StartseiteLiterarisches LebenDas Literarische Quartett vom Dezember 2025: Wieder mal Adam und Eva

Das Literarische Quartett vom Dezember 2025: Wieder mal Adam und Eva

Das Literarische Quartett vom 05.12.2025 (von links): Wolfram Eilenberger, Eva Menasse, Adam Soboczynski und Thea Dorn (Foto: ZDF/Kosei Takasaki)
Das Literarische Quartett vom 05.12.2025 (von links): Wolfram Eilenberger, Eva Menasse, Adam Soboczynski und Thea Dorn (Foto: ZDF/Kosei Takasaki)

Nach 27 Jahren keinen Adventskalender mehr. Viele fanden es dann doch schade. Nach 10 Jahren Neuauflage kein Literarisches Quartett mehr? Fänden Sie das schade? Oder einfach nach 10 Jahren keine Besprechung des Quartetts mehr? Sie würden es doch auch schade finden. Fangen wir also bei Adam und Eva an?

Das immergleiche Quartett

Das literarische Quartett wird sich immer ähnlicher. Nichts Neues mehr, nichts Besonderes mehr. Worüber noch schreiben? Wo ansetzen? Dies soll ja kein langweiliger Aufsatz werden, keine billige Nacherzählung wie ein Buchtipp in der Brigitte. Aber die Suche nach dem Originellen der Sendung wird schwieriger, weil mittlerweile jede Ausgabe ähnlich (langweilig) ist. Die gleichen vier Teilnehmenden aus der Berliner Bubble (spart Reisekosten, diesmal neben Thea Dorn wieder Eva Menasse, Wolfram Eilenberger und Adam Soboczynski), seit langem kein Publikum mehr (spart Kosten für Ticketing und Betreuung und ist einfacher bei der Aufzeichnung), seit langem die selbe Optik und Kameraführung, die selbe Art, über Bücher zu sprechen, der selbe Tisch unter der Lampe.

Vielleicht wäre das Literarische Quartett besser, hätte man alle besprochenen Titel gelesen? Dann könnte man mitfiebern (»Genau, Eva, so sehe ich das auch! Gibs ihnen!«). Aber wer hat das schon?

Seit langem kein wirklich neuer, unerwarteter Gast dabei (Nein, Ex-Staatsminister sind nicht unerwartet). Früher saß auch mal Thomas Gottschalk in der Runde, aber das ist ja gerade etwas heikel.

War diesmal irgendetwas anders? Mehr Licht! Tatsächlich war der Hintergrund des Berliner Ensembles besser zu erkennen. Aber sonst?

Viel Durcheinandergerede. Oft nicht mal ein »Lassen-Sie-mich-auch-mal«, sondern stures Weiterreden. Die armen Menschen beim ZDF, die das untertiteln müssen.

Was schreiben? Die Bücher und die Meinungen zusammenfassen? Wenig originell, sowas kann die KI machen. Bitteschön. Die KI nennt sogar die Übersetzer:

1. László Krasznahorkai: »Zsömle ist weg«

Übersetzt aus dem Ungarischen von Heike Flemming, S. Fischer Verlag
Person Meinung
Adam Soboczynski »Einer der burleskesten, lustigsten und fantastischsten Romane, die ich seit ganz langer Zeit gelesen habe« – Faszinierende Figur des 91-jährigen vermeintlichen Königs, begeistert von der Komik
Thea Dorn »Ich kann mich der Begeisterung aus vollem Herzen anschließen« – Sehr amüsiert beim Lesen, »von einer literarischen Virtuosität, wie man sie wirklich ganz, ganz selten hat und auch von Heike Flemming kongenial übersetzt«. Stellte die kritische Frage: Dürfte ein deutscher Autor dasselbe über Prinz Reuß schreiben?
Eva Menasse »Multifunktionsparabel« – Man kann überall mit seinen Assoziationen andocken, Spiegelkabinett mit Verweisen auf Mytdenbildung und Nationalismus Mitteleuropas. Die Ironie ist klassisch (Orban-Bemerkung). Hält es für Realismus, weil der Irrsinn der Welt so weit fortgeschritten ist
Wolfram Eilenberger »Onkel Joschi wird mich begleiten« – Die Figur bleibt im Leben, »was würde er jetzt tun?« Es gibt politische Dimension (gegen Retropien), aber auch die Geschichte eines Mannes mit Schicksal. Großartig, wie er den Hund Zsömle beschreibt. »Wunderbar« gemacht mit WhatsApp-Gruppe und Ungleichzeitigkeiten

