StartseiteBachmannpreis 2025Heinz Bachmanns Schwester Ingeborg und das Haus in der Henselstraße

Heinz Bachmanns Schwester Ingeborg und das Haus in der Henselstraße

Ein Titel so nüchtern und dennoch ist alles drin: »Ingeborg Bachmann, meine Schwester« von Heinz Bachmann
Ein Titel so nüchtern und dennoch ist alles drin: »Ingeborg Bachmann, meine Schwester« von Heinz Bachmann

Mit einem Straßenfest am 27. Juni 2025 wird das Elternhaus von Ingeborg Bachmann der Öffentlichkeit als Museum und Ort der Kultur zugänglich gemacht. Ingeborgs Bachmanns Bruder Heinz wird zur Eröffnung anreisen. »Ingeborg Bachmann, meine Schwester« heißt das Buch, in dem er sich an die gemeinsame Zeit erinnert.

Die Katastrophe vor dem frühen Tod

Die Erinnerungen beginnen mit der Katastrophe. Am 27. September 1973 wird Ingeborg Bachmann mit schweren Brandverletzungen in eine Klinik in Rom eingeliefert. Sie war im Badezimmer mit einer brennenden Zigarette eingenickt, und Nachthemd und Umhang fingen Feuer. Sie rief noch eine gute Bekannte an, um eine Brandsalbe zu erbitten. Am 17. Oktober 1967 stirbt Ingeborg Bachmann im Krankenhaus. Wohl nicht nur aufgrund ihrer Verletzungen, sondern auch, weil die Ärzte eine starke Schmerzmittelabhängigkeit nicht erkannten und diese bei der Behandlung nicht berücksichtigten. Schon zuvor, schreibt Ingeborg Bachmanns Bruder in seinen Erinnerungen, fiel ihm bisweilen auf, dass seine Schwester es oft nicht bemerkte, wenn eine abgebrannte Zigarette ihre Fingerspitzen ansengte.

Heinz Bachmann, Jahrgang 1939, war der Nachzügler in der Familie. Seine Schwester Ingeborg war bei seiner Geburt bereits 13 Jahre alt, seine Schwester Isolde 12.

Das Haus in der Henselstraße

Im Haus in der Henselstraße 26 wurde Ingeborg Bachmann 1926 nicht geboren. Die Eltern kauften es erst im Jahre 1933. Als der Rest der Familie 1944 aufs Land flüchtete – Vater Mathias Bachmann wurde 1939 in die Wehrmacht eingezogen – blieb Ingeborg allein in Klagenfurt im Haus zurück, obwohl in der Nachbarschaft die Bomben einschlugen. Sie wollte auf jeden Fall die Matura, das Abitur, ablegen, was ihr gelang. Erst 1945 verließ sie das Haus in der Henselstraße, um nach dem Krieg in Innsbruck, Graz und Wien zu studieren. Bereits in Klagenfurt wurde sie von der Familie und ihrem Umfeld als etwas Besonderes wahrgenommen. »Sie ist eine Dichterin«, hieß es.

Heinz Bachmann ist kein Dichter, er studierte Geologie und reiste als Ingenieur für den Shell-Konzern um die Welt. Doch er blieb seiner älteren Schwester stets verbunden, obwohl diese ebenfalls viel herumkam, in Berlin, Zürich und schließlich Rom lebte. Die Familie und die gelegentliche Rückkehr zu den Eltern in Klagenfurt waren oft eine Art sicherer Hafen.

Es ist interessant zu lesen, dass dieses »Dichterleben« der älteren Tochter von Eltern und Familie offenbar nie infrage gestellt wurde. Man war stolz auf sie.

Als die Welt noch größer war

Der Bruder in Südamerika, Afrika, Den Haag und London unterwegs, die Schwester in den USA und Europa. Beim Lesen der Erinnerungen Heinz Bachmanns an seine berühmte Verwandte muss man sich immer wieder vergegenwärtigen, dass es die schnelle Kommunikation via E-Mail oder WhatsApp noch nicht gab. Die Welt war noch nicht so klein geworden.

Wie gesagt: Heinz Bachmann ist kein Literat. Das schmale Büchlein mit den Erinnerungen ist von einer direkten und schnörkellosen Sprache geprägt. Er schreibt ingenieursmäßig sachlich, aber stets mit liebevollem Blick auf die Familie. Bachmann lässt nichts aus, weder die Mordspekulationen um Ingeborgs Tod noch die NSDAP-Mitgliedschaft des Vaters, noch die Beziehung Ingeborgs zu Max Frisch und anderen. Aber nie verliert er sich in Spekulationen oder gar einem kolportierenden Boulevardstil. Es ist die Klarheit, die einen in dieses Buch hineinzieht.

Das Buch von Heinz Bachmann enthält auch viele Fotos aus Familienbesitz und solche, die er selbst von seiner Schwester gemacht hat.
Das Buch von Heinz Bachmann enthält auch viele Fotos aus Familienbesitz und solche, die er selbst von seiner Schwester gemacht hat.

Nach dem Tod der Schwester brachte Heinz Bachmann ihre Bibliothek und ihr Eigentum aus Rom ins Elternhaus nach Klagenfurt. Zusammen mit seiner Schwester Isolde kuratierte er, der Ingenieur, den Nachlass von Ingeborg Bachmann. Er wollte nie, dass die Dinge in alle Welt verstreut werden. Das Elternhaus mit dem Nachlass von Ingeborg Bachmann sollte der Öffentlichkeit zugänglich gemacht werden.

Das Bachmann-Haus

Sein Wunsch geht nun in Erfüllung. Bereits 2021 kaufte eine Privatstiftung das Haus 26 in der Klagenfurter Henselstraße, inklusive der wertvollen Bibliothek mit persönlichen Widmungen etwa von Paul Celan, Heinrich Böll, Erich Fried oder Henry Kissinger. Die Stadt Klagenfurt und das Land Kärnten übernahmen die Sanierung und den Umbau des Gebäudes. Die Bibliothek betreut künftig die Universität Klagenfurt.

Am 27. Juni 2025 wird das Haus während der 49. Tage der deutschsprachigen Literatur, dem Bachmannpreis, als »Ingeborg-Bachmann-Haus« für alle geöffnet. Am Abend wird es einen Festakt im Klagenfurter Stadttheater geben.

Ingeborg Bachmanns Verhältnis zur Stadt Klagenfurt war nicht das einfachste. Nach der Lektüre von Heinz Bachmanns Buch wird klar, dass die Stadt am Wörthersee nicht mit den mondänen Städten mithalten konnte, in denen Ingeborg später lebte. Aber es war ihre Geburtsstadt, in die sie oft zurückkehrte. Nicht unbedingt in die Stadt selbst, aber in das Elternhaus in der Henselstraße, das über 50 Jahre nach ihrem Tod nun ihr Haus wird, das »Ingeborg-Bachmann-Haus«.

Wolfgang Tischer

Heinz Bachmann: Ingeborg Bachmann, meine Schwester: Erinnerungen und Bilder. Gebundene Ausgabe. 2023. Piper. ISBN/EAN: 9783492072502. 24,00 €  » Bestellen bei amazon.de Anzeige oder im Buchhandel
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