen. Zudem gelten natürlich weiterhin die Regeln des Zitatrechts, d. h. ein Text darf nicht für sich stehen, sondern muss in einen Zusammenhang eingebettet sein, um z. B. eigene Aussagen zu belegen. Die Grenze bei Film- und Tonschnipseln für die zulässige nicht-kommerzielle Verwendung liegt bei 15 Sekunden.

Trotz dieser Regelungen werden im Zweifels- und Einzelfall weiterhin Gerichte entscheiden, ob eine Nutzung zulässig ist.

160 Zeichen Kontrollverlust

Und obwohl – gemessen an einem ganzen Buch – 160 Zeichen nicht viel sind, sprechen einige Autor:innen von Enteignung und Kontrollverlust. Offen ist, ob insbesondere die großen Internet-Plattformen wie YouTube, Google und Facebook Geld für die Nutzung zahlen werden, das auch bei den Künstlern ankommt. Außerdem wird von Kritikern der Reform angeführt, dass in Zeiten von Social Media jede und jeder zum Urheber werde. In der Praxis werden aber weiterhin – wenn überhaupt – nur die Urheber von den Lizenzeinnahmen profitieren, die in Verwertungsgesellschaften wie GEMA und VG-Wort organisiert sind. Einzelne Urheber:innen werden kaum eine Möglichkeit haben, sich bei einer missbräuchlichen Verwendung ihrer Werke zur Wehr zu setzen, um Geld zu bekommen.

Kritik am Gesetzentwurf der Bundesregierung kommt daher von allen Seiten. Künstler sehen ihre Arbeit nicht genügend gewürdigt, die großen Plattformen seien nicht genug in die Pflicht genommen, für die Nutzer:innen bestehe weiterhin keine Rechtssicherheit und Uploadfilter könnten die freie Rede im Netz beschränken.

Viel wurde in den letzten Tagen in fast allen Medien über den Entwurf und die Kritik daran berichtet. Doch eine wichtige Reform-Komponente für Buchautor:innen blieb meist unerwähnt: die Wiedereinführung der Verlegerbeteiligung. Der Börsenverein des deutschen Buchhandels, als Lobby-Vertretung der Buchverlage, lobt diesen Umstand: »Von zentraler Bedeutung … ist die überfällige Wiedereinführung einer Verlegerbeteiligung«.

Die Wiedereinführung der Verlegerbeteiligung

Für viele Autor:innen bedeutet dieser Umstand jedoch, dass sich ihre VG-Wort-Einnahmen im Schnitt um ein Drittel reduzieren werden. So reglementiert es der Gesetzesentwurf. Nahezu alle acht negativen Folgen der Urheberrechtsreform, auf die wir bereits während der Verhandlungen auf EU-Ebene hingewiesen haben, könnten Buchautor:innen in Deutschland demnächst treffen. Die vom Bundesgerichtshof 2016 als illegal bewertete Ausschüttung an Verlage wird durch die Reform legalisiert. Nach Meinung der Verlage sei dies ohnehin immer so intendiert gewesen, obwohl das Gericht den Gesetzestext anders auslegte. Es gibt durchaus gute Gründe für die Verlegerbeteiligung.

Lediglich für Autor:innen großer Verlage, die sich für ihre Autor:innen einsetzen und so mehr Umsätze erzielen, dürfte diese Änderung unter dem Strich keine Rolle spielen. Wie viel Geld den Autor:innen künftig entgehen wird, das konnten diese 2019 (positiv) auf dem Konto spüren. Aufgrund des Gerichtsurteils zahlte die VG-Wort den zurückgehaltenen Verlagsanteil der letzten Jahre mit einem Schlag an die Autor:innen aus. Nicht selten ein warmer und unerwarteter Geldregen im fünf- oder gar sechsstelligen Bereich, der künftig wieder an die Verlage geht. Autori:innen, die nicht in der VG-Wort sind, werden von den Änderungen gar nichts merken.

Völlig offen bleibt die Frage, ob die Urheberrechtsreform ein weiteres Hauptziel erreichen wird: dass Anbieter wie YouTube, Google und Facebook in nennenswertem Umfang für die Nutzung urheberrechtlich geschützten Inhalte zahlen. Bislang hat es die Regierung in Deutschland nicht einmal geschafft, dass diese Unternehmen hierzulande Steuern in nennenswertem Umfang zahlen.

Denn sonst ändert sich mit »der größten europäischen Urheberrechtsreform der letzten zwanzig Jahre« für die Mehrzahl der Autor:innen und Leser:innen in der Praxis …

… nichts.

Wolfgang Tischer

Aktualisierung und Nachtrag vom 11. Februar 2021

Ursprünglich war dieser Beitrag mit »Urheberrechtsreform: Buchautoren verdienen weniger, Blogger und Self-Publisher subventionieren Verlage« betitelt. Außerdem war oben der folgende Absatz zu lesen:

Die legale Wiedereinführung der Verlegerbeteiligung bedeutet auch, dass bei der VG-Wort registrierte Blogger:innen und Self-Publisher:innen mit ihrer Arbeit künftig die Verlage ebenfalls mitfinanzieren, da der Verlegeranteil pauschal nach einem Verteilungsschlüssel von den Einnahmen der VG-Wort abgeführt wird.