2. Margaret Atwood: »Book of Lives. So etwas wie Memoiren«

Übersetzt aus dem kanadischen Englisch von Helmut Krausser und Beatrice Renauer, Berlin Verlag
Person Meinung
Eva Menasse »Eine der bekanntesten und einflussreichsten Schriftstellerinnen unserer Zeit, vielleicht der größte Weltstar der weiblichen Autorin« – Bewundert ihre Vielfalt, empfiehlt ihre Kurzgeschichten. »Ein Vorbild für mich als Frau, als Schriftstellerin«. Das Buch sei »ein unglaublich unterhaltsamer Page-Turner«, exzentrisch ausgewählt mit Zug zur Pointe
Adam Soboczynski »Ich mag Margaret Atwood sehr gerne, ich mag auch ihre Literatur sehr gerne« – Sie ist zu Recht weltberühmt. »Ich finde dieses Buch nicht gut« – Zu lang (748 Seiten, klein gedruckt, in Wahrheit wie 1200), zu viele Details: »Ich muss nicht jeden Verwandten, nicht jeden Ex-Freund, nicht jeden Umzug nachverfolgen«
Wolfram Eilenberger »Dieses Buch hat ganz zärtliche, schöne, große Momente. Aber es ist 500 Seiten zu lang, mindestens« – Wie ein zu langer Dia-Vortrag. Architektonisches Problem: als Album angelegt. Aber: die Trauer und wie sie von geliebten Menschen Abschied nimmt (ihr Mann in Demenz) – »das sind wirklich große Momente«. Problem des Lektorats
Thea Dorn »Margaret Atwood will nochmal mit Margaret Atwood leben« – Gibt zu: »Der Umzug in die 17. Blockhütte ist mir auch irgendwann auf die Nerven gegangen«. Aber: die 86-jährige Frau, die nochmal mit der ganz jungen Peggy ihr Leben leben will – »das finde ich, wenn man sich für sie interessiert, kann man das schon«. Verteidigt schöne Dialoge (»Sind Sie nicht Margaret Atwood?« – »Heute nicht«)

3. Samanta Schweblin: »Das gute Übel«

Übersetzt aus dem argentinischen Spanisch von Marianne Gareis, Suhrkamp Verlag
Person Meinung
Wolfram Eilenberger »Wunderbar«, »meisterhaft« – Geschichten beginnen im Alltag und eskalieren in Unheimlichkeit des Gewöhnlichen. Dunkle Spiritualität. »Man muss die Luft zusammenpressen können, damit die Stille nach etwas klingt« – So schreibt sie. Große philosophische Tiefe. Drei Motivachsen: Sprachlosigkeit zwischen Eltern/Kindern, Atemnotstand, Tod als Verbindung
Eva Menasse »Große Anhängerin von Samanta Schweblin« – Ihr Roman »Hundert Augen« war ein Meisterwerk. »Von diesem Erzählungsband enttäuscht« – Die sechs Erzählungen sind formal extrem ähnlich, »überorchestriert«, zu viel Drama. »Hysterischer Realismus« (James Wood). Jede Geschichte hätte für sich gereicht, ohne weitere dramatische Elemente
Adam Soboczynski »Sehr schlanke, tolle Prosa« – Nicht überladen. »Das Seltsame ist immer wahrer« (Motto von Ocampo). Der schriftstellerische Blick macht das Gewöhnliche surreal. Funktioniert sehr gut. Steht in Tradition von Silvina Ocampo
Thea Dorn War auch von »Hundert Augen« beeindruckt. »Ein bisschen enttäuscht, nicht so enttäuscht wie« Menasse. tdematische Verknüpfung stark (Motiv: an einem anderen schuldig werden, um weiterleben zu müssen – »sehr heikles, interessantes, metaphysisches Konzept«). »Großartige Autorin, extrem klug«. Aber: »Ermüdungseffekt«, das Stilmittel wiederholt sich zu oft

Besonderheit: Der einzige echte Streit des Abends – Menasse begeistert, Eilenberger kritisch

4. Lili Körber: »Abschied von gestern«

Übersetzt aus dem Englischen von Beate Swoboda, Verlag Das Kulturelle Gedächtnis
Person Meinung
Thea Dorn Fasziniert vom Lebensgefühl der Exilanten (gleichzeitig dankbar und verzweifelt), gut und mitreißend erzählt – verteidigt das Buch gegen Menasse: »Man darf dem Publikum auch mal einen gut erzählten Roman gönnen«, hebt feministische Aspekte hervor
Adam Soboczynski Inhaltlich interessant (Amerika als offenes Land, Alteuropäer die straucheln), soziologisch spannend – gibt Menasse aber recht: »Literarisch nicht überzeugend«, Dialoge oft anstrengend
Eva Menasse »Literarisch drittklassig« – Zu viele Adjektive (»200 auf der ersten Seite«), anstrengende Dialoge. Angesichts der vielen hochwertigen Exilliteratur (Ilse Aichinger, Ulrich Becher, Mascha Kaléko) hält sie das Buch für überflüssig: »Nazi-Zeit geht immer, Amerika ist auch immer schön«
Wolfram Eilenberger »Dieses Buch hat mir wahnsinnig gute Laune gemacht« – Konventionell erzählt, aber von Hoffnung getragen, eine Hommage an Amerika. Auf jeder Seite wunderbare Formulierungen (»wie eingelegte Gurken leben im Exil«). Froh, dass ihm diese Geschichte erzählt wurde

Besonderheit: Etwas Kontroverse! Eilenberger und Dorn positiv, Menasse fand es »literarisch drittklassig« und überflüssig, Soboczynski gab Menasse recht.

Weitere Spielereien mit der KI? Das Quartett wie die Weihnachtsgeschichte zusammenfassen? Ein peinliches Ergebnis mit peinlichem KI-Humor. Schade. Daher Warten und Hoffen auf die nächste Ausgabe.

Wolfgang Tischer

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