Thomas Gottschalk war an diesem Dienstag auf der Titelseite der BILD-Zeitung. Nicht wegen seiner neuen Literatursendung »Gottschalk liest?«, sondern weil er sich von seiner Frau getrennt hat. Wir blicken jedoch nicht in die Boulevardpresse, sondern schauen uns im Bayerischen Fernsehen seine Literatursendung an. Endlich wissen wir, warum am Ende des Titels ein Fragezeichen steht.
Denn man konnte durchaus Zweifel daran hegen, ob Gottschalk die Bücher seiner Gäste wirklich gelesen hat. Autorin Sarah Kuttner ließ Gottschalk immer wieder auflaufen, indem sie Gottschalks schlechte Nacherzählung ihrer Bücher korrigierte. Betrunken sein ist etwas anderes als einen Kater haben: »Ganz andere Hausnummer!« Verstörend, wie er Kuttner mit den Protagonisten ihres Buches zu einer Gruppe zusammenfasste und von »ihr« in der zweiten Person Plural sprach, was auch die Autorin befremdete: »Wir nicht, aber die Protagonisten.«
Und auch Ferdinand von Schirach – den Gottschalk ungewöhnlicherweise siezte – schien Thomas Gottschalk nicht so ganz ernst zu nehmen. Gottschalk: »Sie sind auch lustig, auch wenn Sie ’s nicht sein woll’n.«
Leider kann man Thomas Gottschalk in seiner Rolle als Literatur-Talker auch nicht ernst nehmen.
»Setzen wir das Moderatorenwesen in sein natürliches Umfeld, und es wird sich wohlfühlen und uns mit possierlichen Sprüchen erfreuen«, schien man sich beim Bayerischen Rundfunk gedacht zu haben. Gottschalk hat jahrelange Erfahrung damit, sich vor Publikum auf dem Sofa mit Gästen zu unterhalten, die gerade ein Buch oder einen Kinofilm bewerben müssen. »Der Spaß am Lesen kommt mit den Büchern, die man hingelegt bekommt«, fasst Gotsschalk die Literaturauswahl seiner Redaktion zusammen.
Also setzte man für »Gottschalk liest?« den Moderator mit seinen Gästen vor Publikum auf eine Sitzgruppe und ließ ihn plaudern – und nicht lesen.
Zunächst wurden die ausnahmslos schwarz gekleideten Autorinnen und Autoren einzeln wie in einer Schulprüfung abgefragt, nur dass hier der Lehrer nicht vorbereitet war. Neben schlechten und offenbar falschen Nacherzählungen der Buchinhalte, fragte Gottschalk die langweiligsten der Fragen, die man Autorinnen und Autoren stellen kann. Gottschalk nervte mit seinem »Ich-alter-Mann-bin-von-den-neuen-Büchern-erstaunt«-Habitus. Zweieinhalb Jahre, die man an einem Buch schreibe, das sei »viel Lebenszeit, die da draufgeht«, konstatiert Gottschalk, der viel Lebenszeit auf Show-Sofas verbracht hat. »Ich fand Wilhelm Busch lustig. Meine Kinder, die sagen: ›Gibt’s da nicht ’ne App dafür?‹«
Fein, dass Autorin Vea Kaiser diesen Allgemeinplatz alter Menschen vehement konterte: »Es gefällt mir gar nicht zu sagen: ›Alles geht den Bach runter!‹ Wer jüngere Kinder kennt, der weiß, dass die diese Megawälzer verschlingen.«
Als Gottschalks Sendung im Dezember angekündigt wurde, da gab es auch hier in den Kommentaren sofort negative Stimmen, ob man den keinen Besseren für so eine Sendung finden könne.
Das ist reine Vorverurteilung, man muss schließlich die Sendung erst gesehen haben. Warum sollte Gottschalk nicht auch mal eine Literatursendung moderieren? Vielleicht begeistert er mit seiner naiven Frageart doch ein paar Menschen für Bücher.
Jetzt, nach der Sendung, kennen wir die Antwort: Nein.
Es wird leider nicht automatisch eine Literatursendung daraus, wenn man Gottschalk mit Autorinnen und Autoren auf eine Sitzgruppe setzt. Sein »Wetten, dass …?«-Elan ist längst dahin, seine Altherrenbräsigkeit lockt niemand zum Buch.
Es ist eine Stunde Lebenszeit, die dabei draufgegangen ist.