Zwar erhielten Blogger:innen und Self-Publisher:innen nach dem Urteil des Bundesgerichtshofes über die Verlegerbeteiligung ebenfalls nicht unerhebliche Summen von der VG Wort ausgezahlt, jedoch hatte diese Auszahlung nicht direkt mit der Verlegerbeteiligung zu tun. Da sich das Gerichtsverfahren über mehrere Jahre hinzog und der Ausgang unklar war, hatte die VG Wort sicherheitshalber pauschale Rückstellungen auf alle Ausschüttungen gebildet. Mit dem Urteil wurden diese ausbezahlt, auch an Blogger:innen und Self-Publisher:innen. Blogger:innen und Self-Publisher:innen erhielten also keinen Verlegeranteil, sondern nur den zurückgehaltenen Teil ihrer Tantiemen. Wir bitten diese Fehlinterpretation und diesen Fehler zu entschuldigen. Der Absatz wurde aus dem Text oben entfernt und der Titel geändert. Vielen Dank an den Rechtsanwalt und Urheberrechtsexperten Wolfgang Schimmel, der uns nach seinem Kommentar (siehe unten) den Sachverhalt erläuterte.

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14 Kommentare

  1. Gut ist das neue Urheberrecht wohl für Ãœbersetzer:innen, die vorher nur ein einmaliges Honorar bekamen, nun aber – als Urheber:innen – prozentual am Buchverkauf beteiligt werden. Das ist aber nur schön bei sogenannten Bestsellern. Die Chancen darauf, einen potentiellen Bestseller “großer Autor:innen” übersetzen zu dürfen, sind sicherlich NICHT gerecht verteilt. Manche festangestellte Lektorin, die nebenbei übersetzt hat, weil sonst das Gehalt nicht gereicht hätte, kann sich nun als Ãœbersetzerin selbständig machen – und aufgrund ihrer guten Verlagsbeziehungen darauf zählen, die ATTRAKTIVEN Ãœbersetzer:innenjobs zu bekommen. Ein schwieriges Thema.

  2. Also ich glaube, dass ein Verlegeranteil bei der VG WORT nur dann anfällt, wenn es auch einen Verlag gibt, der Rechte von uns Autoren erhalten hat. Oder nicht? Sonst wäre das ja nicht OK.
    Und bei Blogger:innen gibt es ja keinen Verlag.

  3. Sowohl YouTube als auch Facebook/Instagram haben längst Lizenzverträge mit GEMA, VG Wort und Herstellern von Wort- und Musikaufnahmen. Da wird also bereits gezahlt.

    Es bleibt noch abzuwarten, wie der Uploadfilter jenseits von YouTube und Facebook (die ihn schon längst in Form ihres Copyright ID Systems haben) technisch umgesetzt werden kann und ob er auch Missbräuche wirksam eindämmen kann.

    Grundsätzlich sollten sich die Autoren eigentlich über diese Entwicklung freuen, da es ihnen wieder mehr Kontrolle über ihre Inhalte gibt. Autoren und Verlage gegeneinander auszuspielen hilft allen nicht weiter. Zumal die Möglichkeiten des Selfpublishing heute breiter und praktikabler sind als je zuvor.

  4. Es war ja abzusehen, dass die zahlungskräftige Lobby es hinkriegt, dass ihr Teil vom Gebäck gesetzlich verankert wird. Die Sache mit dem pauschalen Verteilungsschlüssel ist eine kollossale Sauerei.

    Theoretisch müssten jetzt alle Blogger und Selfpublisher (jaja, ich weiß! -innen auch, aber ich hab damit kein Problem) einen Verlag gründen. Wenn sie mit diesem nur sich selber vermarkten, ist ein solcher ja nicht gewerbepflichtig (geht auch, wenn mehrere sich als GbR zusammentun, nur ist dann die Buchhaltung äußerst lästig). Ich kenne einige Künstler (außer mir tatsächlich ohne -innen), die das so machen.
    Dann könnte jeder Schriftsteller* oder selbständige Hörbuchsprecher*, Podcaster* etc. auch als Verleger am Verlegerkuchen partizipieren. (*=wieder mit -innen)

    Ich werde für meinen schon sehr lange existierenden Selbstverlag mal ausprobieren, was die VG Wort zu meiner Anmeldung als Verlag von sich gibt. Wenn man die Hydra nicht von vorne besiegen kann, muss man ihr eben in den Hintern treten.

  5. “Die legale Wiedereinführung der Verlegerbeteiligung bedeutet auch, dass bei der VG-Wort registrierte Blogger:innen und Self-Publisher:innen mit ihrer Arbeit künftig die Verlage ebenfalls mitfinanzieren, da der Verlegeranteil pauschal nach einem Verteilungsschlüssel von den Einnahmen der VG-Wort abgeführt wird.”

    Wenn ich keinen Verlag habe, ergibt eine Verlegerbeteiligung keinen Sinn. Wo steht das genau, dass das trotzdem so gelten soll? Ich habe das zwar schon sinngemäß in einem Kommentar gelesen, aber da war auch keine einschlägige Stelle zitiert.

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