
Zach Williams’ Erzählband »Es werden schöne Tage kommen« begeistert Kritiker weltweit. Doch hält das gefeierte Debüt, was es verspricht? Eine kritische Betrachtung der vielgelobten Short Stories.
Ein Talent, das Wikipedia nicht kennt
Zach Williams ist ein bisher unbekannter Name in der literarischen Landschaft. Der amerikanische Autor hat aktuell nicht mal einen Eintrag in der US-Version der Wikipedia. Doch mit seinem Debüt, dem Erzählband »Es werden schöne Tage kommen«, hat er international für Furore gesorgt. Die Sammlung von zehn Kurzgeschichten wurde von renommierten Medien wie der New York Times und dem New Yorker hochgelobt, und das Buch fand sogar Eingang in Barack Obamas Summer Reading List 2024. Ins Deutsche wurde das Werk von Bettina Abarbanell und Clemens J. Setz übersetzt, und auch hierzulande war das Feuilleton begeistert. Nur Autoren-Kollege Franzobel nörgelte im Literarischen Quartett über das Buch.
Doch bei so viel Lob stellt sich die Frage: Verdient das Buch wirklich den Status eines literarischen Wunders, das ihm bisweilen zugesprochen wurde?

Zach Williams, so ist es im Klappentext und auf der Website seines deutschen Verlags dtv zu lesen, ist in Wilmington, Delaware geboren und lebt jetzt in San Francisco. Er hat Creative Writing an der New York University studiert und wurde mit dem Wallace Stegner Fellowship in Fiction an der Stanford University ausgezeichnet, wo er heute als Dozent tätig ist.
Während das Buch im Original lediglich den Titel »Beautiful Days« trägt, werden diese in der deutschen Version erst noch kommen. Der deutsche Titel hat mehr Sarkasmus in sich und lässt erahnen, dass in den Stories selbst die schönen Tage eher ausbleiben werden.
Fulminanter Probelauf
Fulminant beginnt es mit der Geschichte »Probelauf«, die im 14. Stock eines New Yorker Bürogebäudes spielt. Lediglich drei Menschen haben es hierher geschafft, denn draußen tobt ein fürchterlicher Schneesturm. Den Rest der Welt könnte jedoch auch ein Virus dahingerafft haben. So sitzt der Ich-Erzähler nun im sturmumtosten Gebäude, wo ihm ein eigenwilliger Wachmann und ein ebenso rätselhafter Kollege Gesellschaft leisten. Merkwürdig verschwurbelt klingende Drohmails, die sich gegen die Chefin richten, haben in letzter Zeit die Bürogemeinschaft beunruhigt. Und selbst die an diesem Tag verbliebenen Drei, scheinen sich gegenseitig zu verdächtigen und zu belauern. Es ist eine beklemmend, beängstigende Geschichte, die aktuelle gesellschaftliche Entwicklungen in einem Mikrokosmos abbildet. Am Schluss kippt die Geschichte völlig.
Danach folgt »Das Sauerkleehaus« und Langeweile macht sich breit. Frau, Mann und Kind in einer Hütte im Wald. Ein klassisches Horror-Setting, das vor einiger Zeit Jessica Lind fulminant literarisch adaptiert hat. Auch in der Geschichte von Williams stimmt einiges nicht, kommt eine surreale Ebene hinzu. Doch die Story plätschert und mäandert dahin wie später auch »Lucca Castle«. Was wollen die Geschichten? Was will der Autor? Oder will er nur, dass man just an dieser Frage scheitert?
Denn sprachlich hat der Autor nichts Originelles zu bieten, was einen von der lahmen Handlung ablenken könnte. Es ist auffällig, dass in fast allen Besprechungen die Übersetzung von Bettina Abarbanell und Clemens J. Setz gelobt und erwähnt wird. Nicht, dass die Arbeit der beiden nicht zu würdigen wäre. Doch ein klein wenig kommt der Verdacht auf, dass die Erwähnung in den Rezensionen nur wegen Büchner-Preisträger Setz erfolgt, sodass auch der Verlag das Übersetzungs-Duo prominent erwähnt. Sprachlich sind keine Besonderheiten auszumachen. Solide Arbeit. Warum bleiben so viele gute Übersetzer anderer Bücher unerwähnt? Gerade im Literarischen Quartett hat diese Nicht-Erwähnung eine traurige Tradition. Und natürlich wurde auch dort erwähnt, dass Clemens J. Setz mit am Werk war. Bettina Abarbanell blieb in der Diskussion ungenannt.