Wolfgang Tischer
Link ins Web:
Naja, war ja nur ne Dreiviertelstunde, aber die war tatsächlich verschwendet
Ein hervorragender Kommentar zur Bräsigkeit eines selbstverliebten, alternden Gockels. Ich ersparte mir Gottschalk schon in der Vergangenheit und werde das weiter tun!
Mir hats gefallen!
Die Bildunterschrift passt nicht zum Screenshot: „Gottschalk liest die Moderationskarten, während Sarah Kuttner ihm erklärt, worum es in ihrem Buch wirklich geht (Foto: Screenshot BR)“
Im Bild schaut er Frau Kuttner ja eindeutig an.
Danke für diese Einschätzung! Das spart mir wertvolle Lebenszeit, denn ich hatte eigentlich vor, die Lesung in der Mediathek anzuschauen. ich lass das mal lieber! Herzlichen Dank!
Könnte man die Altersdiskriminierung in Texten endlich sein lassen? Dem Literaturcafé steht das nicht gut an. Bsp.: „…Allgemeinplatz alter Menschen …“. Was sollen solche Pauschalisierungen?
Ich hab gestern morgen noch ein Interview mit ihm auf Bayern 2 gehört. Er meinte, er maße sich nicht an, es als Literatursendung zu bezeichnen. Er wisse selbst, dass er kein Literaturkenner ist. Die Zielgruppe ist auch ein andere, als es die des literarischen Quartetts war.
Ich lese gern und entsprechend viel. Deshalb freue ich mich über Buchtipps.
Buchtipps aufgrund von Bestsellerlisten kann ich vergessen – das habe ich mittlerweile begriffen. Buchperlen zu finden, ist Glücksache, und ich freue mich über jeden Fund, der sich dann tatsächlich als Glücksache herausstellt.
Dass in diesem neuen Sendeformat nun nicht Leser, sondern Autoren zu Wort kommen, kann man definitiv nicht als Buchtipp(s) sehen, denn es geht ausschließlich um das Marketing für Neuerscheinungen. Menschen bzw. Autoren, die von Talkshow zu Talkshow wandern.
Was anderes war bei diesem (neuen) Format allerdings auch nicht zu erwarten.
PS: Wer mir menschlich mittlerweile wirklich ans Herz gewachsen ist, ist Ferdinand von Schirach. Sein zurückhaltendes Wesen und sein feiner Humor gefallen mir außerordentlich. Diesen Mann in einer Talkshow zu erleben, ist ein Vergnügen.
Gottschalk war schon in jüngeren Jahren an nix anderem interessiert als sich selbst. Ich habe manchmal – nur weil ich auf das aktuelle Sport-Studio gewartet habe und er ja immer überzogen hat! – einen Teil von „Wetten dass“ gesehen. Wie er da seine Gäste „interviewt“ hat! Blöde Fragen und überhaupt kein Interesse an den Antworten. Herbert Grönemeyer fragt er: „Mit Ihrem Lied … meinen Sie doch bestimmt, dass …“ HG: „Nein, ich …“ TG fällt ihm mit seiner nächsten Frage ins Wort, und die lautete nicht „Was meinten Sie denn dann?“ Udo Jürgens hat er mal ähnlich abgefertigt, und ich habe mich in beiden Fällen gewundert, dass die Befragten sich das gefallen ließen. Wahrscheinlich kannten sie die „Interviewtechnik“ von TG schon.
Bei so viel negativer Kritik werde ich mir mal lieber selbst ein paar Minuten der Sendung ansehen.
Das er zu Büchern Sarah Kuttners oder v. Schirachs keine „vernünftigen“ Fragen stellen kann, liegt möglicherweise auch an der Qualität der beiden Bücher. Zumindest halte ich von der schriftstellerischen Qualität der beiden wenig. Vielleicht erging es Gottschalk genauso.
Vielleicht hat er kein gutes Team im Hintergrund.
P.S. Von Gottschalks „Talk-/Quizmaster“ und „Entertainerqualitäten“ halte ich allerdings auch nichts.
Ich bin nach der ersten Korrektur Sarah Kuttners eingeschlafen und beim letzten Satz Gottschalks wieder aufgewacht. Lange nicht so gut vorm TV geschlafen. Schade dass TG nicht Schwedisch versteht. Er könnte sich sonst bei BABEL und Jessica Gedin ansehen, wie man gute AutorInnen-Interviews macht die beleben und bereichern.
Altherrenbräsigkeit – was, bitte, soll das sein? Sorry, finde meinen Diktionär vergessener Wörter gerade nicht. Gibts auch eine Jungherren(damen)bräsigkeit oder ist obiges Wort ein Pleonasmus, verbunden mit dem üblichen Altersrassismus bei Jungherren-Journalisten?
Handelt es sich hier nicht eher um Schrottverwertungsphantasien, denen der BR aufgesessen ist? Mich würde ja nie einer zur TV-Vorstellung eines neuen Buches einladen, aber selbst wenn, würde ich zu solchen Monologistikern wie TG nimmer wallfahren.
Was mag sich Ferdinand von Schirach wohl gedacht haben, in diese Sendung zu geraten, die doch absolut unter seinem Niveau liegt? Um Buchkritik geht es ja wohl nicht. Ich greife dennoch nach jeder Sendung, die mit „Buch“ zu tun hat, da in dieser Hinsicht nicht viel geboten wird. Eine „Plaudertasche“ als Vermittler genügt allerdings nicht. Befremdlich: Warum wurde sein Alter negativ erwähnt?
Also, ich fand es schade, dass Gottschalk wohl freiwillig nix liest, und das, was r lesen sollte, eher wohl nur ein bisschen.
Schade, denn wenn er Buch, das ihm gefiel und den Auto dazu interviewen sollte, müsste es ein rechets Vergnügen sein, ihm zuzuhören.
Ich mag ihn nämlich – und wenn er obendrein nch aufhören würde auf sein Alter hinzuweisen – man muss doch niht auch noch über das reden, was jeer ohnehin sehen .. na ja, man sollte ihn Bücher präsenieren lassen, die ihm irgenwann irgendwas bedeutet haben —
gibt ja vielleicht doch welche.
wenigstens den Schirach hab ich mir nun endlich bestellt. Er wirkte neben dem energiestrotzenden Gottschalk irgendwie trostbedürftig.
Sicher, Gottschalk hat seine Hausaufgaben nicht gemacht, und es bleibt zu hoffen, dass er das erkannt hat und es das nächste Mal besser machen wird. Flapsige Sprüche machen flapsiges Lesen eben nicht wett. Auch seine Fragen liessen erkennen, dass er kein Literaturexperte ist. Dennoch hatte die Sendung durchaus auch positive Punkte. Gerade weil Gottschalk kein Literaturexperte ist, war die Auswahl der Bücher „lesbarer“ als das, was Literaturkritiker in anderen Literatursendungen des öfteren vorstellen. Auch sprachlich bewegte sie die Unterhaltung auf einem Niveau, das im Vergleich mit eben jenen Literatursendungen, in denen sich die Kritiker gegenseitig mit immer noch eloquenteren Formulierungen gegenseitig zu überbieten versuchen, dem Zuschauer näher ist und letztendlich auch unterhaltender. Positiv ist für mich auch, dass Gottschalks Gäste Autor/innen sind und nicht Kritiker. Da geht es viel direkter um die Geschichten und deren Schöpfer und nicht um Interpretationen – für mich ist das um einiges interessanter. Gefallen hat mir auch, dass Gottschalk nicht dieses erzwungene „Sie“ verwendete in der Sendung wie das z.B. beim Literarischen Quartett (wo sich immer mal wieder jemand verplappert) oder beim Literaturclub der Fall ist. Er hat die geduzt, mit denen er per Du ist, und von Schirach gesiezt. Ich muss auch zugeben, dass ich mich darüber ziemlich amüsiert habe, wie die Gäste Gottschalk gekontert haben. Allen voran Ferdinand von Schirach, der ihn mit viel Stil ziemlich an die Wand gefahren hat. Dann aber wieder Hut ab, wie Gottschalk das eingesteckt hat – da gibt es andere Beispiele …
Aber das Wichtigste: Ich bin auf jedes einzelne der Bücher neugierig geworden (ausser dem Bildband). Und im Gegensatz zu den klassischen Literatursendungen, die mir selten mal ein Buch derart nahe bringen können, dass ich es kaufe, werde ich hier alle drei Bücher lesen. Und darauf kommt es ja schliesslich an, nicht wahr?
Schirachs elegante Ausdrucksformen hatte für mich eine super Dominanz, sie kam auch nur über Gottschalks Art der Moderation so stark durch, herrlich. Mein Gewinn aus diesem Abend.