Ungenaue und überflüssige Sätze nerven (»An der nächsten Kreuzung verweilte ich, ohne die Straße zu überqueren.«), was sicherlich nicht an der Übersetzung liegt.
Insbesondere beim Lesen der längeren Erzählungen ertappt man sich in Zeiten der KI dabei, heimlich Prompts zu formulieren wie:
Schreibe eine längere Kurzgeschichte, die sich in sechs Abschnitte teilt, die mit den Überschriften 1, 2, 3 etc. versehen sind. In der Geschichte soll es um ein junges Paar mit einem Kind gehen, das in eine Art Ferienhaus im Wald zieht. So genau weiß man aber nicht, ob sie wirklich in den Ferien sind. Irgendwann werden sie sich fragen, wie sie in die Hütte gekommen sind. Die Geschichte soll etwas surreal angelegt werden und auch eine Schnappschildkröte soll darin eine Rolle spielen. Die Erzählperspektive ist auktorial. Die Frau heißt Ronna, der Mann Jacob und der Sohn Max. Die Eltern stellen im Verlauf der Geschichte fest, dass offenbar nur sie altern, nicht aber ihr Kind. In der Geschichte soll es auch immer wieder Anflüge von Gewalt geben. Am Ende soll die Geschichte irgendwie offen ausufern. Beginne die Geschichte damit, dass die drei bei der Hütte eintreffen.
Es mag böser klingen, als gemeint, aber nachdem man den Prompt tatsächlich mit Claude ausprobiert hat, liest man auch dort ähnlich inspiriert weiter wie bei Williams.
Bitterböse. Kurz. Verstörend. Nicht immer.
»Der neue Zeh« ist wieder bitterböse und kurz. Verstörend. Davon würde man sich noch mehr in diesem Buch wünschen.
Die Idee von »Mausefallen« ist originell. Ein Mann will eine Lebendmausefalle kaufen. Der Verkäufer macht ihm klar, dass auch eine Lebendfalle moralisch verwerflich sei. Beim Lesen merken wir, dass der Erzähler selbst in eine solche Falle gerät und irgendwann irgendwo in einem fremden Revier wieder ausgesetzt wird. Doch selbst diese mittellange Geschichte ist irgendwie zu lang. Sie liest sich wie ein Witz, dessen Pointe man schon längst erahnt.
Alle Geschichten haben gemeinsam, dass eine Bedrohung von außen in die Welt der Protagonisten hereinbricht. Eine Bedrohung, die nicht wirklich fassbar, greifbar und erklärlich ist. Es sind daher oft auch phantastische Erzählungen, geprägt von überwiegend männlichen Charakteren, die in ihrer simplen männlichen Welt die Orientierung verlieren.
Die Erzählung »Probelauf« steht nicht von ungefähr am Anfang des Buches, denn es ist die mit Abstand stärkste Story, die dem Werk seinen positiven Auftrieb gibt. Auch später im Buch wird es noch schöne Geschichten geben. Doch gerade die längeren Stories schleppen sich etwas uninspiriert dahin. Am Ende bleiben aber die stärkeren Erzählungen im Gedächtnis.
Ob das die Lobeshymnen rechtfertigt? Bei nüchterner Betrachtung der Stories eher nicht. Das Lob der Feuilletons mag eher ein Indiz dafür sein, das aktuell nichts Innovativeres zu finden ist.
Wolfgang Tischer
Zach Williams; Bettina Abarbanell (Übersetzung); Clemens J. Setz (Übersetzung): Es werden schöne Tage kommen: Stories. Gebundene Ausgabe. 2025. dtv Verlagsgesellschaft mbH & Co. KG. ISBN/EAN: 9783423284615. 24,00 € » Bestellen bei amazon.de Anzeige oder im Buchhandel
Zach Williams; Bettina Abarbanell (Übersetzung); Clemens J. Setz (Übersetzung): Es werden schöne Tage kommen: Stories. Kindle Ausgabe. 2025. dtv. 18,99 € » Herunterladen bei amazon.de Anzeige
Ich dachte Denis Scheck hat dieses Buch schon einmal erwähnt. Wahrscheinlich ist es nur deswegen hoch gekommen. Ich persönlich wittre einen Skandal, der diesem Buch dann noch einmal, unnötig, Auftrieb gibt.